kapitel 17

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Das Evangelium wird verlesen. In ein paar Minuten darf ich da vorn stehen und selbst lesen. Mein Herz klopft, meine Finger sind schweissfeucht und ich habe da ein dringendes Bedürfnis.
Dann ist es so weit. Ich laufe zum Amboss. Unnatürlich laut klopfen meine Schuhe im Rhythmus meiner Schritte auf den Holzboden. Ich weiss, Paddy sieht jede meiner Bewegungen. 
Vorn angekommen, richte ich das Mikrofon auf meine Nasenspitze. Meine Finger zittern. Ich schaue auf die versammelte kleine Gemeinde. Ich versuche es wenigstens. Die Wahrheit ist, ich sehe sofort in das fein geschnittene Gesicht von Paddy.  Sofort fange ich seinen Blick auf. Er schaut ernst und voll Ehrfurcht. Obwohl mir bei diesem Anblick heiss und kalt gleichermaßen wird und ich ausserdem das Gefühl habe, meine Stimme versagt mir ihren Dienst, atme ich kurz durch und lese.

"Ich bin jetzt schon die dritte Glocke...

"Warum habe ich das bloss nicht auswendig gelernt?" schimpfe ich in Gedanken mit mir selbst. "Dann könnte ich jetzt die Augen zu machen. Dann würde Paddys Blick mich jetzt nicht halbwahnsinnig machen."

Ich beende meinen kleinen Vortrag einige Minuten später.  Alles schweigt. Ich schliesse nun doch kurz die Augen, schicke ein stummes Dankgebet himmelwärts. Weder habe ich vor Aufregung gekichert, noch habe ich mich verlesen. Ich verlasse den Amboss. Meine Papiere bleiben darauf liegen.  Wieder klopfen meine Schuhe auf den Holzboden. Dieses Mal nehme ich
es kaum wahr. Ich setze mich auf meinen Platz und lasse den Rest vom Gottesdienst über mich ergehen. Als das letzte Lied erklingt, verlasse ich zusammen mit Isabel das Gotteshaus. Ich trete in die warme Sonne auf den Rasen vor der Kapelle. Hier soll gleich das Friedenskonzert stattfinden
"Hach, Paddy hat soo schön gesungen sagt meine Freundin.  Ich nicke. "Macht er gleich ochmal." , erwidere ich und lache. Eigentlich bin ich auf der Suche nach einer Möglichkeit mein Kleid nach verräterischen Flecken unter den Achseln abzusuchen, aber ich muss Smalltalk machen. "Hallo Anabel, du hast aber toll gelesen" " Hast du gut gemacht."  "Mein grosses Lob."höre ich überall. Ich nicke und lächle dankbar.

Isabel zieht mich förmlich von den Leuten weg in Richtung Bühne. Paddy und seine Band spielen schon die ersten Takte von "ID"
"Los komm", höre ich dicht an meinem Ohr. Ich laufe hinter ihr her. Wir schaffen es in die 4. Reihe.
Von da aus genießen wir das Konzert. Wir singen laut und falsch mit und tanzen uns die Seele aus dem Leib.

Das VersprechenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt