Kapitel 5

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Als ich am nächtsen Morgen durch lautes Klopfen an der Tür wach wurde, fuhr ich kerzengerade aus meinem Bett und schaute mich zuerst orientierungslos um. Mein Blick wanderte über die triste Ausstattung des kleinen Zimmers, den Tisch und den Stuhl, bis ich realisierte, wo ich war. Immernoch war ich im Gebäude der Kriminellen. Bevor ich den Klopfer vor meiner Tür hereinbeten konnte, öffnete sie sich schon und ein grinsender Jones steckte seinen Kopf durch den Spalt. Als er sah, dass ich noch im Bett lag, verdrehte er amüsiert die Augen.

,,Aufstehen Prinzessin, dein Schönheitsschlaf ist vorbei," flötete er, während er ohne Erlaubnis hineinkam und die Vorhänge vor dem kleinen Fenster zur Seite schob und damit grellend helles Licht in den Raum ließ. Die Hand vor die Augen haltend schaute ich ihn fragend an. ,,Cas schickt mich, er ist ziemlich sauer, dass du so spät dran bist. Die alte Dramaqueen ist schon seit drei Stunden wach," erklärte Jones mir, als er meinen fragenden Blick bemerkte.

Schmunzelnd, weil er Cas eine Dramaqueen genannt hatte, schlug ich die Bettdecke zur Seite und rollte mich aus dem unerwartet gemütlichen Bett. Die Klamotten, die ich gestern anhatte, hatte ich erst gar nicht ausgezogen und so musste ich sie nun nicht wechseln. Nicht, dass ich etwas zum Wechseln dagehabt hätte.

,,Für was sind wir denn zu spät?" Ahnungslos blickte ich zu Jones. Dieser hielt sich jedoch nicht mit langen Erklärungen auf und schubste mich stattdessen hinaus auf den unheimlich leeren Flur. ,,Jeder hier hat eine Art eigener Tagesplan. Die Frauen, die in der Küche zum Beispiel kochen, die stehen natürlich zu einer gewissen Uhrzeit auf und fangen an, das Essen zuzubereiten. Du liebe Liss," fuhr er fort, als er mit mir irgendwo in dem verwirrend großen Gebäude hinlief, ,,du wirst nicht in der Küche sein. Cas hat deine strategische Rolle erkannt und will, dass du mit den Boten und den Falks trainierst, bis du bereit bist."

In meinem Kopf schwirrten die Gedanken und ich hatte so viele Fragen, dass in mir die neue Frage aufkam, ob Jones mir diese Fragen überhaupt alle beantworten konnte. Stattdessen versuchte ich es mit der offensichtlichsten. ,,Falks? Was ist das?" Vergnügtes Lachen ertönte neben mir. ,,Nicht was, sondern wer. Die Falks sind diejenigen, die hier alles strategische machen. Sie heißen Falks, weil sie meistens im Untergrund agieren. Sie spionieren bei den richtig üblen Typen, schließen Deals mit ihnen und am Ende, wenn sie alles richtig gemacht haben, überlisten sie die bösen Typen und töten sie."

Als er meinen schockierten Blick sah, schlug Jones einen sanfteren Ton an. ,,Falks agieren nicht immer im Untergrund. Manchmal bleiben sie auch hier und knüpfen für uns neue Kontakte. Sie haben den Überblick über alles, was in dieser Stadt so passiert. Aber um ein Falk sein zu können, benötigt es viel Kenntniss und viel Übung und deshalb wirst du zuerst trainieren."

Ich wollte noch so viel weitere Fragen stellen, doch wir hatten Jones Ziel erreicht und standen in dem riesigen Trainingsraum, den ich gestern schon kurz bestaunen konnte. Nun, in hellem Tageslicht wurde mir allerdings erst klar, wie riesig dieser Raum wirklich war. Vereinzelt hingen Boxsäcke von der Decke, und es standen viele, fast schon mittelalterlich aussehende Sportgeräte überall im Raum verteilt. Und noch etwas anderes stand in dem Raum: Cas, der gerade eine Gruppe von Menschen herumkommandierte, die auf seine Befehle hin eine Reihe von Bewegungsabläufen durchspielten, die wie eine Art sonderbarer Tanz aussahen.

Sein ohnehin schon strenger Blick wurde noch dunkler, als er mich neben Jones stehen sah und unwillkürlich musste ich den Drang unterdrücken, die Augen zu verdrehen und ihn zu fragen, was eigentlich sein Problem war. Aufmunternd schubste Jones mich in seine Richtung, als er merkte, dass ich gar nicht daran dachte, mich zu bewegen. Auch auf meinen hilfesuchenden Blick hatte er kein Erbarmen, sondern winkte mir stattdessen vergnügt zu. ,,Cas kümmert sich um dich und ich hole dich nachher wieder ab. Viel Spaß!" Mit diesen Worten rauschte er davon und ließ mich alleine.

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