Kapitel 5

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Tag 5: Dienstag


„Hey. Wie geht es dir?“, höre ich eine vertraute Stimme sagen. Kira. „Mhhh. Wo... wo bin ich? Was ist passiert?“ Ich versuche aufzustehen, doch mir fehlt die Kraft. „Ganz ruhig Elijah“, sagt sie und streicht mir durchs Haar. „Mein Kopf...“, kann ich nur sagen und schaffe es, mich aufrecht hinzusetzen. Ohne was zu sagen reicht sie mir eine Tablette und etwas Wasser.

„Wo bin ich?“, möchte ich wissen, nachdem ich mich im Raum umgesehen habe. „In Kairo. Wir sind in unseren Ferienhäusern“, erklärt sie. „Was ist passiert? Ich... ich kann mich an kaum etwas erinnern.“ Sie setzt sich zu mir aufs Bett und fängt an zu erzählen: „Wir waren auf halber Flugstrecke, als plötzlich dein Handy klingelte. Du bist rangegangen und nach ein paar Minuten bist du wie erstarrt. Alles Farbe ging aus deinem Gesicht. Du hast dein Handy fallen gelassen und wenige Augenblicke später bist du ohnmächtig geworden. Die Versuche, dich wach zu machen, haben nichts gebracht. Wir haben dir die Atemmaske aus dem Flugzeug gegeben und aufgepasst, dass dir nichts passiert. Als wir gelandet sind und hier endlich ankamen, hat Jake einen Arzt geholt. Er hat dich kurz untersucht, aber nichts Schlimmes festgestellt. Er hat dir ein paar Beruhigungsmittel gegeben und anschließend hast du bis eben geschlafen. Mittlerweile haben wir es circa zehn Uhr Vormittags.“ Uff. So langsam erinnere ich mich wieder. „Cecilia...“, kann ich nur sagen und mir kommen fast die Tränen. Das kann ich einfach nicht glauben. Ich habe gestern noch mit ihr geredet und jetzt ist sie plötzlich... tot. Kira nimmt mich ganz fest in den Arm und versucht mich zu trösten. „Ich... ich hab gehört was passiert ist. Claire wurde auch angerufen. Es tut mir leid. Ich bin für dich, ja? Du bist nicht alleine. Wir schaffen das.“ „Danke. Kannst du mich kurz allein lassen? Ich brauche kurz ein paar Minuten für mich.“ Kira nickt, steht auf und geht zur Tür. „Kommst du dann gleich nach? Wir wollen frühstücken.“ „Mach ich.“

Mit einem aufgesetzten Lächeln schließe ich die Tür. Dann ist das hier wohl mein Zimmer. Es sieht schöner aus, als ich gedacht habe. Ein großes Bett in der Mitte des Zimmers, Kleiderschrank, einen kleinen Schreibtisch und ein Minikühlschrank. Außerdem ein schönes Panoramafenster mit Blick auf den Strand. Es sieht echt schön aus und ich merke, wie warm es schon ist. Jetzt hoffe ich noch mehr, dass es Luna wenigstens schafft. Ich kann sie nicht auch noch verlieren. Dass würde mich komplett kaputt machen. Ich nehme mein Handy aus der Hosentasche und versuche noch mal Mr. Jones anzurufen.

Nach dem dritten Versuch gebe ich letztendlich auf. Durch Zufall sehe ich, dass wir sogar unser eigenes Bad haben. Da bin ich aber erleichtert. Ich mache mich kurz frisch, ziehe mir meine kurze Hose an, trinke noch einen Schluck Wasser und gehe zu den anderen.

Meine Freunde haben es sich auf der Terrasse gemütlich gemacht und ein wunderschönes Frühstück gezaubert. „Ich möchte nicht darüber reden“, mache ich den anderen sofort klar, sobald ich mich gesetzt habe. „Alles gut. Keine Angst“, versichern mir die anderen. „Hey. Du musst dann Elijah sein. Ich bin Jake. Es freut mich, dich mal persönlich kennenzulernen.“ „Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Wir beide müssen schmunzeln. „Danke, dass du meiner Freundin geholfen hast.“ „Jaa, das war nicht ganz so einfach“, scherze ich. „Aber ich hab das gern gemacht und ich freue mich zu sehen, dass ihr beide wieder glücklich zusammen seid.“ „Du bist süß Elijah“, höre ich Mika sagen und werde leicht rot. „Danke für die Einladung. Wir haben uns alle sehr gefreut“, bedanke ich mich im Namen der anderen. „Bevor wir gleich anfangen zu essen, möchte ich noch ein paar Worte sagen. Wenn wir die Tage unterwegs in der Stadt sind, dann bitte ich euch, passt auf eure Wertsachen auf. In der Stadt lümmelt es nur so von Straßendieben. Und für die Mädchen. Zieht euch am besten etwas über eure knappen Sachen und versucht so wenig Haut wie möglich zu zeigen. In euren Häusern habt ihr ein paar Tücher, die ihr nehmen könnt. Sie sind dünn, schützen vor der Sonne und sind recht kühl. Das war es dann erst mal. Lasst es euch schmecken.“

„Das Essen sieht echt lecker aus. Habt ihr das etwa gemacht?“, frage ich und nehme mir Rührei und Speck. „Nur wir Mädchen. Ich hoffe es schmeckt“, antwortet Mey. „Das tut es“, gebe ich mit vollen Mund zu und lasse es mir schmecken. Ich hoffe, ich kann mich hier ein wenig von den Ereignissen der letzten Tage ablenken, sonst wird das eine echt beschissene Ferienfahrt und das möchte ich nicht.

Wenn ich es richtig verstanden habe, dann haben wir drei Ferienhäuser. Im ersten Sind Kira, Jannes, Lilly und ich, im zweiten sind Claire, Mey und Lina und das dritte ist für Jake und Mika. Das kann sehr lustig werden. „Was werden wir heute eigentlich machen?“ „Ich dachte, dass ich euch ein wenig die Stadt zeige und anschließend sind wir mit meinem Vater zum Essen eingeladen“, erzählt Jake. Das hört sich doch gar nicht mal so schlecht an. „Haben du und dein Dad sich jetzt wieder versöhnt?“, wird Jake von Jannes gefragt. „Was war denn zwischen ihm und dein Dad?“, wenn ich fragen darf. Jetzt bin ich aber echt neugierig. Jake nippt an seiner Tasse Kaffee, bevor er anfängt zu erzählen. „Elijah du musst wissen, dass mein Dad... naja wie soll ich sagen...“ „Sein Dad ist Drogenboss“, kommt Mika ihm zu vor. Sie nimmt seine Hand, gibt ihm einen Kuss und scheint ihn so ein wenig zu beruhigen. „Du redest nicht gerne darüber oder?“, frage ich mit ruhiger, einfühlsamer Stimme. Er schüttelt den Kopf. „Aber ich erzähle es dir gerne. Ich möchte, dass du dir ein richtiges Bild über mich machen kannst und hoffe sehr, dass du mich nicht verabscheust, aufgrund meines Dads.“ Ich lächle. „Nein. Warum sollte ich? Du kannst nichts dafür. Du hast dir das ja nicht ausgesucht. Es ist mir egal, ob dein Dad ein Drogenboss ist oder sonst irgendwas. Denn es geht um dich und so wie ich es bis jetzt mitbekommen habe, bist du ein echt toller Junge, mit dem Herz am rechten Fleck.“ „Danke Elijah. Wirklich danke. Das bedeutet mir echt viel.“ „Das ist selbstverständlich. Wir sind doch
Freunde.“ Ich merke, dass er sehr angespannt ist. „Ganz ruhig. Stück für Stück“, sagt Mika zu ihm und hält seine Hand weiter. „Alles fing vor circa zehn Jahren an. Wir wohnten in Italien. Mein Dad arbeitete in einer Pizzeria und meine Mum als
Botschafterin. Jeden Sommer besuchten meine Mum und ich hier in Kairo Freunde. Es war immer sehr schön. Doch als wir dann eines Sommertages Nachhause flogen und wir gerade zu meinem Dad wollten, sahen wir, wie die Pizzeria von ihm durchsucht wurden. Die örtliche Polizei stellte mehrere 100 Kilogramm Marihuana und circa 25 Kilogramm Koks sicher. Es stelle sich heraus, dass mein Dad das Marihuana anbauen ließ und das Koks irgendwo herstellte. Er wurde sofort festgenommen. Damals konnte ich das noch nicht so richtig verstehen, aber mit den Jahren habe ich alles Stück für Stück herausgefunden. Er war ein Mächtiger Drogenboss, mit Kontakten auf der ganze Welt. Meine Mum und ich wurden sofort ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Es ist nicht vorzustellen, was die Leute gemacht hätten, wenn sie mich oder meine Mum gefunden hätten. Sonst lag sie immer unter dem Schutz von meinem Dad, aber als er dann festgenommen wurde, leckte die Unterwelt Blut. Unsere Familie war schwach und wir mussten untertauchen. Das FBI, mit dem meine Mutter kooperierte, gab uns beiden eine neue Identität. Neue Namen, neue Pässe und neuen Wohnort. Wir lebten seiddem in einem Haus, etwas abseits von Kairo, wo nicht so viele Kriminelle umher lungern. Acht Jahre später, also vor ungefähr zwei Jahren, hat sich meine Mum dazu entschieden, dass sie mich nach Deutschland abschiebt. Ich kam dann in die Jugendeinrichtung.“

Puhhh. Das muss ich jetzt erst mal sacken lassen. „Das muss schlimm gewesen sein oder?“ Er nickt. „Anfangs ja, aber nach der Zeit habe ich mich einigermaßen dran gewöhnt.“ „Und wie geht es weiter?“ Jake wirkt jetzt etwas entspannter. „Die Anfangszeit in der Jugendeinrichtung war etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich habe mich schnell eingelebt und mich sehr wohl gefühlt. Nach ein paar Tagen habe ich dann
Mika kennengelernt. Sie hatte gerade eine schwere Phase durchgemacht, da Jannes Schluss gemacht hat. Ich war für sie da und wie Gott so wollte, haben wir uns verliebt. Wir waren laut den anderen ein echt süßes Paar. Alles lief super, bis ich dann, ungefähr eine Woche bevor du in die Einrichtung kamst einen Anruf von meiner Mum erhielt. Sie wurde in ihrer Unterkunft angegriffen. Anscheinend hat man ihre Identität aufgedeckt. Sie holte mich noch am selben Tag zu sich zurück. Ich konnte mich nicht von meinen Freunden in der Einrichtung verabschieden. Nicht einmal von
Mika. Ich konnte nur Herrn Rosenbach was davon erzählen. Ich musste mit jedem den Kontakt abbrechen. Das war das schmerzhafteste von allem. Das waren die fast schlimmsten eineinhalb Wochen meines Lebens. Getrennt von den Menschen zu sein, die einem am meisten Bedeuten.“ „Diesen Schmerz kenne ich zu gut Jake. Als ich damals von Kalifornien nach Deutschland musste, war das auch nicht gerade einfach. Klar gab es seine Gründe dafür, aber es war trotzdem schwer, seine Freunde zurückzulassen. Verstehst du?“ „Das kann ich verstehen. Anscheinend sehen wir nicht
nur gleich aus, sondern haben anscheinend auch eine Gewisse gleiche Vergangenheit.“ Wenn Jake wüsste.

„Ja. Da hast du recht.“ „Zum Glück legte sich die Situation schnell, denn mein Dad wurde aus der Haft entlassen. Es mangelte ihnen an Beweisen. Sie konnten ihm die Herstellung der Drogen nicht nachweisen. Er wurde vorzeitig entlassen. Dadurch konnte ich wieder an mein Handy und nahm sofort Kontakt zu euch auf. Lina schrieb mir dann, was bei euch auf Ferienfahrt passiert ist. Ich war anfangs sehr enttäuscht, aber das konnte nicht lange anhalten. Dann habe ich erfahren, was mit Elijah passiert ist. Du tatst mir in dem Moment unfassbar leid und ich danke dir, dass du versucht hast, meiner Freundin zu helfen.“ „Das hört sich doch gut an. Ich war anfangs schockiert zu sehen, wozu Mika in der Lage ist. Ich habe sie so echt nicht eingeschätzt. In den darauffolgenden Tagen habe ich sie besser kennengelernt, habe mit ihren Freunden gesprochen und Sachen über ihre Vergangenheit herausgefunden, die meiner Meinung nach der Schlüssel für ihr Handeln war. Klar war es nicht in Ordnung mir KO-Tropfen unterzumischen, mich versuchen zu vergewaltigen oder mich fast zu töten. Aber ich kann ihr Handeln in gewissen Punkten nachvollziehen. Ich hätte vielleicht früher handeln sollen oder können, aber aus gewissen Gründen, die ich jetzt ungern näher erläutern möchte, ging das einfach nicht. Ich bin froh, dass ich sie da einigermaßen rausholen und zur Vernunft bringen konnte. Und ich habe mich echt gefreut, dass Mika dann eine Therapie gemacht hat und auch wieder mit dir zusammen kam Jake.“ Mika scheint es ein wenig unangenehm zu sein, dass wir darüber reden, wie ich sehe. „Da bin ich dir auch echt dankbar drüber Elijah. Ich weiß nicht, wie ich dir je dafür danken kann.“ Ich muss schmunzeln. „Das musst du nicht. Alles gut. Ich habe das gerne gemacht.“ „Wirklich?“, möchte er sich vergewissern. Ich nicke wortlos und er macht weiter.

„Ungefähr eine Woche später, nachdem ihr von Ferienfahrt kamt, bin ich das erste Mal wieder zu meinem Vater. Ich habe mich ehrlich gesagt sehr gefreut, ihn wiederzusehen. Das Gefängnis hat ihn sehr verändert. Damals war er recht dick und hatte ein paar gesundheitliche Probleme, aber als ich ihn dann wieder sah, sah er wie ausgewechselt aus. Ihm ging es gut. Er war nicht mehr dick und war gut gebaut. Und er hat sich ein Tattoo stechen lassen. Auf seinem Arm steht mein Name. Ich habe ihn erst mal gefühlt zehn Minuten lang umarmt. Er ist zwar noch ein angesehener Mann hier in der Gegend, aber er verkauft keine Drogen mehr. Das einzige,bei dem er seine Macht ausnutzt, sind seine Capos. Das sind so was wie Bodyguards. Er hat sie hier überall platziert. Zur Sicherheit hat Dad sogar das Grundstück hier gekauft. Die drei Ferienhäuser kein Komme sowie der Strandabschnitt gehören ihm. Er hat in der Innenstadt eine kleine, rustikale Gaststätte. Ich bin sehr stolz auf ihn. Das war es dann erstmal. Tut mir leid, wenn das jetzt doch ein wenig länger gedauert hat.“ Uff. Ich muss erst mal alles verdauen. Jake hat viel erlebt. Und einiges war auch sehr riskant. Aber es freut mich, dass es ihm und anscheinend auch seinem Dad besser geht. Ich habe richtig gemerkt, wie glücklich er war, als er über die positiven Dinge von seiner Freundin Mika erzählt hat. Die beiden sind echt süß.

„Um Gottes Willen. Das ist doch nicht schlimm. Ich muss das nur ein wenig verarbeiten. Es nimmt mich immer sehr mit, wenn ich die Geschichten anderer Leute höre.“ „Muss ich mir jetzt Sorgen machen?“, fragt Jake leicht ängstlich nach. „Nein nein. Keine Sorge. Es ist alles gut. Meine Meinung über dich ändert sich nicht“, versichere ich ihm und er wird lockerer. „Danke. Das bedeutet mir viel. Es hat mich ein wenig Überwindung gekostet, aber letztendlich tat es ziemlich gut. Und zu deiner Frage zurück zu kommen Jannes, ja mein Dad und ich verstehen uns wieder.“ „Das freut mich sehr zu hören und man merkt es dir richtig an, dass es dir besser geht.“ „Echt jetzt?“, reagiert Jake und wird leicht rot im Gesicht. „Jaa“, antworten alle und müssen laut lachen. „Danke Leute. Ich bin echt froh, dass es euch gibt. Ich wüsste nicht, was ich ohne euch machen soll. Einfach danke. Auf eine schöne Woche hier.“ „Auf eine schöne Woche“, antworten wir gemeinsam.

Das essen war echt lecker, aber Jakes Geschichte liegt mir immer noch schwer im Magen. „Hast du eigentlich noch irgendwelche Fragen Elijah?“ Ich muss kurz überlegen. „Nein. Gerade nicht. Aber wenn mir etwas einfällt, dann frag ich.“ „Mach das.“ Ich habe das Gefühl, fast alle meiner Freunde haben voll die krasse Vergangenheit. Aber bei manchen habe ich das Gefühl, sie verbergen mehr, als sie bereits zugegeben haben. Bei Kira habe ich auch das Gefühl. Aber es könnte vielleicht auch daran liegen, dass ich auch noch etwas verberge. Und das nicht gerade wenig.
Das, was Kira bereits weiß, ist nur die Spitze vom Eisberg. Aber ob sie bereit ist, die
Wahrheit zu verstehen? Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich mache mir viel zu viele Gedanken. Ich muss einfach mal abschalten. Mein Kopf frei bekommen. Wenigstens für ein paar Tage. Aber will ich das denn?

„Seid ihr alle fertig mit Frühstücken?“, hören wir die Mädchen fragen. Ich sehe, wie die anderen nicken und schließe mich ihnen an. „Gut. Dann würde ich vorschlagen, dass wir gleich in die Innenstadt fahren und ich euch ein paar Sachen zeige.“ „Das klingt nach einen Plan“, antworte ich und stehe auf. „Wir machen uns dann fertig“, bringt sich Kira mit ein und folgt mir. „Wir treffen uns dann wieder hier und denkt an genug trinken. Wir sind etwas länger unterwegs.“ Ich nicke und verschwinde ins Ferienhaus.

„Ja?“, höre ich es an der Badezimmertür klopfen. „Kann ich rein kommen?“, fragt Kira nach. „Klar“, antworte ich und im selben Moment öffnet sich die Tür. Ich muss genauer hinsehen um zu erkennen, dass es Kira ist. „Wow“, kommt es aus mir heraus und Kira muss kichern. „Geht es dir gut Elijah? Hast du vielleicht Fieber? Oder kommt dir die Hitze nicht so gut?“, scherzt sie und kommt näher. „Ich finde dich nur...“, fange ich stotternd an. „Jaa?“ „Unfassbar schön.“ Kira trägt ein weißes Sommerkleid, hat so ein hellgraues Tuch um sich und ihre offenen Haare sind leicht gewellt.
„Warum bist du nur so süß?“ „Das gleiche könnte ich dich auch fragen“, kontere ich und ziehe sie ein wenig zu mir ran. „Du bist eindeutig süßer Elijah. Keine Widerrede, sonst wird Kira sauer. Und das willst du nicht.“ Sie legt ihre Arme um mein Nacken und schaut mich frech an. „Du bist süß, wenn du versuchst sauer zu sein.“ „Nein das bin ich nicht!“, versucht Kira zu protestieren. „Doch und jetzt pssst.“ Ich streiche ihr eine ihrer Strähnen hinters Ohr und drücke vorsichtig meine Lippen auf ihre. Danach wiederhole ich es ein paar mal. „Ich liebe dich Elijah“, flüstert sie an mein Ohr und küsst mich erneut. „Du bist die beste, aber wir müssen so langsam wieder zu den anderen.“ „Machen wir... heute Abend weiter?“, fragt sie und beißt sich auf die Unterlippe. Ich nicke wortlos und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Hast du alles?“, vergewissere ich mich vorsichtshalber, bevor wir gehen. „Ich denke schon. Ich habe Trinken, was zu essen und noch ein paar anderen Kleinigkeiten.“ „Gut. Dann können wir zu den anderen.“ Ich hab mein schwarzes T-Shirt mit einem weißen gewechselt, hab mich noch schnell mit Sonnencreme eingeschmiert und mich für meine Flip Flops entschieden.

„Seid ihr alle soweit?“, werden wir noch einmal von Jake gefragt. „Jap.“ „Kommt mit.“ Wir folgen Jake bis hinter die Ferienhäuser. „Mit was fahren wir eigentlich?“, möchte ich, so neugierig wie ich bin wissen. „Hiermit“, antwortet er und deutet auf eine Art Geländewagen. „Und wer fährt?“, fragt Mey. Jake lacht. „Ich fahre. Ich habe mir den Geländewagen ausgeliehen. Er gehört uns bis zum Ende der Woche.“ Das hört sich gut an. Ich bin zwar noch sie selbst Geländewagen gefahren, aber ich bin oft mitgefahren. Das kann manchmal echt holprig werden. „Also aufsteigen, hinsetzen und dann kann es losgehen und passt auf eure Sachen auf“, warnt er uns noch mal.

Ich mach es mir neben Kira und gegenüber von Mey gemütlich gemacht. „Geht es dir denn jetzt eigentlich wieder besser Elijah?“ „Wie meinst du das Mey?“ „Wegen gestern und heute früh...“ „Ach so. daran hab ich gar nicht mehr gedacht. Aber ja es geht mir besser.“ „Das freut mich zu hören“, sagt sie und lächelt. „Und wie geht es dir? Gefällt es dir bis jetzt?“ „Mir geht es gut. Die Schmerzen von den Verletzungen sind auch nicht mehr so stark und allgemein finde ich es schön bis jetzt. Ihr seid mir alle sehr sympathisch.“ „Das ist schön. Aber wenn irgendwas sein sollte, dann kannst immer zu mir kommen“, versichere ich ihr. „Mach ich. Danke.“ Ich lehne mich etwas zurück, lege einen Arm um Kira und genieße die Straßen. Ein leichter Wind bläst und es ist nicht allzu warm.

Nach ungefähr acht Stunden sind wir wieder auf dem nach Hause weg. Es war wirklich eine sehr schöne Rundfahrt. Nachdem wir losgefahren sind, war unser erster Halt das Ägyptische Museum in Kairo. Das Museum, welches direkt im Stadtzentrum und am Tahrir Platz liegt, ist weltberühmt für seine Ausstellungsstücke und eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten Kairos. Es ist voll mit unendlichen Anzahlen an Artefakten und Reliquien. Leider gab es nur wenig Beschriftungen und Informationen, deswegen war es gut, dass wir einen Museumsführer dabei hatten. Im Museumsinneren sind alle Ausstellungsstücke ohne System nebeneinander gereiht und gestapelt. Einen systematischen Überblick konnten wir uns deshalb nicht machen. Was mich am meisten fasziniert hat war der Raum voll echter Mumien. Die Mumien sind noch echt gut erhalten und sehr beeindruckend zu betrachten. Am Ende der Tour wurde uns noch gesagt, dass aktuell ein „neues“ ägyptisches Museum bei den Pyramiden von
Gizeh gebaut wird. Jake hat uns versprochen Fotos zu machen, wenn es eröffnet wird.

Unser zweiter halt war im Süden Kairos. Dort liegt das koptische Viertel, was auch
Alt-Kairo genannt wird. Das Viertel hat viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Zum Beispiel liegen hier Kirchen, Moscheen und Synagogen direkt nebeneinander. Zudem ist das Koptische Viertel ein wahrer Ruhepol zum Rest der Stadt. Hier gibt es keinen
Verkehr und nur wenig Lärm. Jake hat uns erklärt, dass die berühmteste Sehenswürdigkeit des koptischen Viertels in Kairo die Hanging Church ist, wo wir auch als nächstes hin sind. Zwar war für mich das Viertel nicht so spannend und aufregend wie das Islamische Viertel, allerdings lohnte es sich trotzdem, etwas durch die Gassen zu laufen.

Direkt nach dem Viertel sind wir zur sogenannten Hanging Church. Laut Jake heißt diese offiziell Saint Virgin Mary's Coptic Orthodox Church. Sie ist eine der ältesten Kirchen Kairos  und stammt wohl aus dem 3ten Jahrhundert” Der Halt bei der Hanging Church hat sich meiner Meinung nach gelohnt. Direkt danach sind wir zum koptischen
Museum, welches sich direkt in alt Kairo und nördlich der Hanging Church befindet. Hier konnten wir mehr über das ägyptisch-orthodoxe Christentum in Ägypten erfahren, bis hin zum Gelände der Festung Babylon. Wir fanden auf mehreren Stockwerken koptische Antiquitäten und Künstwerke. Gegründet wurde das Museum schon im Jahre 1908 von Marcus Simaika, um die koptischen Artefakte und Kulturgüter zu lagern.

Als wir das koptische Museum hinter uns gelassen haben, sind wir zu Fuß weiter.
Nächster Halt war das islamische Viertel in Kairo und der Khan el Khalil Basar. Die
Gegend wurde schnell zu meinem persönlichen Highlight in Kairo. Die Straßen und Märkte sind voller Leben und es hat Spaß gemacht, das Viertel zu erkunden. Klar kann es hier auch chaotisch und hektisch zugehen. Die Straßen sind voller Menschen und hier fühlt man sich wirklich wie in einer anderen Welt. Halt der typische Alltag in Nordafrika beziehungsweise im mittleren Osten. Wir haben uns ein wenig Zeit genommen und ließen uns über die Märkte und Gassen des islamischen Viertels treiben. Als wir Hunger bekamen, haben wir uns günstiges, leckeres Essen wie Falafel und anderen typischen Snacks der Region gekauft. Anschließend haben wir ein paar
Souvenirs gekauft und haben den Einheimischen beim geschäftigen Alltag zugesehen.
Durchquert man den Khan el Khalil Basar, gelangt man ins Herz des islamischen Viertels in Kairo. Hier gehen wir morgen einkaufen. Außer einkaufen kann man die bunten Stände bewundern oder was essen. Die Straßen hier sind umtriebig. Man findet einige Moscheen und es macht Spaß, sich einfach etwas im Chaos Kaitos treiben zu lassen. Ich bin froh, dass wir keinen Taschendieben begegnet sind.

Ein Geheimtipp von Jake war die Al-Hakim Moschee. Diese haben wir besucht, als wir im islamischen Vietel unterwegs waren. Geheimtipp, weil diese noch nicht wirklich bekannt unter den Touristen ist. Die Moschee ist nicht nur traumhaft schön, sondern auch sehr ruhig und erholsam und damit die perfekte Pause vom Sightseeing in Kairo.
Da habe ich mich einfach nur eine Weile hingesetzt, die Ruhe genossen und den Menschen beim Beten zugeschaut. Als Tourist ist man hier willkommen, aber wir mussten angemessene Kleidung tragen.

Direkt danach hat es uns in den Al-Azhar Park verschlagen. Der Oark liegt beim islamischen Viertel und bot etwas Erholung von der hektischen Stadt, sowie einen tollen Blick auf Kairo. Vor allem beim Sonnenuntergang soll der Blick echt schön sein. Vielleicht kann ich Kira ja die Tage hierher „entführen“. Ein Picknick hier ist sicher schön. Jake erzählte uns, dass Al-Azhar erst im Jahre 2005 eröffnet wurde und vor allem bei den einheimischen Familien beliebt ist. Auch nicht weit vom Park entfernt ist die Salah el Din Zitadelle, wo wir als nächstes hin sind.

Ich war erstaunt, als ich die riesige Zitadelle sah. Sie ist eines der sehenswertesten Monumente Kairos. Auf dem Areal fanden wir neben der Zitadelle außerdem verschiedene Museen, sowie die berühmte Muhammad Ali Moschee oder wie  Jake sie nennt, die Alabastermoschee. Die Moschee hat eine beeindruckende Größe und ist sowohl von außen als auch von innen ein toller Anblick. Diese Attraktion durften wir auf gar keinen Fall versäumen. Ich dachte erst, dass sich kaum einer dafür interessieren würde, aber dass es dann alle toll fanden hat mich sehr erfreut. Während des Rundgangs hat Jake uns erzählt, dass die Zitadelle als Teil des historischen Kairos sogar zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. Wir haben uns genug Zeit genommen, um uns die Zitadelle und den Komplex anzuschauen, denn es gibt hier eine Vielzahl an Museen, Moscheen, Aussichtspunkten und weiteren
Sehenswürdigkeiten. Besonders lohnte sich ein Besuch dieser Sehenswürdigkeiten in
Kairo wegen dem tollen Ausblick auf die Stadt. Mein Vorschlag: Direkt unterhalb der Zitadelle befindet sich nämlich das islamische Zentrum. Hier wird einem erst die unendliche Größe Kairos bewusst. Jake meinte, an einem klaren Tag können wir sogar die Pyramiden von Gizeh am Horizont sehen.

Nachdem wir eine kleine Pinkelpause eingelegt haben, sind wir weiter zum Kairo
Tower. Bis jetzt hat mir die Tour recht gut gefallen. Mal schauen, ob es so bleibt. Der Turm ist auf einer Insel in der Mitte des Nils und bietet einen tollen Ausblick auf die
Stadt. Laut Jake wird der Turm den Einheimischen witzigerweise als „Nasser's Pineapple“ bezeichnet, aufgrund der Architektur. Kairos Turm ist ganze 187 Meter hoch und umfasst 62 Stockwerke. Die Sehenswürdigkeit wurde im Jahr 1961 eröffnet. Für Touristen aber ist die Aussichtsplattform relativ teuer, weshalb wir auf den Ausblick verzichtet haben und an einem anderen Tag den Sonnenuntergang von der Brücke über den Nil genießen werden. Jake erzählte, dass der Nil die Lebensader von Ägypten ist, weshalb eine Kairo Städtereise nicht komplett ist, ohne den Nil gesehen zu haben. Der Fluss schlängelt sich durch die Stadt und als Tourist kann man den Blick auf den
Nil von einer der Brücken Kairos genießen, eine Bootsfahrt auf einer sogenannten
Feluke unternehmen oder, wie wir es gemacht haben, einfach am Ufer entlang spazieren.

Kairo ist Ausgangspunkt für die großen Pyramiden von Gizeh, wo wir dann als letztes waren. Sie sind gut mit dem Uber oder mit dem Taxi zu erreichen, da sie Mitten in der Stadt liegen und nicht, wie ich angenommen habe, verlassen in der Sahara. Wir aber sind mit Jakes Geländewagen gefahren. Chaotisch liefen das Ticketbüro und der Einlass ab. Generell ist das Gebiet schlecht organisiert. Es gab keine Informationstafeln, keine Karten zum Überblick über das Areal und keine weitere Auskunft. Was uns schnell auffiel und wovor uns Jake auch warnte: Hier werden einem kontinuierlich Kamelritte und Souvenirs angeboten. Da ist es wichtig, deutlich „nein“ zu sagen. Und wenn wir mit dem Kamel durch die Pyramidengegend reiten wollen, sollen wir den Preis verhandeln. Nicht mehr als 50 Pounds für eine Kameltour sollen wir bezahlen, laut Jake. Wir hätten die Pyramiden auch von innen besichtigen können, aber dafür hätten wir das Ticket schon am Eingang mit kaufen müssen. Da diese aber von innen wohl komplett leer und deshalb weniger spektakulär sein wollen, haben wir uns dagegen entschieden. Sollten wir uns die Pyramiden aber doch anschauen wollen, dann empfiehlt uns Jake, dies am Nachmittag zu machen, wenn die Sonne sich wieder etwas neigt und sie wunderschön von der Sonne angestrahlt werden. Den besten Blick auf die Pyramiden bekamen wir aber, als wir hinter den Pyramiden in die Wüste liefen, zum „Pyramid Alignment“-Aussichtspunkt. Hier hatten wir alle Pyramiden auf einen Blick. Bevor wir wieder gefahren sind, haben wir den
Sonnenuntergang auf einer der Dachterrassen genossen. Aber wir mussten aufpassen. In dem Cafe wo wir waren, dem Al Dwaar Cafe wollte uns der Kellner übers Ohr hauen. Er verlangte für zwei Kaffee 140 Pounds. Dass sind umgerechnet 7 Euro.

„Und wie war es?“, fragt uns Jake, als wir vor unseren Ferienhäusern aussteigen. „Es war sehr schön. Die Zeit ging sehr schnell vorbei und ich hätte bei weitem nicht gedacht, dass Kairo so schön sein kann.“ „Jaa. Fand ich auch“, stimmen mir die andern zu. Jake grinst von oben bis unten. „Es freut mich sehr , dass es euch gefallen hat. Ich hoffe, dass ich ein halbwegs guter Reiseführer war und ich euch vieles erzählen konnte.“ „Klar. Das hast du super gemacht“, sagt Mika und gibt ihm einen Kuss. Er wird rot. „Danke. Wenn ihr wollt, dann könnt ihr euch kurz umziehen und dann können wir uns mit meinem Dad im Restaurant treffen. Aber ganz in Ruhe. Wir haben noch ein wenig Zeit“, versichert er uns.

Kaum sind wir wieder in unserem Zimmer, lasse ich mich aufs Bett fallen. „Alles gut?“, fragt  mich Kira sofort und setzt sich auf mein Schoß. Ich stütze mich auf meinen Ellenbogen ab und schau meiner Freundin in die Augen. Im selben Moment sehe ich, wie sie sich auf die Unterlippe beißt. „Ja mir geht es gut. Ich bin nur etwas erschöpft.“ „Ach so“, antwortet sie und beugt sich ein Stück zu mir runter. „Und was ist deine Mission?“, frage ich, als sie mir daraufhin mit ihren Fingern unter mein TShirt fährt. „Ich weiß nicht. Sag du es mir.“ Sie drückt mir sanft ihr Becken entgegen und fängt an mich zu küssen. Gerade als sie versucht mein T-Shirt auszuziehen, hören wir komische Geräusche von nebenan. „Was war das?“, schreckt Kira auf und lässt mich los. „Pssst“, flüster ich, um die Geräusche besser hören zu können. „Sind das...?“, fragt mich Kira. Ich nicke. „Ich glaube, Jannes und Lilly haben da drüben gerade... Spaß“, antworte ich und wir beide fangen an zu lachen. „Und wann haben wir
„Spaß“ Elijah.“ „Naher. Mit leerem Magen macht das nicht so viel Spaß“, sage ich und wir müssen wieder kichern. „Doofkopf.“ „Das hab ich gehört“, sage ich ihr hinterher, als sie wieder aufsteht. Doch sie streckt mir nur frech die Zunge raus.

Ich habe mich noch mal etwas frisch gemacht und über meinem weißen T-Shirt ein Hemd angezogen, was ich aber offen lasse. Kira sieht noch umwerfender aus als sie schon ist. Sie hat sich ein rotes Kleid angezogen, was perfekt zu ihr passt. Mit offenen Mund schau ich sie an. „Können wir?“, fragt sie ungeduldig. „Ja“, kann ich nur nickend sagen. Sie nimmt ihre Handtasche und ich hacke mich in ihren Arm ein. Zwar ist die Sonnen schon unter gegangen, dafür lassen die Lichter hier es dennoch schön aussehen. „Wow Kira“, höre ich die anderen sagen. „Was ist?“, fragt sie sofort. „Du siehst voll schön aus.“ „Danke.“ Sie streicht sich ein paar Strähnen aus dem Gesicht und versucht nicht rot zu werden, was ihr aber nicht gelingt. „Wenn ihr so weit seid, dann können wir los. Von hier sind es circa zehn Minuten zu Fuß. Das sollte ja kein Problem sein.“ Er legt einen Arm um Mika und geht mir ihr voran. „Ist denn bei dir auch alles in Ordnung Kira?“ Ich habe das Gefühl, dass frage ich viel zu selten. „Alles gut. Ich freue mich nur, dich bei mir zu haben. Ich hab dich lieb Elijah.“ „Ich bin auch froh, dich an meiner Seite  zu haben. Das mit uns, dass ist was ganz besonderes. Ich hab dich lieb.“ „Du bist was besonderes Elijah“, sagt sie, bleibt kurz stehen und küsst mich.

„Da wären wir“, verkündet Jake. Wir bleiben vor einem alten Fachwerkhaus stehen.
„Sieht einladend aus“, gebe ich zu und folge den anderen. „Das ist das einzige Fachwerkhaus hier in der Nähe.“ Jake hält uns die Tür auf und ich werde sofort vom rustikalem Flair verzaubert. Es sieht echt schön aus und wie ich sehe, erstreckt sich das Restaurant hier auf zwei Etagen. Ein Kellner bringt uns an einen reservierten Tisch, wo eine ältere, männliche Person sitzt. „Dad. Das sind meine Freunde, von denen ich dir erzählt habe. Freunde, das ist mein Dad.“ Der Mann erhebt sich und wirkt durch sein Äußeres echt groß, fast zwei Meter. „Freut mich euch kennen zu lernen. Ich bin Mr. De Santos. Jakes Dad.“ Wir freuen uns auch“, antworten wir und setzen uns. Kaum haben wir uns hingesetzt, kommt auch schon eine Kellnerin. „Darf es schon was zu trinken sein?“; fragt sie einen nach dem anderen.

Ungefähr zehn Minuten später kommt sie mit einen voll gestellte Tablett zurück.
„Und einen Eistee Pfirsich für den jungen Mann“, sagt die junge Frau und stellt das Glas vor mir ab. „Danke.“ Ich schaue mich ein wenig um und mir fällt auf, dass hier irgendwie bloß wohlhabende Leute speisen. Aber vielleicht irre ich mich auch nur einfach. Jakes Dad macht bis jetzt einen sehr netten Eindruck. Da erkennt man gar nicht, dass er eine krasse Vergangenheit hat. Neugierig wie ich bin, schießen mir tausend Fragen zu ihm durch den Kopf, aber ich reiße mich zusammen, sie ihm nicht zu stellen.

Die erste halbe Stunde vergeht und die nette Kellnerin, sowie zwei andere bringen uns unser Essen. Ich habe mir eine Pizza Salami mit viel Käse bestellt und ich muss schon sagen, die sieht verdammt lecker aus. „Dann bist du Elijah. Hab ich recht?“, höre ich plötzlich Jakes Dad zu mir sagen. „Ja... Das bin ich. Aber woher kennen sie meinen Namen?“ Er schaut mir in die Augen. Fast schon etwas unheimlich. „Die Augen deiner Mum würde ich überall wieder erkennen.“ „Sie... sie kennen meine Mum?“ Er lacht auf. „Nicht direkt. Aber meine Frau war mit deiner Mum gut befreundet. Aber sie ist ja...“ „Alles gut. Schon in Ordnung. Wissen Sie, woher die beiden sich kannten?“, frage ich und beiße ein großes Stück meiner Pizza ab. „Das weiß ich leider nicht genau, aber ich habe dich als kleines Kind kennengelernt“, erklärt er. Ich versuche mich irgendwie daran zu erinnern, aber leider ohne Erfolg. „Tut mir leid, aber ich kann mich leider nicht daran erinnern.“ Jakes Dad nimmt ein Schluck von einer braunen Flüssigkeit und antwortet. „Das ist doch nicht schlimm. Ist ja auch schon lange her.“ Ich nicke und kümmere mich weiter um meine Pizza.

„Es war ein sehr schöner Abend Mr. De Santos. Danke für die Einladung. Das Essen war echt lecker“, bedanke ich mich, sowie die anderen, als Jakes Dad uns nach draußen bringt. „Das ist schön zu hören. Ich würde mich freuen, wenn wir uns vielleicht die Tage noch mal alle sehen können.“ „Klar Dad. Das bekommen wir sicher hin“, antwortet Jake für uns alle. „Super. Habt einen guten Heimweg“, verabschiedet er sich und geht zurück. „Hat sich mein Dad gut angestellt?“ „Klar. Er ist irgendwie voll sympathisch. Hab ihn mir irgendwie anders vorgestellt.“ „Im positiven oder im negativen Sinne?“ „Das weiß ich ehrlich gesagt nicht so genau. Ich hätte nicht gedacht, dass er, beziehungsweise seine Frau, mich und meine Mum kennen“, gebe ich zu. „Das wusste ich auch nicht. Ich weiß bloß, dass meine Mum immer von einer Freundin erzählt hat, die sie während des Studiums kennenlernte, aber mehr weiß ich leider nicht.“ „Glaubst du, wir können deine Mum kennenlernen?“ Klar. Aber nicht mehr heute“, scherzt Jake. „Das ist mir schon bewusst, aber die Tage vielleicht.“ Er nickt.

Es war schon wieder fast Mitternacht, als wir wieder zurück waren. Wir hatten uns noch für ein kleinen Spaziergang entschieden. Anschließend saßen wir noch zusammen am Lagerfeuer und haben ein wenig erzählt. „Geht ihr jetzt auch rein?“, werden Kira und ich von Jannes und seiner Freundin Lilly gefragt. „Jap. Es ist schon spät. Es war ein anstrengender, aber ein schöner Abend. Den schlaf haben wir uns denke ich alle verdient.“ „Da hast du recht. Dann gute Nacht und schlaft gut ihr beiden.“ „Du auch und macht diesmal nicht so laut“, rufe ich den beiden noch hinterher.

Ich komme in Boxershorts aus dem Badezimmer und wollte gerade nach Kira sehen, als ich sehe, wie sie im Bett liegt und schläft. Das war wohl auch für sie ein anstrengender Tag. Ich lege mich auf die Decke und mache einen Arm um sie. „Hab dich lieb“, flüstere ich und gebe ihr einen Küss auf die Wange. Es sieht süß aus, wie sie da liegt.


In der Zwischenzeit im Yonkers Penitentiary Gefängnis:

Ich wollte mich gerade hinlegen, als plötzlich die Tür meiner Zelle aufgeht. Ein kräftiger Wärter mit Schlagstock steht vor mir. „Sean Vans. Ein Anruf für sie. Kommen sie bitte mit.“ Ohne ein Wort zu sagen stehe ich auf und folge dem Wärter. Wer um alles in der Welt ruft mich um die Zeit an. „Sie haben fünf Minuten“, sagt er zu mir und lässt mich allein. Ich nehme den Hörer in die Hand: „Ja?“ „Die
Jugendlichen sind gut angekommen“, höre ich meinen Geschäftspartner am anderem Ende sagen. „Gut. Dann machen sie wie geplant weiter.“ „Wie sie wünschen.“ „Wir hören uns Mr. De Santos.“

Elijah, Kira und das Geheimnis der Mitbewohner 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt