25. Kapitel

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It felt like heaven
to flirt with hell.

~ Daniel Walsh

"Was soll das heißen?", verwirrt sah Blace zwischen den Kriegern hin und her.
Luniper wirkte aufgelöst, vergrub immer wieder seinen Kopf an der Schulter des Blonden neben ihm und zitterte .
"Das soll heißen, dass er tot ist!", erklärte Melionda und verzog wütend das Gesicht.
"Aber wieso? Und wann?", Gwyn wollte es nicht wahrhaben.
Nicht er. Er konnte nicht tot sein, nein, er durfte nicht tot sein. Er war sein Freund gewesen, sie kannten sich seit Jahren. Dieser aufgeweckte Junge hatte ihm immer wieder den Rücken gestärkt, war für ihn da gewesen, als sein Vater starb und war ein weiterer Grund, für seinen derzeitig hohen Rang in der Garde.
Nur durch Kyrell war er zum Offizier geworden, wurde mit den Generälen gleichgestellt und durfte mitbestimmen.
Kopfschüttelnd ließ der braunhaarige Krieger sein Gesicht in seinen Händen verschwinden.
"Wer hat ihn gefunden?", fragte er leise und unterdrückte die aufkommende unkontrollierte Atmung.
"Ich...", gab Luniper kleinlaut wieder und blickte ihnen aus tränennassen Augen entgegen, "Als ich in Terabaslia ankam wollte ich natürlich gleich wissen, wieso er einen von uns plötzlich hier haben wollte, wieso er unsere Mission also unterbrach. Aber als ich ihn aufsuchen wollte, konnte mir keiner eine Auskunft geben. Ich suchte ihn in seinem Büro, da lag ein angefangener Brief, nicht viel, ein paar dahin gekritzelte Zeilen, ich suchte sein Zimmer auf, auch dort war er nicht und dann...ich wollte zu der trainierenden Trainingseinheit, schließlich ist Kyrell für sie in deiner Abwesenheit zuständig, sie sagten mir, dass sie ihn seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen haben."
"Aber das kann nicht sein! Er hat uns doch den Botenvogel geschickt!", frustriert knallte Gwyn seine Faust gegen die Wand und stand wütend auf, ehe er immer wieder auf und ab lief.
"Das ist ja der springende Punkt! Der Vogel war nicht von ihm!", erklärte Luniper weiter und senkte sein Haupt.
"Du meinst....", setzte der General an aber Melionda unterbrach ihn: "Lu fand Kyrell angekettet in einer der Waffenkammern unterhalb der Trainingsräume. Er war verstümmelt, regelrecht zerstückelt! Neben ihm an der Wand prangte das Zeichen von ihm!"
"Von wem?", wollte Blace wissen und atmete tief durch, um das Durcheinander in seinem Kopf zu bändigen.
"Von Lykarion! Gwyn was er und ich dir damit sagen wollen, es gibt einen Verräter unter uns! Einen Verräter in den Reihen der Garde!", der blonde Krieger nahm Luniper fester in den Arm und wiegte ihn beruhigend hin und her.
"Das ist unmöglich!"
"Und was wenn doch? Naheliegend ist es! Wenn es einen Verräter gibt, der mit dem Gott der Finsternis interagiert, sind wir grundlegend im Nachteil! So konnte Lykarion wissen wo wir sind! Wo die anderen Teams sind! Lykarion wird dadurch zu einem noch größeren Feind, als er es ohnehin schon ist!", erhob Melionda erneut die Stimme.
"Dann ist es an uns diesen Verräter zu finden und zur Strecke zu bringen!", zischte Gwyn und blickte kurz zu Blace.
"Wer würde sich auf so etwas einlassen? Auf einen Pakt mit ihm?", murmelte der Junge vor sich hin und schloss die Augen.
"Das fragen wir uns auch, ebenso die anderen!", flüsterte Luniper und schneuzte sich.
Der Halbgott dachte an das blondhaarige Mädchen, welches ihn so warmherzigen an seinem ersten Tag hier in Terabaslia begrüßt hatte, ehe er den Kopf anhob: "Wie geht es Neno?"
"Sie ist in Ordnung, zwar wütend und traurig, aber sie versucht genauso verbissen wie wir Hinweise zu finden!", erklärte Melionda und seufzte.
Blace nickte und rieb sich über seine Augen. Es war bereits spät, die Müdigkeit und die noch immer fehlende Kraft in seinen Knochen, aufgrund seinen noch nicht verheilten Verletzungen, machten ihm immer noch zu schaffen, aber er musste durchhalten.
"Da gibt es noch etwas...", stellte Gwyn fest und blickte in die Runde, abwechselnd blieben seine Augen an Melionda und Luniper hängen, ehe er zu dem Schwarzhaarigen blickte, "Ich habe einen Botenvogel geschickt, der unsere Ankunft ankündigen sollte!"
"Solch einer ist nie angetroffen!", erschrocken riss der Weißhaarige die Augen auf.
"Das ist der Punkt der mir Bauchschmerzen bereitet! Ich glaube wir sind verfolgt worden und dieser jemand hat sowohl Verbindungen zu unserem Verräter, als auch zu den Scryts, welche uns in Lingd angriffen!"
"Klingt als wäre uns der Feind voraus...", flüsterte Blace eher zu sich selbst, als zu den anderen, aber natürlich hatten sie ihn gehört und nickten ihm zustimmend zu.
"Ihr solltet euch ausruhen, ihr seht schrecklich aus!", Melionda stand auf und strich noch einmal zärtlich über die Haare des anderen Kriegers, ehe er die Tür öffnete und kurz auf den Gang blickte.
"Gute Nacht ihr zwei!", verabschiedete sich der Halbgott und nahm die Hand, welche Gwyn ihm entgegen streckte.
"Euch beiden auch, schlaft gut und...wir sehen uns morgen bei der Versammlung!", mit diesen Worten schloss der Blonde hinter ihnen die Tür, als sie in den Flur hinaus traten und sich auf den Weg zu ihren Zimmern machten.

"Kommst du alleine klar, oder...", noch bevor Gwyn zu Ende sprechen konnte, legte Blace ihm einen Finger auf die Lippen und sah ihm tief in die silbernen Iriden: "Kannst du hierbleiben? Nur bis ich eingeschlafen bin?"
"Wenn du möchtest, bleibe ich die ganze Nacht...", murmelte der Ältere und verlor sich fast in den violetten Augen des Anderen.
Langsam wiegte der Junge sein Haupt auf und ab, ehe er den Braunhaarigen in die Arme schloss und sich an ihn schmiegte: "Sehr gerne!"
Ohne das er es bemerkte hob Gwyn ihn sanft vom Boden und trug ihn ins Zimmer, ehe er ihn absetzte und ihm tief in die Augen sah.
"Sag mir was dich bedrückt!", bat er, als ihm das Unwohlsein des Jüngeren bewusster als zuvor wurde.
Blace seufzte betreten und sah kurz zu Boden.
Was sollte er ihm antworten? Er kannte Kyrell kaum und doch fühlte er sich schuldig, schuldig für den Tod des Vize Offiziers, welcher laut den Erzählungen, ein guter Freund von Gwyn gewesen war.
"Ich...", unsicher senkte der Junge den Kopf und sah auf seine Hände, "Ich bin Schuld..."
"Schuld woran?", hakte Gwyn nach und legte eine Hand auf die Wange des Halbgottes.
"Kyrell ist wegen mir tot...wäre ich nicht hier, dann...", der General schüttelte schnell den Kopf und stoppte so seine folgenden Worte mit den seinen: "Stopp! So darfst du keinesfalls denken! Der Verräter ist schuld, aber nicht du! So was will ich nie wieder hören, verstanden?"
Blace kaute auf seiner Unterlippe herum und wünschte sich, dass er im Boden verschwinden könnte.
Unsicher rieb er seine Hände aneinander und versuchte das Gefühl seiner glühenden Wangen zu ignorieren.
Was war nur immer los mit ihm in der Nähe des Älteren?
Kaum war er alleine mit ihm fühlte er sich wie eine Ameise unter einer Käsehaube, nicht im negativen Sinne, aber er vergaß mit einem Mal alles böse um sie herum. Er blendete es aus und alles was er sah, alles woran er dachte, war die Nähe von Gwyn, nach der sich jedes Mal sein Herz verzerrte.
Seufzend schmiegte er seine Wange an die raue Handfläche des Braunhaarigen, ehe er die Augen schloss und schluckte: "Wir müssen diesen Verräter finden und einen möglichen Krieg verhindern!"
"Und das werden wir!", sprach der Silberäugige ihm Mut zu und lehnte seine Stirn nach vorne, direkt an die des Jungen.
Blace nickte langsam und löste sich aus den Armen des Generals.
"Komm, wir sollten uns waschen und danach schlafen!", lächelnd wandte sich Gwyn zu seiner Tasche und nahm sich einige der sauberen Klamotten, welche sie von den Wandlern erhalten hatten, ehe er zum Badezimmer lief, "Willst du mitkommen?"
Kaum merklich spannte sich der Junge an und schüttelte den Kopf: "Geh du ruhig als Erster, ich suche solange meine Sachen zusammen."
Der General nickte nur und verschwand hinter der dunklen Tür.
Seufzend lehnte sich Blace an die Wand. Er war noch nicht soweit, vielleicht in ein paar Tagen, oder Wochen, aber nicht an jenem Tag. Zwar wusste Gwyn bereits, dass sein Vater ihn nicht sonderlich liebevoll behandelt hatte, aber er wusste nichts von den unzähligen Narben, welche ihre Geschichte auf seiner Haut erzählten. Geschichten über Hass, Wut und schiere Unverständlichkeit.
Aber er wollte nicht mehr darüber nachdenken, nicht mehr daran festhalten, er lebte im Hier und Jetzt, er konnte weder seine Vergangenheit ändern, noch seine Zukunft voraussehen und so musste er sich auf das Wesentliche konzentrieren, die Gegenwart, in der ihm Selbstmitleid keineswegs half.

Mit dem Herzen eines Engels (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt