Kapitel 3

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,, Ach du Scheiße! Lebt die noch?''. Ich hörte, wie sich schnelle Schritte näherten. Mein Gehör funktionierte, doch meine Augenlieder fühlten sich an wie Blei.

,,Klar lebt sie! Wir müssen sofort jemanden hohlen, der den Krankenwagen holt. Außerdem sehen die Wunden an dem Arm gar nicht gut aus. Sind das Fingernägel?''. ,,Da fuck? Ich wusste gar nicht, dass sich Mädchen prügeln''. ,,Naja. Die meisten tuen es auch nicht. Abgesehen von ihr natürlich''. ,, Julius und Alex. Ihr macht die Sache grad echt nicht besser. Holt einen Lehrer. Er soll bitte die Sanitäter oder einen Krankenwagen holen''. ,, Ok. Und was sagen wir wegen Namen?''. ,, Ich glaube sie heißt Melody''. ,, Alter. Das ist echt nicht ihr bester Tag heute. Von Frau Katolz ausgeschimpft, verprügelt...''. ,, Julius!''. ,, Ja, ja.''.

Ich hörte, wie sich mehrere Schritte entfernten. Mein Kopf war ein einziges Desaster. Ich versuchte ihn zu bewegen, doch schon bei der Kleinsten Bewegung fuhr ein stechender Schmerz durch meinen Kopf, der mir bis ins Mark ging. Eine Hand nahm meinen Kopf und hob ihn vorsichtig hoch. Eine Zweite legte sich um meine Hüfte, die versuchte meinen Oberkörper aufzurichten. Ich stöhnte und sofort stobten die beiden Hände in der Bewegung. Endlich schaffte ich es unter Schmerzen erst das eine und dann das andere Lid zu öffnen.

Ich blickte in zwei dunkelblaue Augen, die mich überrascht und zugleich besorgt anstarrten. Wie eiskaltes Wasser, das auf Feuer trifft. Nicklas saß dicht über mich gebeugt neben mir. ,, Bist du ok?'', fragte er mich und seine Augen hatten wieder dieses durchdringende Etwas. ,, Äh... nein! Nein, alles ok. Ich bin nur gestolpert.'', sagte ich sichtlich aus dem Konzept gebracht und stellte mich auf. Doch im nächsten Moment dang ein solche Schmerz durch meinen Kopf, dass mir ein Schmerzensschrei entfuhr und ich wieder zusammensackte.

Nicklas runzelte die Stirn. Vorsichtig, aber bestimmt krempelte er meinen Ärmel nach oben. ,, Und hast du dir das auch nur beim Stürzen zugezogen?'', fragte er mich. Ich sah an meinem Arm herunter und erstarrte. Zoes Fingernägel sowie die der Jugendlichen hatten tiefe Wunden hinterlassen, aus denen Blut floss. Ich musste schlucken, als ich meinen von Blut bedeckten Arm anstarrte. Wie hatten sie das überhaupt hinbekommen? War das nicht unmöglich?

Nicklas sah mich ernst an und ich erwiderte seinen Blick. ,,Was ist wirklich passiert, Melody?''. Ich schluckte einen dicken Klos in meine Hals hinunter. Ich konnte es ihm nicht sagen. Ich würde nur noch mehr Ärger mit Zoe bekommen. Und darauf konnte ich sichtlich verzichten. Aber ich wollte ihn nicht anlügen. Nicht ihn.

Plötzlich fiel mir auf, wie romantisch das hier alles doch eigentlich war. Wir zwei allein. Ich verletzt. Er der heldenhafte Prinz. Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Ich hörte mich einfach nur bescheuert an. Außerdem war ich auf keine Hilfe angewiesen. Ich konnte das schon irgendwie allein. Ich seufzte. ,, Es war ein Mädchen, dass zwei Andere aus unserer Jahrgangsstufe auf mich losgelassen hat. Aber wenn ich dir ihren Namen sage wirst du mir entweder nicht glauben und das Mädchen rächt sich an mir noch schlimmer. Oder du wirst es der Schulleiterin erzählen und die wird von dem Mädchen um den Finger gewickelt und ich wäre ebenfalls am Arsch''. Ich warf Nicklas einen bedeutungsschwangeren Blick zu, der mich darufhin verständnisvoll ansah und nickte.

Plötzlich bildete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht. ,, Das hier ist irgendwie alles ein bisschen kitschig''. Ich musste ebenfalls grinsen, obwohl sich meine Wangen leicht rosa verfärbten. ,,Denselben Gedanken hatte ich vorhin auch grad'', gab ich zu und hätte mich im selben Moment für diese Aussage am liebsten selbst georfeigt. ,,Eigentlich würde ich bei solchen Aktionen sofort davon rennen, aber diesmal muss ich wahrscheinlich dableiben'', meinte er leicht lachend und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Plötzlich schien er eine Idee zu haben. Er zog ein Tuch aus seiner Tasche .,, Für deinen Arm'', sagte er und begann vorsichtig meinen Arm abzutupfen. Ich zuckte zusammen, als er über meine Wunde strich und versuchte mir meine Schmerzen nicht anmerken zu lassen. Nicklas sah mich entschuldigend an und er gab mir das Tuch. ,,Sorry! Ich bin etwas ungeschickt bei sowas...''. Er musste lachen. Auch ich versuchte zu lachen, auch wenn das nicht gerade die einfachste Aufgabe mit meinem schmerzenden Arm und Kopf war. Ich nahm ihm das Taschentuch ab und begann selbst mit der Prozedur. Auch wenn nun meine Wunden nicht mehr brannten vermisste ich seine Berührungen. Auch fühlte ich wie groß die Enttäuschung darüber war. Seine bestimmten aber trotzdem sanften Hände, die... . Zum zweiten Mal an diesem Tag schüttelte ich meinen Kopf um diese Gedanken zu vertreiben. Wollten diese Gedanken denn niemals enden? War ich nun völlig übergeschnappt? Was war mit mir nur in letzter Zeit los? Ich blickte auf und bemerkte, dass mich Nicklas irritiert ansah. Mein Kopfschütteln musste wohl ziemlich komisch ausgesehen haben. Ich lächelte ihm schief zu und begann wieder konzentrierter als gedacht meinen Arm abzutupfen um mein puderrotes Gesicht zu verstecken. Ich hatte das drängende Bedürfnis wie noch nie zuvor im Leben meinen Kopf drei Mal gegen die nächstbeste Wand zu schlagen.

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