Seit 3 Tagen waren wir nun schon unterwegs. Unser Proviant war endgültig verbraucht und wir mussten uns dringend um Nahrung kümmern, sonst würden wir bald einfach tot umfallen. Zuerst sollten wir uns jedoch einen Rastplatz suchen, an dem es halbwegs sicher ist, andernfalls würden wir die Nacht wahrscheinlich überfallen und gefressen werden. Warum wir uns überhaupt soweit herauswagen und uns der Grenze nähern fragt ihr euch? Oh, das hat nichts mit eigenem Willen zutun. Wir wurden aus allen Dörfern und Städten vertrieben, in denen wir Unterschlupf gesucht haben. Wieso? Das liegt wahrscheinlich an unserem Aussehen: Risu mit seiner dunklen Haut und ich, mit meiner unnatürlichen Haarfarbe fallen nun mal überall sofort auf, und zwar negativ! Seit drei Wochen sieht die Lage sogar noch schlimmer aus:
Wir waren ganz normal auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf oder wenigstens etwas Essbarem, als plötzlich der Verkäufer des Obststandes neben dem wir standen, meinte, er hätte Risu dabei beobachtet, einen Apfel geklaut zu haben. Ich wusste natürlich, dass das nicht stimmte, und der Mann unser Aussehen für seinen Vorteil nutzen wollte, da wir nur im äußersten Notfall klauten und wollte dem Verkäufer direkt an die Gurgel. Risu, der eindeutig Vernünftigere unter uns beiden, bedeutete mir jedoch mich zurückzuhalten, indem er mir seine Hand vor meinen Oberkörper hielt. Der Verkäufer, der anscheinend nicht auf ein vernünftiges Gespräch aus war, lief wütend um seinen eigenen Verkaufsstand herum, packte Risu unverzüglich am Kragen, schrie: "Gib mir sofort meine Ware wieder.", und stieß Risu kraftvoll zu Boden. Ich wurde stinksauer, denn ich wusste, dass Risu sich mit Leichtigkeit wehren oder wenigstens abfangen hätte können, sich jedoch nie gegen Andere auflehnte. Er wagte es ja nicht einmal, mich auch nur zu provozieren, obwohl wir beide wussten, dass er der Stärkere von uns beiden war. Ich hatte ihn selten wütend erlebt. Die wenigen Momente, in denen er wirklich aufdrehte, waren Momente, in denen ich gefährdet, verletzt oder gehänselt wurde. Auch in der jetzigen Situation setzte er sich nicht zur Wehr, selbst nicht als der Verkäufer wieder anfing ihn anzubrüllen. Jetzt fing der Mann sogar an, Risu lautstark mit Wörtern wie "Sklave" oder "Schwarzer" zu beleidigen. Ich musste mich anstrengen meine Fantasien, diesem Mann ein paar seiner Knochen zu brechen, nicht in die Tat umzusetzen. Plötzlich jedoch, drehte sich der Scheißkerl zu mir um, sagte immer noch aufgebracht: "Was wollen eine Hexe und ihr Sklave überhaupt in dieser Stadt. Fahrt zur Hölle, da wo ihr hingehört!", und warf mich, mit der exakt selben Bewegung, mit der er auch Risu zu Boden geworfen hatte, um. Die Dorfbewohner stimmten ihm lautstark zu und fingen an, ihn anzufeuern: Er solle uns, die "Diebe", verprügeln und fertig machen. Er fing tatsächlich an, mit seinem Fuß auszuholen, um mir schließlich voller Wucht in die Magengrube zu treten. Die Bürger um uns herum jubelten und freuten sich uns am Boden liegen zu sehen. Ich wollte mich gerade wehren und aufstehen. Als mir ein unbeschreiblich starker Schmerz durch den Arm fuhr. Mist, stimmt ja. Ich habe mir gestern im Wald den Arm verstaucht und jetzt wo dieser Mistkerl mir gegen den Arm getreten hat, ist der bestimmt gebrochen, dachte ich mir und genau im selbem Moment machte es auch "Knack". Das Geräusch war so laut, dass sogar Risu, der fast 2 Meter von mir entfernt am Boden lag, es gehört haben musste. Diese Vermutung bestätigte sich nur wenige Sekunden später, denn Risu erhob sich plötzlich fast unmenschlich schnell, packte den Verkäufer am Unterarm und brach ihm, als wäre nichts einfacher als das, den Knochen, der sich unter dessen Haut befand. Der Verkäufer schrie schmerzvoll auf und sah fuchsteufelswütend zu Risu. Als er diesen jedoch erblickte änderte sich seine Mimik von zornig auf ängstlich, denn dieser wirkte auf einmal nicht mehr so nett und menschlich, wie ich erschrocken feststellen musste. Er strahlte eine Aura aus, die so stark war, dass man sie sehen konnte. Sie umwaberte Risu wie dunkelgrüne Schatten. Sie umkreisten ihn und waren ihm gleichzeitig freundlich gesinnt. Er sah unglaublich bedrohlich aus. Er erinnerte stark an die Legenden, die man sich über die Wesen außerhalb des Menschenlandes erzählte. Am meisten machten mir jedoch seine Augen Angst. Als wären es nicht mehr seine Eigenen. Sie strahlten ein Dunkelgrün aus, das jedoch so verdunkelt war, das seine Augäpfel schwarz wirkten. Auf einmal veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er wirkte nun weniger sauer sondern mehr angestrengt. Seine Augen nahmen ihr ursprüngliches Dunkelbraun wieder an und seine visuell sichtbare Aura wurde immer schwächer und verschwand langsam. Er sah erschrocken zu dem gebrochenem Unterarm des Mannes und dann zu mir, wie ich zusammengetreten am Boden lag. Risu ließ von dem Mann ab, hob mich vorsichtig auf, stellte mich auf meine eigenen Beine, griff nach meiner Hand und entfernte sich so schnell wie möglich mit mir von dieser Stadt. Keiner wagte es auch nur, uns hinterher zu schauen.

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Nebula Solis
FantasiNebula Solis ist ein Menschenmädchen (oder doch nicht?) das sich zusammen mit ihrem besten Freund Risu auf eine Reise begibt. Sie wurden aus ihrem Heimatland vertrieben und suchen nach einem neuem Zuhause. Auf welche Wahrheiten sie auf dieser Reise...