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Alina's Sicht

"Ich würde sagen, wir foltern sie. Das ist schon immer die beste Methode gewesen, um Informationen aus Menschen herauszubekommen." Mit grimmigem Blick sah Egbert Damian auffordernd an. Der Alpha war von seiner Idee sehr überzeugt.

Nachdenklich rieb sich Damian übers Kinn. "Ich weiß nicht..."
Normalerweise wäre ich erstaunt gewesen, wie er überhaupt mit dem Gedanken, so etwas zu tun, spielen konnte. Aber wir wussten beide, worum es hier ging. Was auf dem Spiel stand.

In der jetzigen Situation, in der wir uns befanden, musste man abwägen, und das zwischen vielen Entscheidungen und Möglichkeiten, die eventuell alle schlecht sein könnten. Aber wir mussten dennoch versuchen, das Beste daraus zu machen.

"Man könnte es ja auch mit reden versuchen", sagte ich schnippisch.
Sofort erntete ich einen spöttischen Blick von Egbert. "Du hast leicht reden, hast dich immer aus allem rausgehalten. Ist doch bestimmt einfach so zu leben, nicht wahr?"

Damian knurrte den Alpha wütend an. Seine Augen verdunkelten sich.
Ich legte eine Hand auf seinen Arm, sodass er seine Aufmerksamkeit wieder mir zuwandte.

Lass es. Ich schüttelte den Kopf.

Der Idiot regt mich auf. Nur weil er bei dem Kampf anwesend war, geht er nun davon aus, dass er bei allem ein Mitspracherecht hat.

In gewisser Weise hat er damit ja auch recht. Diese Angelegenheit geht jeden etwas an und es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, bis es weitere Morde bei anderen Rudeln gibt.

Damian schnaubte, stimmte mir aber zu.
"Also", fing ich an, "was ist jetzt mit dem zivilisierten Reden? Habt ihr das schon mal ausprobiert?"
Jack schüttelte den Kopf. "Wir haben uns von den Gefangenen fern gehalten."

"Na gut." Ich deutete auf die Tür, die zum Keller führte. "Dann los."
"Ich habe so etwas schon oft erlebt. Die werden nicht mit uns kommunizieren, nur weil wir sie nett dazu auffordern."
Ich rollte die Augen. Die Herren und ihre langjährige Erfahrung.

"Wenn ich noch einmal darauf hinweisen dürfte, ich habe so etwas auch schon häufiger erlebt. Und direkt mit der gewalttätigen Methode zu beginnen, ist nicht richtig. Wir sollten ihnen die Chance geben, uns alles freiwillig mitzuteilen."

"Eine Chance?!", stieß Egbert empört hervor. "Diese Menschen haben das Dorf angegriffen und vermutlich weitere umgebracht. Und du willst ihnen eine Chance geben?"
"Wir haben keine Ahnung, warum sie das gemacht haben. Vielleicht folgen diese Leute auch nur Befehlen und wissen nichts Genaueres darüber. Beginnen wir jetzt mit dem Foltern, vergraulen wir sie nur. Sie sagen uns also entweder gar nichts, oder etwas Falsches."

Karl legte seine Hand auf Egberts Schulter und warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Dann nickte er einmal.
Egbert seufzte und nickte mir auch zu. Im nächsten Moment stiefelte er los, Richtung Keller.

Rasch stellte ich mich ihm in den Weg. "Was soll das denn werden?"
"Ich gehe mit den Gefangenen reden. Wonach sieht es denn sonst aus?"
Ich schüttelte demonstrativ den Kopf. "Auf gar keinen Fall. Dann könnten wir sie auch gleich mit einer Wand reden lassen. Nichts für ungut."

Mein Blick schweifte zu Damian, der meine Aktionen die ganze Zeit beobachtet hatte. Obwohl bei seinem Blick und der gerunzelten Stirn das Wort bewacht vielleicht besser passen würde. Ich glaubte fast, dass er Egbert bei der nächsten falschen Bewegung den Kopf abreißen würde.

"Was hältst du davon?", fragte ich ihn jetzt.
"Ich stimme dir zu. Egbert sollte nicht derjenige sein, der versucht sensible Informationen aus ihnen herauszulocken. Es muss jemand mit Takt- und Feingefühl sein. Jemand, der sich unter Kontrolle hat und weiß, wie sowas geht."

Während ich wusste, wen er meinte, schienen die anderen keinen Schimmer zu haben.
Egbert meinte spöttisch und mit einem leisen Lachen: "Schlägst du gerade ernsthaft dich selbst vor? Das halte ich für keine gute Idee. Du wirst dich wohl kaum unter Kontrolle halten können. Diese Menschen haben schließlich dein Dorf und deine Leute angegriffen."

Damian stimmte ihm zu. "Das ist richtig. Ich bin auch nicht der Richtige für diese Aufgabe."
"Steh ich gerade komplett auf dem Schlauch oder wisst ihr auch nicht, wer jetzt gemeint ist?", ließ Matthias vernehmen.

"Er meint Alina", sagte seine Mutter sanft. Sie trat ein paar Schritte nach vorne. "Sie ist die Richtige für diesen Job." Saphira sah mich lächelnd an.

"Das meinst du doch nicht ernst?!" Egbert ging mehrere Schritte auf Damian zu.
"Doch, es ist mein voller Ernst. Und wir wissen beide, dass ich recht habe, also erspar mir dein nerviges Gejammer."

Ich wandte mich um. Fixierte die Kellertür. Sie hatten recht. Ich sollte dieses Verhör übernehmen.
Kurz bevor ich die ersten Schritte gehen konnte, fuhr ein starker Wind über den Vorhof und stieß das Fenster zum Wohnzimmer auf. Erschrocken richteten sich alle Blicke auf das offene Fenster.

Ich aber schaute zu den einzelnen Blättern, die der Wind mit ins Zimmer gebracht hatte, und die nun um mich herum flogen.
Und dann bemerkte ich ein Ziehen in mir drin. Jemand wollte mich an einem ganz bestimmten Ort haben. Irgendetwas stimmte nicht.

Die Blätter flogen wieder hinaus und ich richtete den Blick auf Damian.

Was ist los?

Ich muss etwas nachgehen.

Soll ich mitkommen?

Nein, ich gehe alleine. Kümmere du dich um Egbert und deine Leute. Ich brauche nicht lange und wenn etwas ist, sag ich dir Bescheid.

Ich überwand die Distanz zwischen uns und drückte ihm einen kurzen Kuss auf den Mund.
Dann ließ ich die anderen mit verwirrten Gesichtern stehen und folgte dem Ziehen.

|||

Ich wusste, wo ich war. Das war die Wohngegend, in der sich Mr. Tallys kleines Einfamilienhaus stand, in welchem er jedoch alleine wohnte.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich und ich rannte noch etwas schneller.

Schließlich stand ich vor dem blauen Haus und ließ meinen Blick in der Gegend umherwandern. Nichts erschien mir ungewöhnlich.

Also überquerte ich auch die letzten Meter zur Eingangstür. Davor auf einer Matte lag Mr. Tally leblos, das Gesicht zum Himmel gewandt.
Meine Augen weiteten sich erschrocken und ich tastete nach seinem Puls. Er war da. Klopfte regelmäßig unter seiner Haut.

"Mr. Tally, hören Sie mich? Können Sie mich hören?"
Er war also definitiv nicht einfach nur eingeschlafen. Wäre auch komisch gewesen, aber ich musste ja alles überprüfen.

Zuerst leicht, dann etwas härter schlug ich Mr. Tally auf die Wangen, bis der alte Mann schließlich zu husten begann und sich mit meiner Hilfe aufrichtete.
Er sah mich an und murmelte: "Was machst du denn hier?"
"Tja", antwortete ich, "das würde ich auch gerne wissen."

Mr. Tally hielt sich eine Hand an die Stirn und stand langsam auf. Um sich zu helfen, stützte er sich mit einer Hand am Türrahmen ab.
"Wissen Sie, was passiert ist?"
"Ich- äh..." Der alte Mann überlegte nachdenklich. Plötzlich fiel ihm etwas ein und er trat beiseite.

Ich schaute auf das, was hinter ihm in seinem Flur lag und wich erschrocken zurück.
Auf dem Boden, ordentlich abgelegt, lag ein junger Mann. Er sah aus wie ein Student oder vielleicht ein Referendar, mit seinem ordentlichen Hemd. Das einzige Problem an dem friedlichen Anblick war jedoch das fehlende rechte Bein und die Tatsache, dass der Mann eindeutig tot war. Dass er überhaupt ein Hemd getragen hatte, war nur ganz schwer zu erkennen.

Mr. Tally wandte den Blick ab, so als würde ihm schlecht von dem Anblick.
"Es tut mir wirklich leid, dass ich diese Frage stellen muss, aber haben Sie diesen Mann ermordet?"
Entsetzt sah er mich an. "Um Gottes Willen nein. Ich bin nach Hause gekommen, habe die Tür aufgeschlossen und dann das hier gesehen. Kurz danach muss ich ohnmächtig geworden sein, denn ich erinnere mich nur noch an dein Auftauchen."

Ich nickte langsam und näherte mich der Leiche. Es war kein Blut um den Mann herum zu sehen. Er wurde schon tot hierher gebracht.
Ich bemerkte einen Zettel in seiner Hand. Die Finger umklammerten ihn lose, so als wäre er einfach nur lustlos dazwischen geklemmt worden. Vorsichtig nahm ich ihn in die Hand und faltete ihn auseinander.

EURE HERRSCHAFT IST ZU ENDE, stand dort in Großbuchstaben geschrieben.
Mr. Tally las sich das Geschriebene ebenfalls durch und fragte: "Was soll das alles?"
"Es ist eine Drohung", murmelte ich. "Eine Warnung."

Goddess Of The MoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt