2. Teil

31 1 0
                                    


Sie schlug die Augen auf.
Ich erstarrte. Mit Entsetzen schaute ich auf die leeren Augen des Mädchens. Sie sahen mich an. ,,Tae, Tae! Komm schon, wir müssen hier raus!", rief ich mit zitternder Stimme zu ihm. Doch Tae reagierte nicht. Er stand immer noch wie erstarrt da und schaute auf seine tote Familie. Ich überlegte nicht lange, sondern packte Tae am Arm und zog ihn mit aller Kraft hinter mir her. Nach einigen Sekunden schien er wieder zu mir zurückzukommen, denn ich musste nicht mehr ganz so viel ziehen. Wir liefen durch den Gang zur Treppe. Schnell kletterten wir die Treppe hinauf. Allerdings wären wir fast ausgerutscht und wieder hinuntergefallen. Ich konnte mich aber noch an dem rutschigen Geländer festhalten. Als wir das Deck erreicht hatten, schaute ich mich um. Schnell rannte ich zu dem Seil. Ich begann wieder hinunter zu klettern. Jedoch bemerkte ich, dass Tae mir nicht gefolgt war. Er stand unschlüssig an der Lucke. Einem Moment überlegte ich alleine hinunter zu klettern.
Doch dann rannte ich zu ihm zurück. ,,Los, komm wir müssen hier weg!", rief ich ihm zu. Ein gequälter Gesichtsausdruck war nun auf Taes Gesicht. ,,Ich kann sie doch nicht einfach hier zurücklassen." ,,Du musst, sonst passiert mit uns das Gleiche," antwortete ich. Tae stand reglos da. Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte er: ,,Lass mich zurück und geh!" Ich spürte wie Verzweiflung über mich kam, dennoch antwortete ich mit fester Stimme: ,,Niemals ,wenn du nicht gehst, bleibe ich wohl auch. Lass uns einfach hier warten, bis die Leichen aufstehen und hochkommen."
Ich konnte den Blick von Tae nicht deuten. Dennoch ging er langsam zum Seil und begann sich hinunter zu hangeln. Ich folgte ihm. Es stellte sich heraus, dass das Hinunterhangeln wenigstens einfacher war, als das hoch Hangeln.
Anschließend gingen wir wieder in den dichten Urwald.
Nach einigen Stunden wandern war ich völlig fertig. Meine Beine und meine Arme waren komplett verkratz und von Mückenstichen übersäht. Außerdem hatte ich furchtbaren Hunger und Durst. ,,Bitte, ich brauche eine Pause!". Tae drehte sich zu mir um. Er sah besorgt aus. ,,Wir brauchen Wasser", stellte er fest. ,,Ja und wie bekommen wir Wasser?", fragte ich etwas genervt. ,,Naja, wir haben mehre Möglichkeiten. Also der Boden ist feucht. Wir können ein Loch graben und hoffen, dass Wasser kommt. Allerdings dauert das eine Weile, was ungünstig ist, weil wir noch nicht viel Abstand zwischen dem Schiff und uns gebracht haben. Wir können auch weiterlaufen und hoffen, dass wir ein fließendes Gewässer finden. Oder wir warten auf Regen." ,,Das klingt alles nicht toll", stellte ich missmutig fest. Ich war zwar ziemlich verwundert, woher er das alles wusste. Aber es gab wichtigere Fragen. ,,Also ich bin dafür, dass wir graben," sagte ich nach ein paar Augenblicken. ,,Ok", antwortete Tae. Er hockte sich auf den Boden und begann den Matsch auszuheben. Wir gruben schweigend gemeinsam den Matsch aus. Es dauerte lange, bis tatsächlich Wasser hervor strömte. ,,So, jetzt noch 20 Minuten warten", erklärte Tae. Ich fragte mich zwar nach dem Grund, allerdings war es mir peinlich, zu fragen. Nach ungefähr 20 Minuten konnten wir endlich das Wasser trinken. Es schmeckte eklig und matschig, trotzdem es war besser als nichts. ,,Zu blöd, das wir keine Trinkflaschen haben. Naja, was soll's, wir müssen weiter", sagte nun Tae.
Wir waren weitere viele Stunden unterwegs. Mein Hunger wurde immer größer und dunkel wurde es auch noch. Tae blieb plötzlich stehen, ,,Wir müssen Holz suchen!" ,,Holz?", fragte ich etwas verwundert.  Bereute die dumme Frage aber gleich wieder. Ohne Feuer waren wir natürlich gefundenes Fressen, für alles, was in diesem Urwald lebte. Schnell trugen wir Holz heran und gruben ein kleines Loch. Ich beobachtete wie Tae ein hartes Holtz Stück, an ein weiches Holtz Stück rieb. Nichts passierte.
Seine Geduld verlor er ziemlich schnell. Nach ein paar Minuten schmiss er die Hölzer auf den Boden und ging. Zögernd hob ich die Hölzer wieder auf. Dann begann ich sie aneinander zu reiben. Es passierte natürlich auch nichts. Doch da fiel mein Blick auf den Boden. Feiner Sand lag auf ihm. Ich hatte mal gehört, dass Sand beim Feueranzünden helfen kann. Also verteilte ich den Sand auf der Reibefläche. Anschließend begann ich zu reiben. Erst kam ein Funken, dann begann das Holz zu glühen. Tae war wieder zurückgekommen. Er beugte sich vor und blies leicht gegen das glühende Holz. Der Stock entzündete sich. Ich ließ den Stock auf den Holzhaufen fallen, wodurch bald ein Feuer brannte.  Plötzlich fluchte Tae, ,,Ach Scheiße, wir haben die Steine vergessen!" Zugleich begann er zu suchen. Auch ich half, allerding stellte sich heraus, dass es im Halbdunkeln gar nicht so einfach war. Wir schafften es trotzdem und legten die Steine um das Feuer. Danach setzen wir uns. Lange herrschte Stille bis Tae sagte: „Danke, dass du mich nicht alleine gelassen hast." Ich schaute ihn über den Feuerschein an. Seine dunkeln Augen waren voller Schmerz und Angst. Zudem stellte ich jetzt fest, dass sein ganzes Gesicht zerkratzt war. ,,Das ist doch klar und außerdem wäre ich ohne dich sehr wahrscheinlich schon tot." Er lächelte kurz und erwiderte: ,,Sehr wahrscheinlich schon." ,,Oh, vielen Dank!", sagte ich lächelnd. Es folgte wieder ein längeres Schweigen bis er fragte: ,,Was denkst du, ist mit meiner Familie passiert?" Ich zögerte, antwortete dann aber: ,,Vielleicht haben sie sich vergiftet oder mit einer Krankheit infiziert." Tae nickte und schwieg. Ich zögerte, dann sagte ich: ,,Es tut mir furchtbar leid, was mit deiner Familie passiert ist." Er schaute mich kurz an, blickte dann aber schnell zu Boden. ,,Sie sind tot, dennoch irgendwie auch nicht", sagte Tae nun mit zitternder Stimme. Ich sah ihn an und nickte. „Deine Schwester hat die Augen geöffnet. Sie hat mich angesehen." Er schaute wieder auf. ,,Ich weiß, ich war wie gefesselt. Ein Teil von mir wollte zu ihnen, wollte sich ihnen anschließen." Ein Schauder lief mir über den Rücken. ,,Glaubst du, sie können aufstehen und suchen uns?" ,,Wie Zombies?", fragte Tae mit einem leichten Lächeln. Ich nickte. ,,Naja, kann schon sein." Nach einer weiteren Pause sagte er noch: „Ich hoffe mal nicht." Ich erwiderte nichts und spürte, dass es langsam kalt wurde. Nach einer Stunde war es richtig kalt und wir hatten wirklich Glück, das Feuer zu haben. Tae schaute mich über das Feuer hinweg an und sagte: ,,Vielleicht probierst du ein bisschen zu schlafen. Ich wecke dich dann in ein paar Stunden." Ich zögerte, doch mein ganzer Körper schrie nur so nach Schlaf, also nickte ich. Es fühlte sich so an, als wäre ich erst vor einer Sekunde eingeschlafen, als mich Tae wachrüttelte. Ich rieb mir die Augen und schaute in seine. ,,Ich dachte schon du wirst gar nicht mehr wach", sagte er amüsiert. ,,Jetzt bin ich es ja", antwortete ich verschlafen. Tae nickte und ließ sich wieder auf den Boden fallen. Er schlief sehr schnell ein. Bis der Morgen anbrach war es ziemlich gruselig. Ständig sah ich Schatten, hörte Äste knacken und komische Tierlaute. Meine größte Angst war, dass das Feuer aus ging. Doch es hielt sich, bis das Licht durch die dichten Blätter fiel.
Ich stand auf und weckte Tae, für den der Schlaf wohl auch zu kurz war. Als er einigermaßen wach war meinte er, dass wir etwas zu essen brauchen. Ich war der gleichen Meinung und blickte mich um. Mir fielen rote Beeren auf. Tae war meinem Blick gefolgt und schüttelte den Kopf. ,,Die nicht, wir wissen nicht ob die giftig sind." Ich war zwar enttäuscht, wollte mich aber auch nicht vergiften. Er ging jetzt zu einem alten Baumstamm und riss die vertrocknete Rinde ab. Es kamen weiße Maden zum Vorschein. ,,Das esse ich niemals!", sagte ich und schaute entsetzt die weißen Tiere an. Tae warf mir einen genervten Blick zu. ,,Na dann verhungere halt." Ich schaute von ihm zu den Maden und dann wieder zu ihm. Tae zögerte, ergriff eine Made und steckte sie sich in den Mund. Schon allein der Anblick brachte mich zum Würgen. Er kaute und schluckte. ,,So schlecht schmeckt es nicht, ein bisschen weich aber ansonsten." Ich schüttelte wieder den Kopf. Doch da ergriff er eine Made, nahm meine Hand und drückte sie hinein. ,,Versuch es wenigstens." Ich schaute auf die weiße Made und spürte wie mir schlecht wurde. ,,Mach die Augen zu!", forderte er mich auf. Ich blickte erst zu ihm, dann zur Made, machte aber die Augen zu. ,,So und jetzt iss sie." Ich zögerte, nahm dann aber die Made und ließ sie in meinen Mund gleiten. Ich war darauf eingestellt, sie sofort wieder auszuspucken. Nichts desto trotz hatte ich riesigen Hunger, also begann ich langsam zu kauen. Zu meinem Erstaunen schmeckte es nicht furchtbar. Nein, es schmeckte sogar ein bisschen wie Keks. Langsam schluckte ich die Made hinunter und öffnete meine Augen. ,,Und?" ,,Naja, es gibt besseres", sagte ich. Wir aßen Beide noch zwei Maden und gingen dann weiter.
Ich hatte immer noch Hunger und Durst, allerdings konnte man das nicht ändern. Nach ein paar Stunden wandern hörten wir ein Rauschen. Wir folgten dem Rauschen und kamen an einen Fluss. Das Wasser sah klar und sauber aus. Tae blickte sich um. Danach ging er ans Ufer des Flusses. Er ließ seine Hand ins Wasser. ,,Ich denke, es ist trinkbar", rief er mir zu. Ich ging hinunter und schöpfte das Wasser. Es war wohl das schönste Gefühl, als ich das kalte Flusswasser trank. Als ich nicht mehr durstig war, nahm ich das Wasser und rieb es mir ins Gesicht. Auch Tae wusch sich das Gesicht. ,,Wir sehen echt gut aus", sagte er dann lachend. Ich nickte und erwiderte: ,,Traumhaft schön!" Tae stand nun auf und schaute mich an. ,,Wir müssen weiter!" ,,Ja, vielleicht gibt es ja noch weitere Überlebende"
Er nickte und sagte ,,Vielleicht." Wir waren viele weitere Stunden unterwegs. Ich spürte wie ich am Ende meiner Kräfte war. Mein T-Shirt klebte an meiner Haut, die Beine zitterten und ich hatte riesigen Hunger. Ein Ast lag auf den Boden, doch ich übersah ihn. Im nächsten Augenblick lag ich am Boden. Tae drehte sich schnell um und beugte sich zu mir hinunter. ,,Nancy, alles ok?" Ich spürte wie die Verzweiflung immer größer wurde. Tränen rannen mir über die Wangen. ,,Nein, nichts ist ok. Wir sind hier mitten im Urwald, keine Rettung ist unterwegs. Ich kann nicht mehr laufen, bin am Verhungern und meine Eltern sind auch sehr wahrscheinlich tot oder halb tot. Wir werden vielleicht von Zombies verfolgt. Nein, nichts ist okay." „Er blickte mich ruhig an und nahm mich vorsichtig in die Arme. Eigentlich mochte ich keine Berührungen. Nicht mal meine Eltern durften mich anfassen, geschweige denn küssen. Doch bei dieser Umarmung war es anders, sie gab mir Trost.

Der Kampf ums LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt