kapitel 16

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"He askd her hand in dance...." So schallt es durch die Wohnung. Ich hebe den Kopf, verwirrt. Ich seufze. Isabels Wecker. "War heute nicht Sonntag? Ich lege den Kopf zurück ins Kissen  " Wie spät ist es überhaupt?",überlege ich Dabei räkele ich mich ausgiebig.  Der Alkohol von gestern hat einen pelzigen Geschmack in meinem  Mund hinterlassen und die Knochen fühlen sich schwer an.
Der Weckton am Handy spielt  immer weiter.  Ich entscheide mich,  nachzusehen, warum Isa den Song nicht beendet.
Ich schlage die Blümchendecke von mir, schwinge beide Beine aus dem Bett und tappe barfuß über die Holzdielen. Im Flur kommt mir Isabel entgegen "Guten Morgen." Auch sie klingt verschlafen.  "Man, Isa, dein Wecker...." maule ich. "Ja, ich weiss. Wir müssen ja auch sehr früh in der Kirche sein."Kirche? Was willst du denn da?"Mein Blick verrät wie viel Lust ich  auf Kirche habe.  "Ja, Kirche ,Kapelle , Messe, Lesung, Konzert, Paddy...." zählt Isabel auf. "Äh, oh ja Stimmt.....Ich flitze ins Bad. Ich würde Paddy wiedersehen! Wie konnte ich das nur vergessen? Mein Herz rast .Und obendrein sollte ich lesen. "Oh man."
Mit fliegenden Bewegungen mache ich meine Morgentoilette. Es kann nicht schnell genug gehen. Vom Bad gehe ich in mein Zimmer. Isabel höre ich schon in der Küche rumoren. Ich fische ein weisses Shirt und eine Jeans aus dem Schrank, streife beides über und will frühstücken.  "Auf keinen Fall " Isabel schüttelt den Kopf. "Nein?" "Nein." Resolut schiebt sie mich aus der Küche. "Ja aber ich..." " Du ziehst ein Kleid an. Basta." Ich bin es nicht gewohnt, feine Sachen anzuziehen. In der Uni interessiert es niemanden und auf Konzerten und Partys sind Jeans einfach lässiger.
"Guck mal bei mir im Schrank." Ich gehorche widerstrebend Ich finde ein leichtes Sommerkleid, weiss mit kleinen Blüten, ärmellos. Ich blicke an mir herunter. Das Kleid ist ein bisschen kurz, aber sonst passt es.
Zurück in der Küche setze ich mich an den Küchentisch. Beide löffeln wir unser  Müsli,
schweigend.
Nachdem alles aufgeräumt ist, wirft Isabel einen letzten Blick in den Spiegel. Ihr pinkes Baumwollkleid sitzt perfekt. Im Hinausgehen greift sie nach einer weissen Handtasche, die sie zwar selten benutzt, die aber immer an der Garderobe hängt. Sie befördert ein paar Scheine und ihr Semesterticket aus der grossen Geldbörse hinein. Ich will nach meinem Rucksack greifen, aber Isabel schüttelt stumm den Kopf, hält mir die Hand entgegen. Der Blick ihrer Freundin , fragend. "Na los, Semesterticket...Handy....mehr brauchst du nicht. "

So gehen die zwei zum Bahnhof. 
"Sag mal, was ist denn das da mit deiner Peacebell Geschichte? Worum geht s denn da?" In Isas dunklen Augen steht echtes Interesse. " Na ja, nach meiner ersten Ausstellung von Paddy war ich total geflasht von dieser Glocke. Kurz drauf kam mir die Idee, darüber zu schreiben.  Keine Ahnung wieso ich die dir nicht sofort gezeigt habe.  Wahrscheinlich fand ich sie damals saudämlich." Anabel lacht.
"Ja und wieso bist du damals,als wir da rumstanden ,damit angefangen?" Ich ziehe die Schultern zum Kinn. " Keine Ahnung, Langeweile wahrscheinlich."  Isabel macht nur "hm."
Der Bahnhof ist die einzige Station , die sonntags von Bussen angefahren wird.  Deshalb ist der Vorplatz voller Menschen. 

"Ja, hab ich.:  "War ein schönes Wochenende mit dir." So schallt es über den Platz. Ein Kind weint. Jemand lacht. Dann....Motorengeräusche...der Bus. Geduldig warten wir bis wir an der Reihe sind, zeigen unsere Tickets und bekommen einen der letzten Doppelsitzer im voll besetzten Bus. Isabel lehnt ihren linken Arm ans Fenster. Sie schaut zu mir  herüber.
"Und...aufgeregt?" Ich nicke.
"Ich weiss gar nicht, was ich Paddy sagen soll, wenn ich ihn gleich sehe. Ich meine, er hat sich doch gestern auch seinen Teil gedacht, weil ich einfach nicht mehr da war."Isabel sieht die Sorge in meinen Augen. "Ach was. Ich hab ihn beobachtet, so gut ich konnte. Na gut, ich bin halt nicht bis zum Schluss geblieben, aber ich glaube , er hat gar nicht mitbekommen, dass du plötzlich weg warst." Sie legt mir ihren rechten Arm um die Schulter.
"Nein?" "Nein. Ganz bestimmt nicht." Er war so sehr konzentriert auf die anderen Fans und darauf alle Fragen zu beantworten. Da hat er nicht gesehen, wer rein  und raus lief."
Isabel ist froh, mich für s Erste beruhigt zu haben. Ging ja gar nicht, dass ich vor lauter Wut auf mich selbst anfing zu weinen und damit den ganzen schönen Vormittag vetsaute. In Wahrheit ist Isa sich gar nicht so sicher, dass Paddy von der Aktion gestern nichts mitbekommen hatte. Er ist ja schließlich immer sehr aufmerksam, auch wenn man nicht damit rechnete.

Der Vormittag ist bereits sehr warm. "Na das kann ja heiter werden." Ich denke an das schicke Kleid, das ich trage und daran, dass es sicher durchgeschwitzt sein wird, wenn ich endlich Paddy gegenüber stehe.
Wir biegen von der Hauptstraße auf den Parkplatz des Ausstellungsgebäudes ab.  Auf der zur Kapelle gehörenden Wiese tummeln sich bereits die Musiker,  Techniker und alle, die gebraucht werden um das geplante Friedenskonzert zu einem schönen Erlebnis zu machen. "Paddy muss hier irgendwo sein.' Ich lasse meinen Blick über die Rasenfläche schweifen.  Isabel betritt als Erste die Eingangshalle. Ihre hohen Schuhe hallenc auf den Steinfliesen wider. Sie fragt: "Wir sind offiziell zum Gottesdienst heute eingeladen.  Man hat uns gebeten früher da zu sein, weil noch was koordiniert werde soll."
"Ach ja." antwortet die nette ältere Dame, die schon gestern hinter dem Kassentresen sass. "Herrgott, ist das ein Krach da draussen....." Dabei wedelt sie mit der Hand hinter ihrem Ohr, als könne sie diesen damit wegwischen.  Isabel grinst. "Und?"   "Ja also, man erwartet Sie vor der Kapelle, in....na ja...quasi jetzt sofort."
"Ok, danke" sagt Isabel und zieht mich mit sich. Draussen werden wir von Musikfetzen, Ansagen, quietschende und knarzende Mikrofonen empfangen. "Ok", denkt Isabel,"wer das nicht gewohnt ist...."
Wir laufen in Richtung Kapelle. Vor der grün weiss bemalten Tür wartet bereits die Pastoralreferentin.
"Guten Morgen. " Ja, also, dann wollen wir mal..." Ich folge der blonden Dame  in das Gotteshaus. Der Boden ist mit Holz ausgelegt. Es gibt nur wenige  Bänke aus dunklem Holz. An der Wand bei der Tür gibt es eine kleine bronzene Glocke sowie ein leeres Becken für Weihwasser. Auf einem steinernen , weissen Altar stehen Kerzen, die wohl später entzündet werden. Hinter dem Altar an der Wand das Bildnis einer jungen Nonne.

"Setzen Sie sich bitte in eine der Bänke." sagt die freundliche Pastoralreferentin. Ich gehorche. "Ui wie schmal ist die denn?" denke ich, lasse mir aber nicht anmerken, dass ich mich fühle, als würde ich zusammengequetscht. Mir werden 4 lose Blätter in der Größe eines Schulheftes in die Hand gedrückt. "Hier, lesen Sie einmal. Ich tue, was man mir sagt. Die Dame ist zufrieden mit mir.
"Später werden Sie das vorn am Amboss vorlesen.", belehrt mich die Referentin. Schlagartig pumpt mein Herz etwas mehr Blut in meinen Körper, während ich mir vorstelle, ganz allein da vorn zu stehen und vor Paddy und so vielen anderen Menschen zu lesen. Die Kapelle ist klein. Fast habe ich von hier aus das Gefühl der Pastor könnte mich berühren. 
"So, ich hole jetzt den Herrn Kelly hierher. Dann können wir überlegen, ob er auch während der Messe noch singen möchte und wer dann was wann tut." Unsanft werde ich aus meinen Gedanken gerissen. Ehe ich mich noch umdrehen kann ist die Dame nach draussen verschwunden.  Immer noch die Zettel in der Hand, drehe ich mich nach links und rechts. Ich bewundere den weissen Kreuzweg und das daneben stehende Bildnis eines jungen Mädchen. "Sieht aus wie ein Grabmal "denke ich voller Ehrfurcht und Faszination. 
Dann betritt Michael Patrick Kelly die kleine Kapelle. Ich höre ihn, bevor ich ihn sehe. Mein  Herz klopft laut. Ich bin sicher er kann es hören.
Paddy bekreuzigt sich vor dem Altar.  Selbst von meiner Position aus der dritten Bank, habe ich das Gefühl,  er ist in diesem Moment eins mit Gott.  Auf der Stelle wünsche ich mir, ich könnte dasselbe empfinden, wenn ich bete.
Paddy dreht sich um. Er kommt langsam auf mich zu. Ich lächle zaghaft. Die Schmetterlinge, die lange in meinem Bauch geschlafen haben, werden langsam wieder wach. Ich schaue in sein fein geschnittenes Gesicht. " Was er wohl von meinem Kleid hält?" denke ich. "Immerhin ist er doch ein Mann und Männern gefällt so was doch."
"Na? Geht es dir gut?", fragt er und seine blauen Augen mustern mich wohlwollend. "Hmhm." murmele ich. Obwohl ich ihm so viel zu sagen hätte, kann ich plötzlich nicht mehr sprechen.
"Äh..." Ich muss dir noch was erklären." meint Paddy.  Seine Stimme klingt wie Samt. Bevor aber auch nur ein weiteres Wort fallen kann, hören wir, wie sich jemand von hinten nähert. Beide schauen wir uns an und verdrehen die Augen.
Paddy seufzt tief. Dann beginnt die Pastoralreferentin uns zu erklären, wer von uns wann seinen Einsatz hat. 
Paddy wird zweimal gebraucht und ich soll nach der Predigt dran sein. Vorne vom Amboss aus. Ich nicke, schlucke. Die vielen Menschen, von denen einige jetzt das Gotteshaus betreten, sind mir egal, aber für Paddy will ich es gut machen. Ohne ihn hätte ich diese Möglichkeit nie gehabt. Das wird mir gerade bewusst.

Der Künstler verzieht sich in die erste Reihe und mir wird nahegelegt mich ganz nach außen zu setzen.  Isabel ist unter den 50 Menschen, die die Messe in der Kapelle mitfeiern dürfen.  Für die übrigen steht draussen eine Leinwand bereit.

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt