Die Grenze!
Wir waren wirklich da. Nur ein paar Meter entfernt von der größten Angst der Menschen. Risu näherte sich vorsichtig dem "Grenzstein" und strich sanft über die fremdsprachigen Zeichen. Der Stein war bemoost und von Efeu umwachsen und sah uralt aus. Er schaute interessiert auf die Zeichen und drehte sich dann mit einem Funkeln in den Augen zu mir um. Ich warf ihm einen fragenden Blick zu und er sagte erstaunt: "Ich kann das lesen obwohl ich diese Zeichen noch nie zuvor gesehen hab." Ich hob überrascht die Augenbrauen und fragte ihn: "Was steht da denn?" Er drehte sich wieder zu dem Stein um und auch ich versuchte mich zu konzentrieren, konnte jedoch nichts entziffern. Er fing an laut vorzulesen: "Ab hier beginnt unser Territorium, das der Fae und der Choa. Menschen haben sich von hier fernzuhalten! Motrem, das Land des Todes." "Na toll,", sagte ich, "da haben wir uns ja genau das richtige und ungefährlichste Land von allen ausgesucht." Risu sah mich nur mit einem ernsten Blick an, da er das anscheinend nicht so mit Humor nahm. Ich wollte, wenn ich wahrscheinlich eh bald sterbe, wenigstens noch ein paarmal lachen, dachte ich und schaute mich weiter um. "Warum sollte man 'Menschen haben sich von hier fernzuhalten' in einer Sprache darauf schreiben, die eindeutig keine Menschensprache ist?" überlegte Risu laut und ich wendete meinen Blick wieder dem Stein zu. "Stimmt, das ergibt keinen Sinn." erwiderte ich nachdenklich. Risu wendete endlich seinen Blick vom Stein ab, schaute mir ernst ins Gesicht und sagte: "Das ist jetzt aber erstmal egal. Wir müssen jetzt weiter. Bald geht die Sonne unter und wir müssen uns noch einen Schlafplatz suchen." "Risu, warte doch mal kurz. Wenn wir jetzt die Grenze übertreten, dann sind wir vor nichts mehr sicher und vor allem nicht nachts, wenn man unseren Legenden Glauben schenkt. Sollten wir uns nicht lieber hier einen Platz für die Nacht suchen und morgen weitergehen?" Risu schien kurz zu überlegen und stimmte mir mit einem knappen Nicken zu. Also suchten wir uns einen Platz, packten ein paar Beeren aus, die wir beim Wandern gepflückt hatten, und begannen zu essen. Diese Nacht verzichteten wir auf ein Feuer, da wir viel zu nahe an der Grenze waren und nicht unnötig auf uns aufmerksam machen wollten. Da es dadurch die Nacht kälter werden würde, kuschelte ich mich an den sitzenden Risu, der wie immer seine Nachtwache begann. Mit der angenehmen Körperwärme fühlend, die von Risu, der wie ein Bruder für mich war, ausgestrahlt wurde schlief ich relativ schnell ein. Ich wurde wie immer nach der Hälfte der Nacht geweckt und begann meinen Teil der Nachtwache. Ich fühlte mich unwohl und beobachtet, weshalb ich versuchte etwas im tiefen Schwarz der Nacht zu erkennen, jedoch vergeblich. Also schaute ich zum Himmel, der von Sternen überseht nur so funkelte und dachte an früher:
Verängstigt und verdreckt fand ich mich unter einem herumstehenden Holzwagen wieder, auf dem ein wenig Heu gelagert war. Ich schaute mich um und versuchte irgendetwas zu erkennen, dass mir bekannt vorkam. Da war aber nichts, nichts das in mir ein Gefühl der Erinnerung hervorruf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich hierher gelangt war, wer ich war oder wo ich war. Ich kroch unter dem Holzwagen hervor, stand vorsichtig auf und fiel sofort wieder hin. Mir war unglaublich schwindelig. Ich versuchte es noch einmal, diesmal langsamer und stützte mich gleichzeitig an dem Wagen ab. Es funktionierte und ich lief weiter die Straße hinab, immer meine rechte Hand an der Hauswand um mich zu stützen. Ich sah mich um, konnte jedoch nichts außer eine Gruppe angetrunkener Männer sehen, die sich jetzt nachts nachhause schleppten. Durch ihren Zustand bemerkten sie mich wahrscheinlich auch nicht, obwohl sie nur auf der anderen Straßenseite liefen. Ich schaute mich um und hatte keine Ahnung was ich jetzt tun sollte. Also entschloss ich mich, einfach zurückzugehen, mir ein wenig Heu unter den Wagen zu legen und versuchen bis morgen früh ein wenig zu schlafen, da ich die Erschöpfung in jedem meiner Knochen fühlte. Weshalb, wusste ich nicht. Also machte ich mich auf den Weg und als es langsam anfing zu regnen versuchte ich noch schneller zu gehen, was jedoch unmöglich war. Ich kam nun durchnässt und völlig fertig am Wagen an und konnte meinen Augen nicht trauen: in den 5 Minuten in denen ich weg war, hatte sich doch tatsächlich ein anderer meinen Platz gekrallt! So nicht, dachte ich aufgebracht, nahm mir einfach ein wenig Heu und legte mich neben den Fremden. Dieser schaute mich verwundert und erschrocken an, als er jedoch erkannte, dass es nur ein kleines Mädchen in dreckigen Hosen und einem zu großen Shirt war, ließ sein Schock nach. Er wollte wahrscheinlich gerade etwas sagen, als ich ihm einfach den Rücken zuwandte und meine Augen schloss. Innerhalb weniger Sekunden war ich eingeschlafen.
Am nächsten Morgen wurde ich unsanft wachgerüttelt. Langsam öffnete ich meine Augen und erkannte den Jungen von letzter Nacht. Im Licht der Sonne erkannte ich, dass er dunkle Haut hatte. Der Arme, ich möchte gar nicht wissen was er sich deshalb schon anhören musste, dachte ich und sah nun das der Junge ein wenig ängstlich aussah. "Was ist?" fragte ich kalt. "Wir müssen so schnell wie möglich weg. Sonst werden wir noch getötet!" Er schaute erschrocken über seine Schulter hinweg in Richtung Straße, von welcher man Geräusche vernehmen konnte. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern packte er mich am Arm und zog mich unter dem Wagen hervor. Er half mir auf und rannte los. Als er jedoch merkte, dass ich nicht so schnell war wie er, kniete er sich vor mich und bedeutete mir auf seinen Rücken zu klettern. Erst schaute ich verwundert drein. Als ich jedoch wütendes Gebrüll hinter uns wahrnahm, sprang ich auf und ließ mich von ihm aus dem Dorf tragen. Als wir uns nun Stück für Stück anfreundeten, fragte er nach meinem Namen. Als ich ihm mit einem "Ich weiß es nicht" antwortete, nannte er mich Nebula Solis, mit der Begründung: "Deine Augen sind zwar grün, sehen jedoch etwas blass aus. So als wären sie von einem leichten Nebelschleier bedeckt, deswegen Nebula. Deine Haare strahlen im Licht fast so hell wie die Sonne, deswegen Solis." Dabei lächelte er mich so warmherzig an, dass ich ihn nur etwas baff anschaute. Er selbst stellte sich als Risu vor. Einen Nachnamen hatte er nicht, weil er nicht einmal genau wusste wo er überhaupt herkam oder wer seine Eltern waren.
So verbrachten wir die letzten Jahre und überlebten durch jagt und gestohlene Sachen. Das wir in den Jahren so zusammenwachsen würden, hätte ich niemals gedacht. Ich konnte mich bis heute nicht daran erinnern was vor dieser Nacht passiert war, in der ich mich selbst halb tot unter einem Heuwagen wiederfand. Ich hatte mir jedoch die letzten 6 Jahre mit Risu selbst neue Erinnerungen geschaffen. Das war mir genug. Ich musste leicht schmunzeln, als ich an unsere kleinen Abenteuer zurück dachte. Ich dachte noch Stunden darüber nach, bis ich schließlich sah, wie sich der Himmel langsam erhellte. Ich rüttelte Risu vielleicht etwas zu grob aus seinen Träumen, denn er drehte sich grummelnd auf die andere Seite. Also packte ich schonmal alles ein und machte "Frühstück", welches eigentlich nur aus ein paar Beeren, Wurzeln und anderem Essbarem bestand, was sich nun mal so in der Wildnis auftrieben ließ. Als ich fertig war, zog ich einfach Risus Decke von seinem ruhig atmendem Körper und packte sie ein. Der Faulpelz wurde nun auch endlich wach und schaute sich fragend um. "Manchmal frage ich mich echt wie du nur so fest schlafen kannst", sagte ich ein wenig genervt. "Tut mir ja leid", antwortete er mit einem gespieltem Augenkullern, woraufhin ich ihm einfach in die Seite pickste. Er sprang sofort auf, weil er unglaublich kitzelig war. Böse schaute er zu mir, weshalb ich ein wenig kichern musste. Er setzte seinen Rucksack auf und wir gingen endlich los, Richtung Grenze! Wieder standen wir vor dem Grenzstein. Ich wartete ein paar Minuten, da Risu den Stein nocheinmal genau betrachtete um vielleicht übersehene Sätze zu lesen. Nach einer gefühlten Ewigkeit drehte er sich ein wenig enttäuscht um. "Nur das selbe wie gestern. Mehr Hinweise über das, was uns da drüben erwartet-", er deutete mit einem Kopfnicken Richtung "Motrem- dem Land des Todes", "kann ich leider nicht finden." "Alles gut, uns ist ja schon mit dem zu helfen, was dort steht: Choa, Fae, Motrem. Darüber werden wir schon noch mehr erfahren." Aufmunternd lächelte ich ihm zu. Er lächelte zurück, drehte sich um und sagte: "Na dann auf nach Motrem!", und trat über die Grenze.
--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
So. ich habe das Kapitel ein wenig kürzer gehalten. Im nächsten werdet ihr erste Eindrücke von Motrem kennenlernen....
Viel Spaß beim weiterlesen ;)
Tschau, Kakao
(1450 Wörter)

DU LIEST GERADE
Nebula Solis
FantastikNebula Solis ist ein Menschenmädchen (oder doch nicht?) das sich zusammen mit ihrem besten Freund Risu auf eine Reise begibt. Sie wurden aus ihrem Heimatland vertrieben und suchen nach einem neuem Zuhause. Auf welche Wahrheiten sie auf dieser Reise...