Kapitel 3

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So leise wie möglich zog ich die Tür des grauen Betonblocks auf, die mit einem gequälten Knarzen nachgab und mich eintreten ließ. Das Adrenalin hatte meinen Körper immer noch nicht verlassen und als ich die Stufen nach oben erklomm, konnte ich immer noch das Rauschen in meinen Ohren wahrnehmen.

Erst als ich die Tür zu der kleinen Wohnung hinter mir zu zog und sicher ging, dass sie auch zwei Mal abgeschlossen war, erlaubte ich es mir aufzuatmen. Ich hatte es geschafft und mir war niemand gefolgt, darauf hatte ich geachtet.

Trotzdem beschlich mich ein mulmiges Gefühl, als ich an die Situation dachte, in der ich mich bis vor wenigen Minuten noch befunden hatte. So ganz war es immer noch nicht in meinem Kopf angekommen, dass ich Schlimmeres um ein Haar nicht hätte verhindern können.

Schaudernd dachte ich an seine Hände auf meinem Körper, an Stellen, an denen sie nicht sein sollten, die nicht bestimmt waren für  die Hände eines fremden Mannes. Eigentlich wäre eine Dusche jetzt genau das Richtige, doch das Bad war immer noch besetzt und darauf, dass mein Bruder mich nackt sah, konnte ich getrost verzichten.

Seufzend stieß ich mich von der Tür ab, an die ich mich für einen Moment angelehnt hatte und begab mich in die Küche. Mein schmerzender Bauch machte sich bemerkbar, doch ich wusste, dass sich nichts essbares in den braunen Küchenschränken befinden würde, mein Ziel war der kleine Stuhl, auf dem ich mich für eine Weile ausruhen konnte.

Ich setzte mich hin und hörte auf mein Herz, das viel zu schnell pumpte und meinen Körper nicht zu Ruhe kommen lassen wollte. Unruhig schaukelte ich hin und her. Mein Kopf dröhnte und ich bildete mir ein, seltsame Geräusche zu hören, die von draußen kamen. Das Knarzen einer Dielenstufe, der Absatz eines Schuhs, der die Treppe leise hinauflief.

Verwirrt schüttelte ich den Kopf.  Kein normaler Mensch war um diese Uhrzeit noch wach, noch nicht ein Mal in diesem Haus. Konzentriert versuchte ich genauer hinzuhören. Es war alles still und als ich schon dachte, mich nur verhört zu haben, war es wieder da. Ein leises Atmen, direkt vor der Tür, für ein normales Gehör wahrscheinlich gar nicht wahrnehmbar, doch ich war geübt.

Fieberhaft überlegte ich, was ich tun könnte, um den Eindringling zu überraschen, als mein Blick auf den alten Gehstock meines Vaters fiel, der nach seinem Tod einfach hier in der Wohnung geblieben war, weil ich es nicht über mich brachte, ihn weg zu schmeißen. So leise wie möglich bewegte ich mich durch den Raum und nahm ihn in die Hand, bevor ich mich damit neben die Wohnungstür stellte, sodass man mich nicht sehen konnte, wenn man in die Wohnung kam. Wer auch immer hier rein wollte, ich würde es ihm nicht leicht machen, dachte ich grimmig.

So wartete ich eine gefühlte Ewigkeit, in der nichts passierte. Auch draußen war es jetzt wieder genauso still wie zuvor. Doch einen Moment später, durchlief ein ohrenbetäubend lauter Knall die kleine Wohnung und die Tür flog aus den Angeln, schlitterte auf dem Boden entlang und kam schließlich an dem kleinen Kleiderschrank gegenüber zum Stillstand. Geschockt starrte ich darauf und fragte mich, mit was die Eindringlinge sich gerade Zutritt verschafft hatten, denn vom Geräusch nach, hatten sie einfach eine Bombe vor der Tür platziert.

Doch ich hatte keine Zeit um länger darüber nachzudenken, denn als sich die Spitze eines schwarzen Schuhs durch den Türrahmen schob, holte ich mit dem Stock aus und ließ ihn mit aller Kraft, die ich besaß auf den Körper des Fremden niedersaußen. Ich traf, denn gleich darauf hörte man einen lauten, schmerzhaften Schrei und einen Aufprall, so als wäre jemand auf den Boden gefallen. Triumphierend lugte ich um die Ecke, um zu sehen, wen ich getroffen hatte.

Das erste, das ich sah, war ein junger Mann mit hellen, braunen Haaren, der gekrümmt auf dem Boden lag und vor sich hin wimmerte. Ich hatte ihn anscheinend am Bauch getroffen, denn schützend presste er seine Hände auf diesen. Doch das war es nicht, was meine Aufmerksamkeit erweckte. Es waren die Männer, die hinter ihm standen und die Mündung der Waffe in die ich blickte, als ich zu ihnen schaute. Versteinert blieb ich stehen und traute mich nicht, mich zu bewegen.

TakedownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt