Kapitel 4 - Aus Fremden werden Freunde

335 12 0
                                    

Der junge Mann schaut Yugi aus seinen klaren Augen an und schweigt zunächst, so als ob er nach den richtigen Worten suchen würde. Sein Blick bleibt dabei jedoch die ganze Zeit auf Yugi gerichtet. Nach einer gefühlten Ewigkeit hört der seine kraftvolle Stimme „Ich weiß nicht, wie ich heiße." In seinen Blick mischt sich Trauer „Aber ich versichere dir noch einmal, dass ich nichts Böses im Sinn habe". Der Fremde sucht die Augen des Jungen, der aber starrt weiterhin auf den Boden und beginnt kaum merklich zu zittern. Die ganze Situation ist einfach zu viel für Yugi! Die Welt vor seinen Augen beginnt, sich zu drehen. Ihm ist plötzlich übel und kalt. Der Kleine spürt noch, wie die Beine unter seinem Körper wegknicken und sieht, dass der junge Mann im selben Augenblick mit einem erschrockenen Ausdruck im Gesicht auf ihn zueilt. Die Welt vor Yugi löst sich immer mehr im Nebel auf und ist dann ganz verschwunden.

Erschöpft schlägt Yugi die Augen auf und findet sich zu seiner Verwunderung in seinem Bett liegend wieder. Er ist sorgfältig zugedeckt worden und nur das Licht des Mondes scheint durch das kleine Dachfenster herein, sodass er Schwierigkeiten hat, etwas zu erkennen. Benommen setzt er sich auf und sieht sich im Zimmer um als er einen Schatten vor seinem Bett bemerkt. Sofort stockt ihm der Atem und er sucht panisch nach dem Lichtschalter an seinem Bett. Als das Licht den Raum flutet, sieht er den jungen Mann, der etwas von ihm entfernt auf einem Stuhl sitzt und nun hochschreckt.

Yugi entfährt ein heiserer Schrei und nur einen Augenblick später wird seine Zimmertür aufgerissen und Salimon stürmt herein. „Yugi, ist alles in Ordnung?" Als er seinen Enkel blass und mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen auf seinem Bett sitzen sieht, überwindet er die letzten Schritte schnell und schließt den Jungen sanft in seine Arme. Yugi ist immer noch völlig perplex, während er weiterhin regungslos den jungen Mann auf dem Stuhl anstarrt. Dieser verharrt in seiner Position und senkt schuldbewusst den Blick. Unfähig etwas zu sagen, lauscht der Kleine den Worten seines Großvaters „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, mein Junge. Ich hörte ein Poltern aus deinem Zimmer und dann habe ich dich auf dem Boden gefunden und ins Bett gebracht." Salimon löst die Umarmung und schiebt den Jungen etwas von sich, um ihn zu betrachten. „Plötzlich hörte ich dich schreien. Was ist denn bloß mit dir, Yugi?" Der Junge starrt noch immer wie gebannt auf die sitzende Gestalt, die ihn und Salimon nun stumm ansieht. Der Ältere schaut seinen Enkel besorgt an.. „Ist alles in Ordnung, Yugi?" Kein Wort kommt über die Lippen des Jungen als er auf den Stuhl deutet und seinen Großvater dann ängstlich anschaut. Salimons Blick folgt Yugis, dann schaut er seinen Enkel noch besorgter an. „Soll ich einen Arzt rufen, mein Junge? Dir scheint es wirklich nicht gut zu gehen..." Yugi schaut seinen Opa irritiert an. Natürlich geht es mir NICHT gut, wenn da plötzlich ein Fremder in meinem Zimmer sitzt und mich anstarrt! denkt er. Dass sein Großvater SO mit ihm spricht, kann aber wohl nur eines bedeuten: er sieht den Mann nicht! Wie kann das sein?!

Plötzlich vernimmt Yugi eine leise Stimme in seinem Kopf „Nur du kannst mich sehen, denn du hast mich aus dem Milleniumspuzzle befreit." In dem Moment begegnet er dem Blick des Fremden, der ihm stumm zunickt.

„M-mir geht's gut, Großvater" versichert Yugi diesem nun „Ich war nur erschrocken, dass mir mein Kreislauf so übel mitgespielt hat und bin ehrlich gesagt sehr erschöpft" Salimon schaut seinem Enkel forschend ins Gesicht „Und deshalb schreist du wie am Spieß...?" Er zieht eine Augenbraue hoch und wirkt nicht ganz zufrieden mit der Antwort seines Enkels. Als dieser aber keine Anstalten macht, ihr Gespräch fortzusetzen, umarmt er Yugi noch einmal fest und erhebt sich dann seufzend. „Und du brauchst wirklich keinen Arzt...?" fragt er noch einmal. Yugi schüttelt den Kopf und wünscht Salimon dann eine gute Nacht. Dieser verlässt kurz darauf das Zimmer seines Enkels.

Eine ganze Weile schweigen sich der junge Mann und Yugi an, bis Yugi schließlich die Stille unterbricht. „Ich habe so viele Fragen an dich" spricht er den jungen Mann an, während er sich die Schläfen reibt. Der Fremde lächelt Yugi mit einem warmen Ausdruck in den Augen an als er entgegnet „Ich habe viel Zeit"

Es ist nun schon eine ganze Weile her, dass der namenlose Fremde in Yugis Leben aufgetaucht ist. Inzwischen hat der Junge ihm den Spitznamen Yami gegeben und er hat einiges über ihn erfahren: zum Beispiel, dass Yami der Geist eines Pharaos ist, der 5.000 Jahre lang in dem geheimnisvollen Puzzle eingeschlossen war. Seit seiner Freilassung teilen er und Yugi sich Yugis Körper und Geist. Der junge Mann lebt sozusagen in der Seele des Kleinen, denn sie sind durch das Milleniumspuzzle, das Yugi mittlerweile ständig wie ein Schmuckstück an einer Kette um den Hals trägt, miteinander verbunden. Das ist auch der Grund, weshalb nur Yugi ihn sehen und hören kann. Anfangs war ihm das sehr unheimlich und zwischendurch wollte er sogar, dass Yami wieder verschwindet, denn dieser hatte Yugis Leben ganz schön durcheinander gewirbelt durch sein Erscheinen. Keiner von Yugis Gedanken blieb Yami verborgen und umgekehrt war es so, dass der Junge auch die Gedanken des Anderen lesen konnte. Beides war dem Kleinen zunächst sehr unangenehm. Nach und nach aber gewöhnte er sich an Yamis Nähe und die beiden freundeten sich an. Sie ergänzten sich auch immer mehr: manchmal war es Yamis Mut, der Yugi dabei half, seine Schüchternheit zu überwinden. Diesem Umstand hatte Yugi es zum Beispiel auch zu verdanken, dass er neue Freunde an seiner Schule gefunden hatte. Ausgerechnet Joey! Außerdem noch Tristan und Tea! Es war unglaublich, aber durch Yamis Präsenz gab es einmal eine heftige Auseinandersetzung zwischen Yugi, Joey und Tristan, die Yugi dann- mit Yamis Unterstützung- sogar für sich entscheiden konnte. Es stellte sich heraus, dass die beiden Älteren nur neidisch auf Yugis Titel „König der Spiele" waren und sie ihn deshalb so hassten und fertig gemacht hatten. Auch erfuhr Yugi von Joey, dass sich dieser keine eigenen Karten leisten konnte, weshalb Yugi ihm welche schenkte. Nachdem sich der Kleine ihren Respekt verdient hatte, freundeten sie sich nach und nach durch das Spiel „Duel Monsters" an. Yugi brachte Joey alle Strategien bei, die er kannte und Tristan wich die ganze Zeit nicht von der Seite seines Freundes, sodass auch er sich nach und nach mit dem Kleineren anfreundete. Tea hatten die Drei bei einem Besuch in einem Café kennengelernt, wo sie in den Ferien arbeitete. Zuerst konnte sie die drei jungen Männer nicht leiden, denn sie benahmen sich manchmal wie kleine Kinder. Als sie sich aber alle besser kennenlernten, trafen sie sich regelmäßig in dem Café und bald auch außerhalb von Teas Arbeitsstelle.

Andererseits sorgte Yugi durch seine fröhliche und oft etwas kindliche Art häufig dafür, dass Yami nicht in Grübeleien über seinen richtigen Namen und seine ihm unbekannte Vergangenheit als Pharao versank.

Manchmal spürte der junge Mann eine plötzlich aufkommende Verzweiflung und Wut in sich, weil er sich an nichts erinnern konnte. Diese wurde aber durch Yugis liebevollen Umgang mit Yami dann oft direkt wieder besiegt. Außerdem mochte Yami Yugis Freunde sehr, denn sie waren inzwischen auch seine Freunde geworden. Ab und an tauschten er und Yugi die Persönlichkeit und Yami übernahm Yugis Körper, während dieser sich im Hintergrund hielt. Tea, Joey und Tristan merkten diesen Tausch immer daran, wie sich der junge Mann benahm: war er eher selbstbewusst und mutig, so war es Yami, der Yugis Körper kontrollierte. Auch seine Stimme veränderte sich je nach Persönlichkeit. Yami klang eher rau und tief. Yugi war eher schüchtern und zurückhaltend, seine Stimme viel heller und wirkte dadurch eher kindlich. Auch die Interessen der beiden Seelen in Yugis Körper waren recht unterschiedliche gelagert. Yami interessierte sich sehr für Geschichte und alte Traditionen, während Yugis Interesse eher Spielen und dem Zeichnen galt. Ihre absolute gemeinsame Schnittmenge war jedoch das Spiel Duel Monsters: hier tauschten sich Yug und Yami oft stundenlang über neue Strategien aus, überlegten gemeinsam, wie sie ihre Karten zusammenstellen könnten usw. Seine neuen Weggefährten mochten seine beiden Persönlichkeiten und deshalb hatten sie so gesehen eine Freundschaft zu Fünft. Wenn Yugi sich mit seinen Duel Monsters Karten duellierte, übernahm Yami oft. Er war der Mutige, der sich dann direkt den Gegnern stellte und Yugi strickte währenddessen unsichtbar im Hintergrund die besten Strategien und sorgte so dafür, dass die beiden die meisten Duelle gemeinsam gewannen. Auch Großvater weiß über Yami Bescheid, war es doch sein Geschenk, das diese enge Freundschaft erst ermöglichte! Anfangs hatte er sich noch große Sorgen gemacht und sich oft gefragt, ob sein Enkel vielleicht durch seine vielen schlimmen Erfahrungen in der Schule ein Trauma erlitten hatte, wenn er sich wieder so anders benahm als gewöhnlich. Nach und nach legte sich dieser Verdacht aber, denn Yugi erklärte ihm, was geschehen war, nachdem er das Puzzle gelöst hatte. Da verstand der Ältere, dass Yami dann aus seinem Enkel sprach. Oft, wenn der junge Mann mit Yugi die Persönlichkeit tauschte, unterhielten Yami und Salimon sich über das alte Ägypten. Schließlich ist das Yamis Heimat- auch wenn er über seine Vergangenheit als Pharao komischerweise kaum etwas weiß. So vergehen viele Monate, in denen vor allem Yugi und Yami immer engere Freunde werden.

Yugioh! Puzzleshipping - SeelenspiegelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt