Kapitel 4

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♡ Fira

„Rede!", schrie er mich an. Ich zuckte zusammen. „Oder, ich bin schneller weg, als du sagen kannst, bitte beschütz mich vor bösen Monstern!" Ich schnappte nach Luft, musste mich aber zusammenreißen. Er durfte nicht sehen, dass mir diese Drohung tatsächlich Angst machte. Seine Gegenwart war beruhigend, wohltuend und wie Balsam auf meiner Seele. Er durfte nicht gehen, ich wollte doch heute endlich mal wieder durchschlafen. Aber ich musste stark bleiben.

Ich gab mich also gleichgültig. Er nickte, biss sich auf die Lippe und schnaubte dann einmal spöttisch.

„Ich weiß, wie viel Angst du hast, Fira. Ich weiß, dass du nachts nicht schlafen kannst. Ich sehe die Pistole unter deinem Kissen." Er deutete mit dem Kopf nach links und ich drehte mich unfreiwillig um. Meine Pistole war nicht zu sehen, aber er wusste, dass sie da war. Natürlich wusste er es.

„Dean, ich ..."

„Nein, sei still. Ich will nichts hören. Es gibt Monster da draußen, und mit den meisten kommen wir klar, natürlich. Aber ..." Ich schluckte schwer und wusste genau, was jetzt kommen würde. Trotzdem unterbrach ich ihn nicht. Er sprach mit dieser Stimme, die keinen Widerspruch mehr zuließ, diesem Beschützerinstinkt, dieser Autorität. Ich hasste das, konnte mich aber nicht dagegen wehren, musste einfach stumm zuhören. „Ich weiß nicht, in welchem Universum du lebst, aber in meinem haben wir Azazel noch nicht gefunden. Und solange dieser Mistkerl frei da draußen rumrennt, hast ... du ... dich ... zu verstecken!" Seine Betonung war so scharf und eindringlich, dass ich kaum noch atmen konnte. Nicht, dass ich das nicht schon zum tausendsten Mal gehört hätte, nur schaffte er es trotzdem immer wieder, mich damit kleinzukriegen. „Hast du mich verstanden?"

Ich nickte. Oder dachte zumindest, dass ich es täte. „Fira?!"

„Ja", murmelte ich leise, wich seinem Blick aus und schloss die Augen.

„Wie bitte?"

„Ja, ich hab dich verstanden!", schrie ich ihn auf einmal an. Er machte mich so aggressiv mit seiner Art, und gleichzeitig lähmte er mich. Ich konnte nichts tun gegen ihn. „Ist ja nicht so, als wäre das was Neues!" Außer trotzig zu sein – und das war peinlich und erniedrigend.

„Gut, dann sind wir uns ja einig", meinte er unbeeindruckt über meine Kapitulation. Jetzt ließ er endlich meinen Arm los. Ich hatte gar nicht mehr gewusst, dass er mich immer noch festgehalten hatte. Aus Reflex fasste ich mir an die Stelle, an der mir seine Hand jetzt auf einmal fehlte.

„Okay, also ... wer ist die Kleine da draußen?"

„Was?"

„Ist sie Jägerin?" Ich schüttelte den Kopf. Sie war keine Jägerin. Im Grunde hatte sie nichts mit der ganzen Sache zu tun – gar nichts. Sie hatte nur das Pech gehabt, mich kennenzulernen. Und ja, ich wusste, dass es unfair war. Ich hätte mich von ihr fernhalten sollen, das sollte ich mit allen Menschen machen, aber ich mochte sie und ich fand es schön, endlich eine Freundin zu haben. Ich hatte nicht vorgehabt, sie in irgendetwas reinzuziehen. Und das würde auch ganz sicher nicht passieren. Wir lebten hier ganz normal, ganz zufrieden und ziemlich in Sicherheit. Jedenfalls fühlte es sich so an. Tagsüber zumindest. Nachts kamen die Geister, die Dämonen und Monster. Keine echten – sie waren nur in meinem Kopf. Die ganze Zeit. Und sie ließen mich nicht schlafen, quälten und erdrücken mich. Lyra hatte das schnell gemerkt. Irgendwann hatte ich einfach nicht mehr schweigen können.

„Ich konnte mir die Miete alleine nicht leisten und Lyra ... sie wollte mit mir hier einziehen. Ich hab sie im Café kennengelernt ..."

Café?"

„Da, wo ich arbeite." Er stutzte, riss nicht unerheblich schockiert die Augen auf, hielt sich aber mit Kommentaren zurück, wofür ich ihm wirklich dankbar war. Das wollte ich jetzt nicht auch noch erklären müssen. „Wir haben uns gut verstanden und ich fand den Gedanken schön, endlich mal ... na ja, eben einfach mal normal zu sein." Ich musste seinem Blick ausweichen, weil ich auf einmal das Gefühl hatte, mich schämen zu müssen. Ich wusste, dass es ihm wehtat, wenn ich so etwas sagte. Er hatte sich immer angestrengt, war immer für Sam und mich da gewesen. Er hatte dafür gesorgt, dass es uns immer gutging. Und trotzdem hatte ich ihn verlassen. Ich hatte mich nicht einmal verabschiedet.

Carry OnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt