Der Krieg hat begonnen

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Den Rest des Tages schmiedeten wir beide einen Racheplan. Und als wir fertig waren, musste ich zugeben, er war genial. Ich würde mich so richtig an Damian rächen. Er würde kochen vor Wut! Aber ich würde nur daneben stehen und lachen. Der konnte was erleben.
Zu dem Zeitpunkt ahnte ich jedoch noch nicht, dass Damian seinen eigenen Plan hatte, mich zu verärgern.
Als es draußen begann dunkel zu werden, verabschiedete Jayden sich und ging ein Stockwerk weiter runter, in sein Zimmer.
Mein Vater hatte Jayden hier zwei kleine Räume zur Verfügung gestellt, nachdem seine Eltern von König Ralf's Truppen getötet wurden. Ralf war der Vater von Tristan, der im Westlichen Reich seit einigen Jahren auf dem Thron sitzt. Man munkelt sogar, dass er seinen Vater ermordet habe um an den Thron zu kommen. Seit Tristan an der Macht war, lag unser Land im Krieg mit seinem. Aber es sah schlecht aus für uns. Deshalb war mein Vater momentan auch so angespannt. Er würde ein politisches Bündnis mit König Gabriel eingehen müssen. Aber das war ein Zeichen von Schwäche. Und Vater hasste Schwäche.
Na jedenfalls hatte ich Jayden vor der Stadtmauer gefunden, als ich fünf war. Er war völlig ausgehungert und abgemagert. Und als ich ihn sah, hab ich ihn geweckt, ihn an die Hand genommen und meinem Vater vorgestellt. Vater hatte ihn empfangen und ihn akzeptiert. Wahrscheinlich hatte er sich von Jayden auch Vorteile erhofft. Informationen über Ralf. Immerhin hatte dieser Jaydens Dorf überfallen und er hatte als einziger überlebt. Oder er hoffte, dass Jayden mir als Freund und Spielgefährte diente. Was er ja bis heute tat.
Müde stand ich von meinem Lieblingsplatz auf der Fensterbank auf und blickte über die Stadt. Eine Stadt deren Königin ich einst werden sollte. Ein Leben in das ich hineingeboren war, ohne eine Wahl zu haben. Würde ich anders leben, wenn ich könnte? Ja. Ich glaube dass man freier leben konnte. Klar war das Leben als Schankwirt, Bauer, Schmied oder Soldaten hart. Aber auf den Schultern eines Wirtes lastete nicht das Wissen, irgendwann ein eigenes Land regieren zu müssen.
Ein letzter Blick in das Buch, das ich gerade las, dass stellte ich es zurück in das deckenhohe Regal. Laut meinem Vater war das Lesen eine Eigenschaft die ich von meiner Mutter geerbt hatte.
Ich seufzte leise, schnappte mir mein Nachthemd und schlich über den Flur ins Bad. Man sollte meinen eine Prinzessin besaß mindestens eine Hand voll Angestellte die sich um alles kümmerten, doch das wollte ich nicht. Schon früh hatte ich klargestellt, dass ich keine Bediensteten wollte. Ich fand es glich Sklaverei. Mein Vater und ich hatten lange diskutiert, immerhin schaffe man damit ja in gewisser Weise auch Arbeitsplätze. Letzten Endes hatte wir gemeinsam eine akzeptable Lösung gefunden. Seit dem organisierte ich mein Leben selber.
Jay und ich hatten herausgefunden, dass Damian sich neben mir eingerichtet hatte. Das hieß, ich schlief praktisch Wand an Wand mit ihm. Der Gedanke war nicht wirklich beruhigend aber wenn ich an meinen Plan dachte, waren alle Sorgen verschwunden. Was würde ich später dafür geben sein Gesicht zu sehen.
In Bad wusch ich mich und wechselte die Kleidung. Als letztes kämmte ich meine blonden Haare. Um ehrlich zu sein, fand ich sie echt schön. Meine Mutter hatte die gleichen. Blond und im Sonnenlicht wie flüssiges Gold.
Als ich das Licht in dem großen Waschsaal löschte war es draußen bereits Nacht.
Die Lichter der Stadt erloschen allmählich und alle Bürger kehrten nach einem anstrengenden Tag in ihre Häuser und zu ihren Familien zurück.
Mit einem ziemlich nicht-Prinzessin-haften Fußtritt schloss ich meine Zimmertür und fiel wenige Schritte später in mein großes Bett. Über mir war ein Fenster durch das ich den Himmel sehen konnte. Die Sterne leuchteten in dieser klaren Nacht unheimlich hell. Es würde eine kalte Nacht werden.
Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet mir, dass es gleich so weit sein musste. Gleich würde Damian ins Bett gehen. Unter mir lag Jay wahrscheinlich genauso gespannt im Bett wie ich. Doch es kam alles ein wenig anders.
Plötzlich hörte ich Schritte im Flur. Wem sie gehörten war ja wohl klar. Sie näherten sich. Schnell pustete ich die Kerze auf meinem kleinen Schrank neben dem Bett aus und lauschte.
Vor meinem Zimmer wurde es still. Der Mond erleuchtete den Raum und dann sah ich es. Mein Zimmerschlüssel war fort. Er steckte nicht wie gewöhnlich im Schloss. Bevor ich an der Tür war, hörte ich wie von außen etwas ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde. Sofort war ich hellwach, sprang aus dem Bett und rannte zur Tür.
Ich rüttelte daran, aber sie bewegte sich nicht!
"Lass mich hier raus!", befahl ich laut und riss an der Türklinke.
Von der anderen Seite drang gedämpftes Lachen zu mir durch.
"Nein Jolin. Es ist zu deinem eigenen Schutz, wir wollen ja nicht, dass du heute Nacht abhaust.", erklärte er und ich konnte mir sein eingebildetes Grinsen nur zu gut vorstellen.
"Dazu hast du kein Recht!", donnerte ich und trommelte mit den Fäusten gegen die Tür.
"Also mach sofort diese verdammte Tür auf, oder du wirst es bereuen!", drohte ich, aber er lachte nur.
"Das Recht dazu habe ich von deinem Vater. Wie du siehst bist du nicht in der Position Befehle zu erteilen, also entspann dich und geh wieder ins Bett.", sagte er. Dann hörte ich wieder Schritte. Schritte die sich entfernten.
"DAMIAN!!!", brüllte ich und schlug auf die Tür ein. "Komm sofort zurück! DAMIAN!"
Lachen antwortete mir. Kurz darauf fiel seine Zimmertüre ebenfalls ins Schloss. Okay, so wütend wie ich auch war konnte ich mir dennoch ein Grinsen nicht verkneifen. Jetzt würde meine Rache nur noch köstlicher schmecken. Langsam ging ich zum Fenster, öffnete es und blickte auf den Balkon neben mir. In Damians Zimmer ging Licht an.
Ungefähr fünf Minuten später ging es wieder aus und nochmals vier Minuten später, erschütterte ein lauter Schrei die Burg.
Augenblicklich fing ich laut an zu lachen. Unter mir hörte ich Jay ebenfalls lachen. Unsere Mission war erfolgreich gewesen.
Neben mir wurde das Licht wieder eingeschaltet und ein wütender Damian stürmte auf den Balkon. Er schüttelte sich und tanzte unkontrolliert herum.
Dann sah er mich, oder besser hörte mich lachen und seine Züge wurden wütend. Aber wegen der vielen roten Flecken die seinen Körper verunstalteten musste ich trotzdem lachen. Nicht einmal für seinen gut trainierten Oberkörper konnte ich mich begeistern.
Stattdessen prustete ich bei seinem Anblick erneut laut los und konnte mich gar nicht mehr beruhigen.
"Sehr witzig, Jolin! Wirklich!", keifte er und ich lachte wieder.
"Das... Das... ist es! In der Tat!", brachte ich nur undeutlich hervor.
Die Ameisen in Kombination mit Hagebuttenpulver hatten wirklich ganze Arbeit geleistet.
Damian würde heute Nacht noch seinen Spaß haben. So viel stand fest.
"Tja Damian! Der Krieg hat begonnen!", sagte ich, zog meine Augenbraue kurz in die Höhe und verschwand in der Dunkelheit meines Zimmers.

Das Herz der KriegerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt