Müde trat ich ins Haus ein und schloss erschöpft die Tür hinter mir. Ich hörte bereits Großmutters und Glindas Stimmen aus dem Wohnzimmer, was mich etwas beruhigte. Eine Tasse Tee mit den beiden würde mich von allem ablenken. Ich schlüpfte aus meiner Jacke und meinen Schuhen hinaus und betrat das nach Lavendel duftende Wohnzimmer und gesellte mich auf die weiche Couch. "Ahhh Ari mein Schatz, alles Gute nachträglich zum Geburtstag! Lass dich ansehen, du wirst mit jedem Mal hübscher, dass ich euch besuchen komme. Wie geht es dir?" Sie umarmte mich fest und drückte mir ein kleines, bunt verpacktes Päckchen in die Hand. Ich bedankte mich und öffnete es. Es war ein wunderschöner Traumfänger, welcher mit Perlen und Federn geschmückt war. "Glinda, der ist toll! Ich werde ihn gleich über meinem Bett aufhängen", freute ich mich. Sie lächelte breit. "Du hast mir ja von deinen sehr emotionalen Träumen erzählt" erklärte sie. "Da wird dir der hier sicher einen angenehmeren Schlaf bereiten." Ihr Blick viel auf meine Brust. "Schöne Kette, woher hast du die?" fragte sie mich. Ich blickte hinunter und lächelte. "Die hat Ayden mir geschenkt, mein Freund." Bei den Worten kribbelte es ein wenig in meinem Bauch, es fühlte sich gut an, ihn als meinen Freund zu bezeichnen. Glinda streckte ihre Hand danach aus. "Darf ich?" Ich nickte und sie nahm den Anhänger der Kette in ihre Hand und betrachtete ihn. "Das Auge des Tigers. Ein beschützender Stein" raunte sie. Ich nickte wieder. "Wie heißt dein Freund eigentlich mit vollem Namen?" fragte sie und nippte von ihrem Tee. "Ayden Giffard" antwortete ich und schaute sie fragend an. "Warum?" Sie winkte ab. "Reines Interesse. Also, du bist jetzt 17 und hast einen Freund! Ach Mary, sie wird ja so schnell erwachsen!" Glinda nahm einen Keks vom Tisch. Meine Großmutter seufzte. "Ach, erinnere mich bloß nicht daran" rief sie. Ich lachte. Wir quatschten noch ein wenig über dies und das, bis Glinda verkündigte, es wäre Zeit für sie, zu gehen. "Ich begleite dich nach Hause" schlug ich vor. Ich brauchte unbedingt den Rat einer sehr guten Freundin, die gleichzeitig weise und erfahren war, Glinda war also perfekt. Großmutter willigte ein und so begleitete ich Glinda.
Draußen war es dunkel geworden, der Himmel war von dunklen Wolken bedeckt und ich vergrub mein Gesicht in meinem braunen Schal. Glindas Mantel war wie immer in den buntesten Farben und verrücktesten Mustern und ich hackte mich bei ihr ein. "Erzähl schon, was liegt dir auf dem Herzen?" fragte sie. Ich atmete geräuschvoll aus. "Es geht um meine Freunde." Ich zögerte kurz. "Du hast Keira sehr geliebt, oder?" Überrascht blickte sie mich an. Ich biss mir auf die Lippe, in der Befürchtung, es war ein Fehler, sie nach ihrer verstorbenen Frau zu fragen. Doch sie wirkte keineswegs böse, im Gegenteil. Sie setzte eine sanfte Miene auf. "Ja, das habe ich. Sie war alles für mich." Für einen Moment sagte keiner von uns etwas. "Was genau hat das mit deinen Freunden zu tun?" "Ich glaube, Mel ist auch in ein Mädchen verliebt. Ich habe sie gesehen, an meinem Geburtstag. Aber sie hat mir nie etwas davon gesagt und auch nachdem ich ihr alles mit Ayden erzählt habe, hat sie nichts erwähnt. Sie weiß doch, dass sie mir vertrauen kann, ich bin ihre beste Freundin! Und Sam ist in Mel verliebt, aber sie weiß nichts davon. Und ich weiß nicht, was ich tun soll." Ich seufzte. "Jetzt weißt du alles. Bitte hilf mir!" "Oh je" erwiderte Glinda. Sie sah sehr konzentriert aus und schien nachzudenken. "Sei ehrlich zu deiner Freundin und sage ihr, dass du von ihren Gefühlen weißt. Wenn du Glück hast, merkt sie, dass sie sich nicht zu verstecken braucht und vertraut sich eurem Freund Sam an. Dann können die beiden das unter sich klären. Eure Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, so viel ist klar. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich alles zum Guten wenden wird." Wir waren inzwischen bei ihr zuhause angekommen. Dankbar drückte ich sie. "Danke, so werde ich es machen" versprach ich. "Ach und Ari, eins noch." Sie sah mir tief in die Augen. "Traue niemandem außer dir selbst. Und pass auf dich auf. Und jetzt geh schnell nach Hause." Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging. Ich stand noch einen Moment einfach so da. War das auf Mel und Sam bezogen? Sicherlich nicht, sie waren schließlich meine besten Freunde. Oder etwas auf Ayden? Ein Schauer lief mir über den Rücken. So ein Quatsch, ich kannte ihn. Sie meinte sicherlich nur meinen Rückweg, nachdem, was letztens im Wald passiert war. Ich ging im schnellen Schritt zurück, wurde dabei aber dieses merkwürdige Gefühl nicht los.
Bevor ich schlafen ging, fragte ich Mel, ob sie morgen nach der Schule noch mit mir in der Bibliothek für den anstehenden Englischtest lernen würde. Dass ich dabei auf etwas ganz anderes hinaus wollte, erwähnte ich erstmal nicht. Außerdem hing ich meinen neuen Traumfänger auf und legte meine Kette auf meinen Nachttisch. Ein Gefühl von Sicherheit und Wärme durchströmte mich. Ich kuschelte mich in mein Bett und las gespannt ein paar Seiten in Aydens Buch.
"Trapped with nowhere to turn, life is changing beyond my control, causing this deep ache in the bottom of my soul." (from "Dark Days" by Charlene Valladares)
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Sein Geheimnis
RomanceAri ist 16 Jahre alt und lebt im Norden Englands in einer Kleinstadt. Bisher bestand ihr Leben aus lesen, zur Schule gehen und sich mit ihren besten Freunden Mel und Sam zu treffen. Bis sich in der Schule der mysteriöse Ayden neben sie setzt und sie...