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Alina's Sicht

Nachdem wir unsere Besprechung beendet hatten - den Plan hatten wir noch weiter ausgebessert und vervollständigt, Damian und Jack würden ihn dann den Anderen vorstellen - machte ich mich auf den Weg, um mal wieder Zeit mit Amelia zu verbringen.

Seit meiner Entführung hatten wir nicht mehr wirklich die Chance gehabt, miteinander zu sprechen, und das würden wir nun nachholen. Außerdem hatte ich das dringende Bedürfnis, mit ihr über Niklas zu reden. Auch weil ich Niklas schätzen gelernt hatte und ich sie überzeugen wollte, ihm eine Chance zu geben. Ich würde sie nicht zu etwas drängen, was sie nicht wollte, aber vielleicht konnte Amelia es versuchen.

Ich klopfte an ihre Haustür und Aurora öffnete. Sie musterte mich skeptisch und meinte: "Wie schön, dass du hier auch mal vorbei schaust."
Auf die Tatsache, dass sie mir ziemlich deutlich gemacht hatte, mich nicht zu mögen, und es dadurch irgendwie verwirrend war, wenn sie das sagte, ging ich nicht ein.

Stattdessen fragte ich: "Ist Ihre Tochter da?"
Aurora rümpfte die Nase. "Das ist sie, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie Lust hat, dich zu sehen. Immerhin hast du sie seit Langem nicht mehr gesehen und warst auch nicht für sie da, nach dem Tod ihrer Großmutter."
Ja, davon hatte ich gehört. Aber mich machte dieser Verlust nicht so sehr zu schaffen, wie anderen. Ich wusste, dass Delia es nun besser hatte und dass sie ihre Zeit unter uns sinnvoll verbracht hatte.

"Vielleicht ist es Ihnen nicht bewusst, aber die Welt dreht sich nicht nur um sie. Ich hatte keine Gelegenheit, mich in aller Ruhe mit Ihrer Tochter zu unterhalten und bereue das zutiefst. Was auch der Grund ist, weshalb ich nun hier bin. Amelia und ich haben einiges nachzuholen und ich lasse mich dabei nicht von Ihnen aufhalten."

Sie musterte mich ausdruckslos. Ich hatte wirklich keine Ahnung, was ich dieser Frau getan hatte. Sie sah mich an, als hätte ich ihr irgendwelche Schmerzen zugefügt und jedes Mal, wenn sie mich ansah, würde sie daran erinnert. Schließlich gab Aurora zu: "Sie hat mich gebeten, dich zu ihr zu lassen, falls du mal vorbeikommen solltest. Ich wollte nur sichergehen, dass du die richtigen Absichten verfolgst."

Mit diesen Worten trat sie einen Schritt beiseite und ließ mich ein.
"Wie nett", murmelte ich, mir sehr wohl bewusst, dass sie mich hören konnte. Denn ich blieb dabei. Diese Frau hatte etwas gegen mich und anstatt es mir einfach zu sagen, zeigte sie es mir mit ihrem Verhalten. Aber das interessierte mich reichlich wenig, schließlich hatte ich gerade eindeutig besseres zu tun.

Ich klopfte an Amelias Zimmertür und nach einem leisen "Herein" betrat ich das Zimmer. Es war ziemlich klein und mit gelben Wänden ausgestattet. Lediglich ein Bett, ein kleiner Schrank und ein Sofa passten hinein. Doch Amelia hatte ein Auge für Inneneinrichtungen und hatte mit Deko und allerlei Schnickschnack es geschafft, das Zimmer größer und schöner wirken zu lassen.

Ich wurde in eine lange Umarmung gezogen, die ich nur zu gern erwiderte. Amelia drückte mich fest an sich, scheinbar hatte sie mich ebenso vermisst, wie ich sie. Ein Schniefen erklang und ich schob sie besorgt von mir. "Was ist los? Geht es dir gut?"
Sie lachte auf und wischte sich ein paar Tränen vom Gesicht. "Ich freue mich nur, dich endlich zu sehen. Ich wusste zwar, dass du wieder hier bist und es dir gut geht, aber dich wirklich zu sehen, ist noch besser."
Wir hatten uns zwar kurzzeitig direkt nach meiner Wiederkehr gesehen, aber das zählte für sie scheinbar genauso wenig wie für mich.

Sie deutete auf das Sofa und bat mich, mich zu setzen. Amelia rang mit den Händen und fragte unsicher: "Willst du irgendetwas trinken oder vielleicht was essen? Ich glaube, es ist das erste Mal, dass du bei mir in meinem Zimmer bist."
"Glaub ich auch", antwortete ich. "Ich möchte nichts, danke. Außer vielleicht, dass wir nicht so tun, als würden wir uns zum ersten Mal sehen. Immerhin gibt es einiges, was ich zu berichten habe und dafür brauche ich meine Klatsch und Tratsch liebende Freundin."

Amelia lächelte und platzierte sich vor mich. Irgendwie wurde ihr Lächeln ziemlich gruselig, während sie einfach nur sagte: "Gestern war Vollmond."
Jetzt grinste ich ebenfalls, denn ich konnte ihre Freude definitiv nachvollziehen. "Ja, richtig."
"Und? Wie war?"
"War gut."
"Echt jetzt?! War gut? Ich will ein paar mehr Details."

Ich seufzte ergeben. Ich würde ihr bestimmt keine Details vom Sex erzählen, aber mit etwas anderem konnte ich ihre Wissbegierde beruhigen. "Ich hab ihm gesagt, dass ich ihn liebe."
Amelias Mund klappte auf und sie starrte mich überrascht an. Ein schriller, kurzer Schrei entwich ihr und sie schlug die Hände auf den Mund. "Wie jetzt? Ich ... Was? Aber das wusste ich ja gar nicht! Was hat er geantwortet? Muss ich ihn umbringen?"

Ich prustete los bei der Vorstellung, wie sie auf ihren Alpha zustürmte. "Du musst ihn nicht umbringen, keine Sorge."
"Puh, okay, da bin ich beruhigt. Versteh mich nicht falsch, ich hätte es gemacht, aber ich glaube, mein Plan hätte sich als etwas schwierig gestaltet."
Ich schmunzelte. Ja, das glaubte ich auch. "Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob ich ihn liebe. Ich wusste es einfach und in diesem einen Moment, da musste ich es einfach sagen." Ich lächelte leicht. "Und seine Wirkung hat es definitiv nicht verfehlt."

Sie kicherte hysterisch. "Oh Gott, das ist ja so aufregend. Endlich etwas Positives nach Omas Tod."
Sofort änderte sich meine Stimmung und ich meinte vorsichtig: "Tut mir leid, dass ich nicht da war."
"Ach, alles gut. Und bitte sei jetzt nicht deprimiert oder so, das will ich nämlich nicht. Das ist Mum immerhin schon. Ich war auch sehr traurig, aber ich weiß, dass sie jetzt glücklich ist." Amelia zuckte mit den Schultern und ich wusste, dass sie fest an ihre Worte glaubte. "Außerdem würde sie nicht wollen, dass wir so traurig sind."

Sie kroch noch näher an mich heran und platzierte die Hände auf meinen Knien. "Also erzähl schon, wie benimmt er sich bisher?"
Ich verzog den Mund. "Es ist kompliziert. Er hat sich sehr unter Kontrolle und weiß vermutlich auch, dass ich das so besser finde, aber dennoch ist es schwierig für ihn. Du weißt doch bestimmt von der Ankunft der Alphas?"

Sie nickte bestätigend.
"Nun, mit einem von ihnen hab ich eine gemeinsame Vergangenheit, aber es ist nicht so, dass wir uns geliebt haben oder ähnliches. Wir waren eng miteinander befreundet. Dann gab es aber ein paar Komplikationen zusammen mit Verrat, Lügen und noch mehr Verrat. Ich weiß, dass Damian unbedingt wissen will, was damals passiert ist, aber ich kann nicht so genau darüber reden. Meine Aufmerksamkeit muss jetzt unserer Vorbereitung liegen und ich darf mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit beschäftigen."

"Das versteht er bestimmt. Damian liebt dich, das weiß ich. Und er würde nichts tun, was dich unglücklich macht." Sie seufzte und sah gequält und glücklich gleichzeitig aus. "Ich wünschte, ich könnte auch so etwas haben."
Da war also das Thema, über das ich unbedingt mit ihr reden wollte. Ich durfte es nur nicht vermasseln.

"Weißt du", meinte ich beiläufig, "du könntest es haben."
Amelia zog eine Augenbraue in die Höhe. "Mit wem? Niklas? Ich bitte dich. Ich mag ihn nicht einmal. Wenigstens hört er jetzt auf, ständig mit mir sprechen zu wollen."
Niklas hatte sich also an meinen Rat gehalten. Viel gebracht hatte es wohl nicht.

"Ich weiß, ich sollte mich da nicht einmischen, aber ich finde, du tust ihm Unrecht. Er will einfach nur ein bisschen Zeit mit dir verbringen. Vielleicht solltest du es einfach ausprobieren."
Sie schnaubte. "Nein, danke. Er geht mir auf die Nerven und unfreundlich ist er auch noch."
Ich wusste, dass ich mich nun auf einer Gratwanderung befand. Ich sollte zu Amelia halten, denn sie war meine Freundin. Doch ich mochte Niklas sehr gerne und er hatte diese Worte nicht verdient.

"Willst du wissen, was ich glaube? Ich glaube, dass du einfach nur Angst vor den Veränderungen hast, die auf dich zukommen. Du willst dich nicht auf Niklas einlassen, weil du nicht damit gerechnet hast, dass er dein Seelengefährte sein würde. Und das passt dir nicht. Du willst es nicht einmal versuchen, weil du zu stur bist und weiterhin an deiner Meinung fest hältst. Niklas ist ein guter Kerl und versucht nur, das Beste zu machen. Dass das nicht immer funktioniert, ist logisch, und das würdest du wissen, wenn du ihm mal eine Chance geben würdest, sich zu erklären."

Das waren harte Worte. Aber sie waren meiner Meinung nach wahr und ich stand voll hinter ihnen.
Doch Amelia hatte nicht mit so einer Reaktion geahnt. Sie sah mich wütend an und meinte: "Du hast recht, das geht dich einen Dreck an. Wenn du Niklas haben willst, dann nimm ihn doch."
Ich schüttelte den Kopf. So kämen wir hier nicht weiter. Wir würden uns immer mehr festfahren und nicht auf den anderen zugehen wollen. Also tat ich das, was ich für richtig hielt. Ich ging.
                                                                               

Goddess Of The MoonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt