Fröstelnd schloss ich die schwere Metalltür meines Wohnhausblockes und zog meinen dünnen, alten Mantel, der noch meiner Mutter gehört hatte und so ziemlich das Einzige war, das mir von ihr geblieben ist, enger um mich. Es war nicht wirklich kalt und doch fror ich, als ob plötzlich ein eisiger Winter über die Stadt hereingebrochen wäre.
Meine Schritten hallten über den Asphalt, als ich mich auf den Weg machte, quer über die mit Schlaglöchern überzogene Straße, hindurch durch die dunklen, engen Gassen, in denen es nach Essensresten, Urin und diversen anderen Körperflüssigkeiten stank, vermischt mit dem süßlichen, schweren Geruch des Parfums der hier anschaffenden Frauen. Ich kannte die Frauen, die zu späterer Uhrzeit hier auftauchen würden, immer mit dem Ziel genug Kundschaft zu bekommen, damit am nächsten Tag genug Geld für eine warme Mahlzeit und die Miete der Wohnung da war. Es waren allesamt Frauen, die Kinder hatten, mit Vätern, die sich nicht kümmerten, oder Frauen mit einem kranken Familienangehörigen, Frauen, die das Geld nicht für sich selbst, sondern für Andere verdienten.
Immer, wenn ich durch diese engen Gassen lief, wurde mir auf einen Schlag bewusst, wie viel Glück ich doch eigentlich hatte, dass ich nicht eine von ihnen war. Ich mochte meine Arbeit zwar nicht, aber es ging wesentlich schlimmer und ich war dankbar, für jede einzelne Nacht, in der ich meinen Lebensunterhalt auf eine andere Weise verdienen konnte.
Mit schnellen Schritten versuchte ich mich zu beeilen und hastete durch die spärlich beleuchteten Gassen. Ich hatte keine Angst, ich kannte die Gegend und die Menschen hier, wie meine eigene Westentasche, aber ich war spät dran.
Wenige Minuten später stand ich vor dem Tanzlokal, in dem ich arbeitete. Schon von weitem konnte man das neongelbe Schild am Eingang blinken sehen, auf dem eine halbnackte Frau abgebildet war, die sich lasziv an einer Stange räkelte und der Schriftzug darunter, der Leuten, die das nicht sowieso schon wussten, verriet, dass der Name des Gebäudes "Black Betty" war. Auch wenn der Name erst Mal nicht viel hermachte und das Lokal von außen eher wie ein schäbiger alter Schuppen aussah, an dem der rostrote Putz nach all den Jahren langsam immer mehr abbröckelte, war es doch das größte und berühmteste Tanzlokal, das es in diesem Teil der Stadt gab.
Da ich zum Personal gehörte, nutzte ich nicht die massive, alte Tür, die aus schwerem Eichenholz bestand und die auf beiden Seiten von zwei muskulösen Männern bewacht wurde, sondern ging zur Hinterseite des Gebäudes, durch die Tür, die für alle da war, die nicht zum Spaß haben hierher kamen.
Die Tür führte mich in einen langen Gang, dessen Boden mit einem verwaschenen Perserteppich ausgelegt war und an dessen Wänden brav nebeneinander Tür an Tür angereiht war. Fast wirkte es schon alles ein bisschen spießig, wenn man nicht wusste, was sich hinter den Türen und Wänden verbarg.
Die Türen sahen alle gleich langweilig aus, außer, dass auf jeder Tür ein anderer Name stand. Jeder Raum war für ein anderes Mädchen, in jedem Raum wurde etwas anderes angeboten. Leise vor mich hin summend, ging ich den Gang entlang, bis ich an eine Tür kam, an der ein Namensschild hing, auf dem mit violetter Schrift "Liss" eingraviert war. Schnell öffnte ich sie und schlüpfte in meinen Raum.
Prüfend ließ ich meinen Blick umherschweifen, um festzustellen, dass alles noch genau so aussah, wie ich es das letzte Mal zurückgelassen hatte. Das Kostüm, dass ich anziehen musste, hing säuberlich gebügelt an einem Kleiderbügel an der grauen Betonwand und meine Schminkutensilien standen nach wie vor auf dem kleinen Waschbecken am anderen Ende des Zimmers. Ich hatte das kleinste Zimmer bekommen, denn mein Zimmer war ausschließlich dazu da, mich umzuziehen und für meine Shows fertig zu machen. Die einzige Ausstattung waren das Waschbecken und ein wackeliger, alter Klappstuhl, der das letzte Mal, als ich mich auf ihn setzen wollte, einfach zusammengebrochen ist.
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Takedown
Action,,Warum machst du das alles für mich?", murmelte ich und lehnte meinen Kopf nach hinten an die Wand, damit ich zu ihm hochschauen konnte. Sein Gesicht lag im Schatten und dennoch konnte ich seinen musternden Blick auf meiner Haut spüren und wie sei...