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Wir landeten... um ehrlich zu sein, ich hatte keine Ahnung wo. Um mich herum war es dunkel, eine Fackel erleuchtete spärlich den Raum. Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten und ich etwas sehen konnte. Ich konnte nicht sagen, ob wir uns unter der Erde, oder einfach nur in einem dunklen Zimmer befanden. Es gab weder Fenster noch sonstige Anzeichen. Der Raum war voll von Bücher, Zeitschriften, Pergamentrollen und Notiz Zettelchen. Etwa zwei Meter von uns entfernt stand ein Mann, ich zuckte ein wenig zusammen. Es war nicht das erste Mal, dass ich einem Stillen Bruder begegnete, doch ihre Erscheinung war mir noch nie geheuer gewesen. 

 "Da seid ihr ja", sagte er (auch wenn sagen wohl nicht das richtige Wort war, denn ich hörte meine Stimme in seinem Kopf, echt gruselig).

Ich wollte was erwidern, doch anstelle einer Begrüssung brachte ich nur ein rasselndes Husten zu Stande. Magnus stütze mich und wartete, bis ich fertig war. 

  "Ich hoffe, du musstest nicht zu lange warten, Bruder Shadrach." 

Dieser nickte. "Wir sollten direkt zur Sache kommen. Du sagtest, ein Shadowhunter hätte ein Verbrechen begannen und einer Hexenmeisterin", sein Blick fiel kurz auf mich "unfreiwillig eine Rune aufgetragen."

 "Das ist nicht wahr", krächzte ich. "Sie war einfach da, ich weiss nicht, wie sie dahin gekommen ist."

Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte ich das Bedürfnis, mich zu verteidigen. Schliesslich hatte ich nicht falsch gemacht und ein Shadowhunter war definitiv nicht involviert gewesen. Magnus warf mir einen besorgten Blick zu und übernahm von da an das Reden.

 "Wie die Rune dahingekommen ist, ist unwichtig. Ich brauche deinen Rat."

Bruder Shadrach fiel ihm ins Wort. "Du weisst, Hexenmeister, dass wir für Schattenwesen mit Runen nichts tun können."

Magnus nickte. "Das ist mir bewusst, aber es handelt sich nicht bloss um irgendeine Rune. Ich bin mir fast sicher, dass es sich um die Zwillingsrune handelt."

 "Woher weisst du von dieser Rune?", der stille Bruder musterte ihn skeptisch.

 "Ich habe meine Quellen", erwiderte Magnus. 

Bruder Shadrach runzelte die Stirn, kam aber zu uns herüber. "Ich muss die Rune sehen."

Ich nickte zögernd und zog meinen Ausschnitt runter. Als ich auf mein Brustbein blickte, musste ich mich bemühen, nicht hysterisch loszuschreien. Das Ganze sah noch viel schlimmer aus als gestern - wenn das denn überhaupt möglich war. Die Rune selbst wirkte entzündet und pulsierte auf meiner Haut. Obwohl, Haut konnte man diesen verkokelten Fleck, der sich zu meinem Entsetzten auch noch ausgebreitet hatte, nicht mehr nennen. Die ersten Ausläufer zogen sich bereits zu meinem Bauch hinunter und bedeckten mein Schlüsselbein. Ich wollte lieber nicht unter meinen BH blicken, dann würde mir definitiv schlecht werden. 

Der stille Bruder musterte die Rune eine Weile angestrengt. "Nach allem, was ich über sie gehört habe, sieht es ganz danach aus... und du sagtest, die Rune seie einfach so erschienen?"

Ich nickte schwach.

 "Das ist neu", er ging zu einem der unzähligen Regale und zog eine Pergamentrolle hervor. Seine Augen flogen über das Stück Papier und ein düsterer Schatten fiel über sein Gesicht. 

 "Was ist los?", wollte Magnus wissen.

Bruder Shadrach stellte eine Gegenfrage. "Du kennst die Prophezeiung Davids, hab ich Recht?", er rollte das Pergament wieder zusammen und verstaute es.

Magnus nickte und auf den fragenden Blick Shadrachs erklärte er "Ich habe vor langer Zeit eine Abschrift eines stillen Bruders erhalten."

Der stille Bruder musterte mich "Wenn das wahr ist, und sie eine der Auserwählten ist, dann stirbt sie so oder so."

Ich zuckte zusammen. Na das waren ja mal tolle Aussichten. Es gab doch noch so Vieles, was ich erleben wollte und ich hatte schliesslich immer gedacht, ich hätte alle Zeit der Welt dafür. Stop, ich konnte jetzt nicht schon wieder damit anfangen. Wenn ich schon sterben musste, dann bitte nicht, weil ich durch Engelskraft quasi vergiftet wurde. 

 "Was steht denn in dieser Prophezeiung?", wollte ich wissen. 

Die beiden Männer wechselten kurz den Blick, Magnus seufzte, doch ich bekam keine Erklärung. 

 "Findet ihr nicht, dass ich das Recht habe, das zu erfahren, wenn ich doch so oder so an dem Ding verrecken werde?", fragte ich ein wenig gereizt. 

 "Man sollte Prophezeiungen nicht immer aufs Wort nehmen. Vielleicht hast du ja Glück und sterben symbolisiert was ganz anderes", meinte Bruder Shadrach. 

Ich blinzelte. In dieser Prophezeiung stand also, dass ich sterben würde. Ich wusste nicht, was man da denn falsch verstehen konnte aber okay. 

  "Ich würde vorschlagen, ihr findet deinen Zwilling. Dadurch wird die Rune dich vielleicht nicht vergiften und du stirbst nicht sofort."

Na toll, das Ganze wurde immer besser. Ich sollte jetzt also meinen Zwilling suchen, obwohl ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Vielleicht war ja bei irgendeiner Hexenmeisterin auch einfach eine Rune aufgetaucht und damit wir beide nicht qualvoll starben, müssten wir uns an den Händen nehmen und Kumbaya My Lord singen. Ich glaube, so langsam würde ich verrückt. 

Magnus nickte "Wenn das alles ist, was du für May tun kannst."

Bruder Shadrach neigte leicht den Kopf und wirkte fast schon bedauernd. 

Frustriert - so würde ich Magnus Zustand am ehesten beschreiben - öffnete er ein Portal und ehe ich mich versah, waren wir wieder in unserem Apartment. Er hätte ja wenigstens noch auf Wiedersehen sagen können, doch scheinbar befand er das nicht als nötig. Unser Besuch hatte Magnus wohl nichts gebracht, auch wenn ich jetzt einen Haufen neuer Informationen hatte. 

 "Magnus, was steht in dieser Prophezeiung?"

Zuerst tat er so, als wüsste er nicht, wovon ich sprach. "Mh?"

 "Diese Davidsprophezeiung. Was hat der über meine Rune, die Zwillingsrune gesagt?", hakte ich nach. 

 "David war ein Spinner, May. Niemand glaubt, dass diese Prophezeiung war sein könnte", er fuhr sich über das Gesicht.

Ich wollte so schnell nicht klein beigeben. "Aber wir werden doch meinen Zwilling oder wie auch immer suchen", das hoffte ich zumindest "also muss doch was Wahres an ihr dran sein."

Er wirkte entnervt, ging zu seinem Schreibtisch und zog ein Blatt Papier hervor. Es war an den Seiten bereits vergilbt und ausgefranst und altmodische Letter prangten in schwarzer Tinte darauf.

 "Lies selbst", meinte er und beobachtete mich dabei, wie ich die vor hunderten von Jahren geschriebenen Worte das erste Mal las.  

Von Engeln und Dämonen: Die Zwillinge (Shadowhunter FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt