Der Tag der Sommersonnenwende

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Elida

„Ein Kreise im Walt, mag verlocken, doch halt! Wer nicht schaut, der fällt. Tief hinab in die untere Welt."

Ein Spruch, den jeder hier kannte. Woher er kam und aus welchem Grund er in aller Munde war, konnte niemand so wirklich sagen. Feenkreise waren nichts Außergewöhnliches in Tyrob und schon gar nicht in dem kleinen Nebenort Tränenstein. Dort lebte der abergläubische Rest des tyrischen Volkes. Und eben diese wussten, was es mit diesen Feenkreisen auf sich hatte. Von Generation zu Generation wurden die Warnungen in Form von Märchen und Gedichten weitergetragen. Man solle sich vor verdächtigen Kreisen aus Pilzen oder manch auffälligen Pflanzen hüten. Denn diese bilden ein Portal zur unteren Welt. Wenn man fragt, was es damit auf sich hat, stieß man auf ratlose Mienen. Man wusste nur, dass dort andere Wesen lebten. Ähnlich, doch von Grund auf anders. Stärker, schneller, weiser und viel älter als jeder der Menschen. Über die Fae, die so vermeidlich auf der anderen Seite des Feenkreises lebten, gab es unzählige Geschichten und Lieder. In Tränenstein glaubte man noch daran, doch selbst der junge Nachwuchs dieses Volkes nahm mittlerweile, die Warnungen und Märchen der Alten nicht mehr so ernst.

Gedankenversunken kämmte Elida ihre, vom Schlaf, verknoteten Haare. Ihre Augenlider waren noch schwer und drohten ihr jede Sekunde zuzufallen. Müde rieb sie sich mit den Handflächen übers Gesicht. Vera hätte sie bestimmt gerügt. „Selber Schuld, weil du ja immer so lange aufbleiben musst." Das wären ihre Worte gewesen. Vera steigerte sich manchmal zu sehr in ihre Mutterrolle rein. Was nach 19 Jahren umsorgen, und erziehen auch ihr gutes Recht war.

Heute war Sommersonnenwende. Ein Fest, das in Tränenstein sehr groß gefeiert wird. Den ganzen Tag gibt es einen bunten Markt mit Brommbeerwein, Rhabarber-Küchlein, Nussschnitten, Käsehäppchen, Grillspießen und viele andere Leckereien. Die meisten jungen Männer des Dorfes versammeln sich meistens zum alljährlichen Baumstammringen. Bei diesem Spiel demonstrieren die Männer wie stark und ausdauernd sie doch sind. Eigentlich machen die Männer nur mit, um junge Frauen zu beeindrucken. Männer hin oder her, die Sommersonnenwende ist eines der magischsten Festtage im Jahreskreis. Das Beste an dem Tag ist Veras Beerenpunsch. Es ist eines ihrer ältesten Rezepten. Sie meint immer, wenn sie sterbe und Elida das Amt der Wirtin übernehme, gebe sie das Rezept an sie weiter. Das konnte noch lange dauern, denn Vera würde dieses Jahr erst 45 werden.

Sie wendete dem Spiegel den Rücken zu und trat zu ihrem Kasten. Dort lag ordentlich gefaltet ein Kleid. Sie hob es an sich und betrachtete es von allen Seiten. Es war reinweiß. Dies war die Farbe, die jedes jungfräuliche Mädchen am Tag der Sommersonnenwende tragen sollte. Ein lächerlicher Brauch. Sie zog ihr Nachthemd aus und ließ es achtlos auf der Sessellehne liegen. Danach zog sie das weiße Kleid über. Die Leine schmiegte sich sachte an ihren Körper und der Saum ging ihr bis zu den Knöcheln. Um die Taille des Kleides schnürte Elida das Mieder, das daneben hingelegt worden ist. Es war mit einem filigranen Blütenmuster bestickt. Die Haare ließ sie offen, so dass ihr die brünetten Strähnen über die Schultern fiel. Das war auch eine der vorgeschrieben Erscheinungsregeln einer heiratsfähigen Jungfrau.

Elida betrachtete sich noch kurz im Spiegel als es schon zaghaft an der Zimmertür klopfte. Liana, das Küchenmädchen trat ein. In der einen Hand trug sie einen Korb und in der anderen meine Wanderschuhe aus braunen Leder. „Guten Morgen Elida." , nuschelte sie „Vera meint du sollst heute für sie die Beeren aus dem Wald holen gehen.", als sie das Kleid sah machte sie eine Pause und sah mich mit großen Augen an. Elida musste schmunzeln. Liana war erst 15 und damit noch ziemlich jung und hat sie deshalb immer schon als eine Art Vorbild gesehen. Sie war ebenfalls eine Waise, das waren ihre Gemeinsamkeiten.

Elida war zu jung um sich an ihre leiblichen Eltern erinnern zu können. Man munkelte, sie sei ein Bastard und, dass ihre Mutter sie aus Panik in Veras Futtertrog gelegt habe. Niemand kannte Elidas Mutter und niemand sah wer sie in jener Nacht in den Stall gebracht hat, doch das beschämt Elida schon lange nicht mehr. Sie hat eine neue Familie gefunden. Hier in der Taverne mit Vera, ihrem Ehemann Arbor und Liana.

Als Liana merkte, dass sie gestarrt hatte, wurde sie ganz rot und begann zu stottern „Ich...ähm..wollte dir nur sagen, du sollst hinunter gehen. Dort wird dir Vera sagen, wo du die Beeren suchen sollst." schnell drückte ihr den Korb und die Schuhe in die Hände und war gleich darauf mit wehender, roter Lockenmähne verschwunden. Liana konnte schon süß sein wenn sie verlegen war. Elida zog sich die Schuhe an und machte sich auf den Weg hinunter in die Schank.

Am Fuße der Treppe angekommen ging sie den langen Gang entlang bis sie zu einer schweren Eichentür kam. Elida stieß sie mit Schwung auf und trat in die Küche. Augenblicklich vernahm ihre Nase den Geruch von gebratenem Hühnerfleisch und frischem Gemüse. Vera stand am Herd und rührte eifrig in einer der Festtagssuppen, die sie heute Abend auftischen wollte. Schon hatte sie Elida bemerkt und drehte sich schwungvoll zu ihr um. „Guten Morgen Kindchen! Heute ist ein besonderer Tag. Rate mal wer die Ehre hat die Zutaten für meinen berühmten Beerenpunsch zu holen. Du!" Rief sie ohne meine Antwort abzuwarten. Lächelnd wackelte sie auf Elida zu und drückte sie beherzt an ihren dicken Busen. Elida bekam kaum noch Luft. Nach einer Weile, die ihr wie eine Ewigkeit vorkam, wurde sie losgelassen und sie japste theatralisch nach Luft. Lachend verdrehte Vera die Augen. „Übertreibe doch nicht so. Du hattest immer schon einen Hang zur Dramatik. Dein Zukünftiger, wer auch immer er sein mag, tut mir jetzt schon leid." Jetzt war es Elida, die grinsend die Augen verdrehen musste.

Vera widmete sich wieder der köchelnden Suppe, die mittlerweile brodelte. „Die Karte, die du für die Beeren brauchst, liegt auf dem Küchentisch, sie zeigt dir wo du die Beeren findest." sie wedelte mit der Hand beiläufig in die Richtung, in der die Karte lag. "Und merke dir ich brauche Ribiseln und Preiselbeeren. Verwechsle die Ribiseln nicht mit den Heckenkirschen, die sind giftig. Ich brauche den vollen Korb bis Mittag." ratterte sie die Informationen eilig runter und zeigte beiläufig auf den Küchentisch mit der Karte. Daneben lag noch ein Pflanzenführer, mit dem sie wohl die giftigen Beeren erkennen sollte. Vera war so beschäftigt, dass sie nicht einmal den Segensspruch aussprach.

Elida packte alles in den Korb und betrat nach einer kurzen Verabschiedung den Vorhof der Taverne. Dort hackte Arbor gerade Holz und winkte ihr kurz zum Gruß bevor er verschwitzt weiterwerkte. Sie verließ den Hof und machte sich in Richtung Wald auf. Elida tauchte in den Duft von Tannennadeln und Kierfernholz ein. Sie trat immer tiefer in den Wald, bis sie die Schatten der Bäume zur Gänze verschlangen.

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*lächelt nervös in die Kamera und winkt dir zu*

Hallo meine Menschen, Hexen und Mischwesen🙆🏼‍♀️,
ich hoffe euch hat das erste Kapitel gefallen *lächelt noch nervöser und schüttet fast ihren Tee aus*!
Es geht auf jeden Fall spannend weiter. 🙀Was haltet ihr bis jetzt von Elida. Was ist euer erster Eindruck.👀
Bei Anliegen oder Beschwerden nich verzagen, einfach klagen!.....oder so ähnlich ging der Spruch!
Wie auch immer. Ich wünsche euch allen eine angenehme Woche!
Man liest sich!🧚🏻‍♀️

The Missing CrowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt