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Damian's Sicht

Ein paar Stunden ausdauerndes Laufen und wir gelangten in die Nähe des Feldes. Wir versammelten uns um den Anbau, der von einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben war, und ich schickte mehrere Krieger los, um nach dem von Lerhome beschriebenen Tor zu suchen. Es war genauso hoch wie der Zaun und unterschied sich lediglich durch zwei große Klinken, durch die der Bereich gefahrlos betreten werden konnte. Zumindest wenn das, was Lerhome gesehen hatte, der Wahrheit entsprach.

Ich hatte auf seine Berichte vertraut und nur meine Leute mitgenommen. Sollte alles, was er gesagt hatte, wahr sein, würde uns hier nichts Kompliziertes bevorstehen. Darauf vertraute ich, denn etwas anderes konnte ich nicht tun. Trotzdem ging ich in gewisser Weise auf Nummer sicher und nahm mehr Krieger mit, als ich eigentlich benötigt hätte.

Mein Rudel ließ ich von Egbert und Zabrina beschützen, die mir beide versprachen, alles dafür zu tun, damit meine Leute überlebten. Ich glaubte ihnen. Diese Allianz zwischen uns war für alle wichtig und die beiden waren schlau genug, um das zu begreifen.

Zudem ließ ich die Personen, denen ich am meisten vertraute, zurück. Jack wehrte sich anfangs gegen meine Entscheidung, verstand aber schließlich, wie wichtig sein Überleben wäre, sollte etwas schiefgehen - wovon ich jedoch nicht ausging. Ich vertraute ihm auch die wichtige Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass Egbert und Zabrina nicht irgendeine Scheiße anstellten oder sich, wie immer, nicht verstanden.

Die zweite Person zu überreden, zu Hause zu bleiben, erwies sich als deutlich komplizierter. Alina gab mir nicht einmal die Möglichkeit, meinen Satz zu beenden. Sie begann direkt, dagegen zu argumentieren. Wir waren gerade erst getrennt, das Risiko ist zu groß, das ist wahrscheinlich nur eine Falle, ich ließe meine Leute zurück, kann das nicht jemand anderes machen?

Nun, ich hielt das Risiko für nicht sehr groß und es war ein wichtiger Schritt für uns in die richtige Richtung. Sollte es eine Falle sein, war ich gut vorbereitet und würde Alina sofort über unserer Verbindung Bescheid sagen (was das bringen sollte, wusste ich nicht, sie bestand aber drauf). Meine Leute ließ ich in ihrer Hand zurück und unter Jacks und ihrer Leitung, dagegen konnte sie nichts sagen, es hätte sich nicht gut mit ihrem Stolz vertragen. Jemand anderes konnte es nicht machen, da ich der Meinung war, jemand anderes würde es verbocken. Außerdem erinnerte ich sie daran, dass Alina schon lange keine Seelenverwandten mehr verbunden hatte, was scheinbar auch ein guter Punkt war, da sie direkt nach unserem Abschied wieder ins Zimmer stiefelte.

Also überließ ich meiner Gefährtin und meinem Beta die Leitung des Rudels, zumindest bis ich wieder zurück war.
Ich nahm meine besten Krieger mit und ließ Lerhome und Sophie, die Spionin von Zabrina, die unbedingt mitkommen wollte, uns führen. Wir kamen gut voran und warteten nun darauf, dass Drokor mit den anderen Wölfen zurückkehren würde, um uns über die Lage aufzuklären.

Stattdessen ertönte aber ein Quietschen und dann mehrere Schreie. Ich schüttelte den Kopf und knurrte die Wölfe um mich herum mahnend an, bevor wir zu den anderen liefen.
Tatsächlich war es nur ein einziges großes Feld und die Abgrenzung wurde lediglich von einigen Menschen überwacht, die Drokor und die anderen bereits überwältigt hatten. Ich warf einen Blick auf sie. Sie waren in rote Klamotten gekleidet und die einzige Waffe, die ich entdecken konnte, war eine Pistole, die sich jeweils um ihre Hüfte gebunden befand.

Ich nickte Ethan zu, der mich fragend ansah und sich nun zurückverwandelte, um sich eine der Waffen genauer anzusehen. Er besah die Patrone und tastete vorsichtig nach ihrem Inhalt. Ethan zog eine Grimasse und ließ beides zu Boden fallen.
"Kein Krecanos. Ganz normale Patronen."

Das erklärte, warum sie nicht auf die Wölfe geschossen hatten. Es hätte ihnen nicht viel gebracht. Die Menschen hätten uns lediglich wütend gemacht.
Verwirrt ließ ich meinen Blick schweifen und schwenkte meinen schwarzen Kopf in Richtung Wald, in der Erwartung, dass Alina recht hatte und sich diese ganze Aktion wirklich nur als eine Falle herausstellte. Aber nichts geschah. Meine Ohren zuckten, doch auch hören konnte ich nichts.

Es war beunruhigend ruhig um mich herum. Ich sah wieder zu meinen Leuten und bemerkte, dass sie auf meinen Befehl warteten, das Feld zu betreten.
Ich ging durch die Gasse, die sie gebildet hatten, und trat durch das Tor. Im nächsten Moment rümpfte ich die Nase. Der scharfe Geruch des Krauts stach schrecklich in der Nase.

Die Pflanzen waren in geraden Linien angepflanzt worden und die einzelnen Reihen besaßen eine ungefähre Breite von einem Meter und fünfzig Zentimeter. Je vier hochgewachsene grüne Pflanzen standen nebeneinander und wurden von violetten Blüten gekrönt, die das Kraut für uns so giftig machten.

Mit langsamen Schritten betrat ich den sandigen Weg, der die Reihen voneinander trennte. Meine Wölfe warteten hinter mir ungeduldig auf mein Zeichen, das wusste ich, doch ich würde sie erst hier raus lassen, wenn ich mir sicher sein konnte, dass sich das hier nicht doch als Hinterhalt entpuppte.

Also ging ich immer weiter und setzte eine schwarze Pfote vor die andere. Irgendwann, ungefähr in der Mitte des gesamten Anbaus, blieb ich stehen und drehte mich im Kreis. So konnte ich einen Blick auf den gesamten Bereich werfen. Doch ich konnte wieder nichts Ungewöhnliches entdecken. Stattdessen sah ich das Backsteinhaus, das mir bereits bekannt war.

Okay, macht, was ich euch gesagt habe.

Das war das Zeichen, worauf alle nur gewartet hatten. Connor und Ethan liefen auf direktem Wege zu mir, während Drokor und Lerhome draußen blieben und, so wie ich sie angewiesen hatte, die Umgebung im Auge behielten.
Meine ausgewählten Krieger standen nach kurzer Zeit in Menschenform vor den Pflanzen und kramten aus ihren Taschen das Benzol.

Sie gossen es über das Krecanos, wobei sie sich direkt über die Pflanzen hockten, um nicht allzu viel zu vergießen. Ein befreundeter Rogue von Egbert hatte uns das Benzol besorgen können und gab uns den Tipp, möglichst wenig davon auf einmal zu vergießen, da es ein leicht brennbarer Stoff war. Und weil wir keinen Großbrand verursachen wollten, hielten wir uns an diese Anweisung.

Einmal war bei der Prozedur ein schmerzvolles Zischen zu hören, als Sophie etwas zu übermütig wurde und zu nahe an die Pflanze trat und so mit ihr in Kontakt kam.
Es dauerte nicht lange und jede Reihe - und somit auch jede Pflanze - war bedeckt. Nun nahmen sie das Feuerzeug und entzündeten auf mein Nicken hin die Spur der Flüssigkeit.

Alle Anwesenden beobachteten das Geschehen, teils sogar faszinierter, als es eigentlich sein sollte.
Ich konnte sie verstehen. Es war verrückt, was eine Flüssigkeit und ein bisschen Feuer alles anrichten konnten.
Bereits nach kurzer Zeit schlängelte sich der Rauch an uns vorbei in den Himmel. Auch das Stechen in der Nase ließ nach.

Connor, Ethan und ich liefen weiter zum Haus und überließen die Aufsicht Lerhome und Drokor. Schließlich gab es jetzt nicht mehr viel, was noch schiefgehen könnte.
Das Haus aus rotem Backstein sah von außen schon nicht besonders schick oder groß aus, was mich nicht viel erwarten ließ, was das Innere betraf.

Und tatsächlich bestand es nur aus einem Raum, der vielleicht ein paar Quadratmeter groß war. Das Erste, was mir auffiel, war der Mensch, der zitternd etwas in ein altes Telefon sprach und mit Entsetzen in den Augen bemerkte, wer da gerade durch die Tür gelaufen war.

Ich legte den Kopf schief und beobachtete ihn ein paar Sekunden. Es war lustig mit anzusehen, wie der kleine Mann mit der Glatze und einer viereckigen Brille nicht einmal seine zitternden Beine unter Kontrolle bringen konnte.
Schließlich war ich es leid, mir anzusehen, wie er der Person am anderen Ende der Leitung schilderte, was hier gerade passierte und schlug ihn bewusstlos.

"Vielleicht sollten wir ihn lieber umbringen", meinte Connor und schaute durch das kleine und einzige Fenster, durch welches der Mann uns hatte sehen können.
"Das ist nicht nötig. Sie werden sowieso bald wissen, wer das war." Ich hielt das Telefon in der Hand und zerquetschte es. "Wenn sie es nicht schon wissen."

"Ordentlich sieht es hier ja nicht gerade aus." Ethan ging zum Schreibtisch und schob den Stuhl mitsamt dem Mann in eine Ecke.
Ich gesellte mich zu ihm und konnte ihm nur zustimmen. Dutzende Blätter lagen ungeordnet übereinander und ein paar waren sogar völlig durchweicht von was auch immer. Wahrscheinlich wollte ich es gar nicht wissen.

Ethan schob sämtliche Blätter mit einer Bewegung vom Tisch und ich wollte ihn gerade anmeckern, als ich nun ebenfalls die Karte bemerkte, die ganz unten gelegen hatte.
Sie bildete das gesamte Waldgebiet ab und gewisse Gebiete waren rot eingekreist. Unter anderem mein Dorf, Zabrinas Lager und die Schule in der Nähe. Nur eine Stelle war blau eingekreist.

"Was ist das?", fragte ich verwirrt.
"Es sieht aus wie mehrere Gebäude", antwortete Ethan.
Nun trat auch Connor zu uns und warf einen Blick auf die Karte. "Das ist ein Neubaugebiet. In den letzten Jahren wurden dort in Rekordzeit neue Häuser gebaut."
"Woher weißt du das?", meinte ich.
Connor schien sich etwas zu schämen, denn ich registrierte eine leichte Röte seiner Wangen. "Jedes Mal wenn wir umziehen, finde ich alles über die Umgebung in einem Umkreis von hundert Kilometern heraus und das gehörte nun einmal dazu."

Ethan gab sich keine Mühe, sein Grinsen zu verbergen. "Wie süß." Dann richtete er den Blick aber wieder auf den blauen Kreis. "Wie wahrscheinlich ist es, dass sich dort ihr Hauptquartier befindet?"
"Ich denke sehr. Die Lage ist optimal. Und ja, auch das habe ich herausgefunden."
"Andere Frage: Wie wahrscheinlich ist es, dass wir das hier finden?"

Auf meine Frage hin zuckte Ethan mit den Schultern und Connor runzelte die Stirn. Aber es war Ethan, der mir antwortete. "Nicht sehr hoch. Ein wahrer Glücksfall."
"Ja", murmelte ich. "Wirklich ein glücklicher Zufall."
"Was hast du?" Connor war sichtlich verwirrt.
Ich schaute aus dem Fenster. Keine violetten Pflanzen mehr zu sehen. Meine Wölfe warteten nur noch darauf, wieder nach Hause zu können. "Das ist alles zu einfach."


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Diese Geschichte hat bald 100K :)
Vielen vielen Dank an euch alle, dass ihr mich immer so unterstützt

Goddess Of The MoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt