Kapitel 1

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Menschen waren leicht zu durchschauen

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Menschen waren leicht zu durchschauen. Die meisten von ihnen waren wie offene Bücher. Man musste nur genau hinsehen und schon erkannte man ihre dunkelsten Begierden und Alpträume.

Die Augen eines Tieres waren allerdings so tief und unergründlich, wie die tiefste See, in deren Gewässern sich nicht mal Piraten trauten. Genauso sahen die braunen Augen des jungen Rehs aus, das ich aus dem Dickicht beobachtete. Doch dies war kein gewöhnliches Reh. Dieses trug Magie in sich. Ich konnte es förmlich riechen und die Luft um mich herum knisterte aufgeladen.

Tiere mit Magie besaßen kein Blut in ihren Adern. In ihren Adern pulsierte die reinste Form der Magie. Hellblau, fast durchsichtig. Magische Tierwesen waren nur schwer ausfindig zu machen. Die meisten Menschen erkannten nicht, ob sie ein normales Tier vor sich hatten oder eines aus geraumer Zeit, die schon länger auf diesem Kontinent wandelten wie wir.

Es war nicht das erste Mal, dass ich eine Hirschkuh sah, durch deren Adern pure Magie floss. Wunderschön, gefährlich und verführerisch. Dasselbe Reh hatte ich schon gesehen, seit ich ein Kind war. Immer bei Vollmond. Da graste es auf der Lichtung, die von dunklen Bäumen umgeben war, deren Äste gruselige Schatten auf den Boden warfen und so manch einen in den Wahnsinn gerieben hatten, sodass sie sich im Dschungel verlaufen hatten - anders als ich. Dieser Dschungel war mein Zuhause seit ich denken konnte.

Und so betrachtete ich wie bei jedem Vollmond die Hirschkuh. Ich hätte sie mit Pfeil und Bogen erschießen können. Es wäre nicht schwer gewesen. Die Legende über magische Tierwesen besagte, dass noch nie eine Menschenseele diese Gattung von Tieren hatte töten können. Nicht einmal der beste Jäger hatte es je geschafft. Vor allem weil die meisten nicht erkannten in welchem Tier Magie floss.

Man hätte mich in meinem Stamm Castra gefeiert, mich als Göttin bezeichnet und wahrscheinlich wäre ich eine Berühmtheit in ganz Arietes geworden, wenn ich dieses Reh töten würde, doch darauf war ich nicht aus. Ich würde es niemals über mein Herz bringen dieses anmutige und wunderschöne Tier zu erlegen.

Ich lag auf einem bedeckten Hügel von Moos. Fahnen gaben mir Schutz, sodass das Reh mich nicht sehen konnte, aber ich hatte den Verdacht, dass sie meine Anwesenheit all die Jahre immer gespürt hatte. Nur warum sie nie weggelaufen war, hatte ich immer noch nicht verstanden. Wenn ich dieses Tier ansah, verspürte ich eine gewisse Ruhe. Den genauen Grund dafür kannte ich nicht.

Die Hirschkuh kaute genüsslich das Gras, dennoch waren ihre Ohren gespitzt. Sie könnte jede Sekunde davonrennen, immer zur Flucht bereit.

Auf einmal hörte ich ein tiefes Knurren. Ich hielt den Atem an. Die Hirschkuh schien nichts bemerkt zu haben.

Dann sah ich in dem Gebüsch auf der anderen Seite zwei gelbe Augen aufblitzen. Wie fackelnde Flammen leuchteten sie in der Dunkelheit.

Ein Raubtier.

Mir wurde mulmig zumute. Ein so intensives Gelb hatte ich noch nie zuvor gesehen. Es konnte kein Panther sein. Die hatten Augen so blau wie der Ozean. Löwen gab es in dieser Region des Königreichs nicht. Diese Tiere wurden nur in den Bergregionen von Inferius gesichtet.

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