In der Dunkelheit

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"Wow, das ist so krass süß!" Mel umarmte mich zum gefühlt zehntem Mal. Auch Sam konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. "Glückwunsch Ari, scheinst deinen Traumprinzen also gefunden zu haben", sagte er. Wir saßen in Mels Garage, wo wir uns häufiger zu dritt trafen. Sie hatte eine kleine Bühne mit einem Mikro aufgebaut, da sie leidenschaftlich gerne (und unfassbar gut) sang. Irgendwann hatten wir das restliche Gerümpel rausgeschmissen und uns zusätzlich eine gemütliche Sitzecke eingerichtet. An Mels letztem Geburtstag hatten Sam und ich sie mit einer Popcornmaschine überrascht und ihre Eltern hatten ihr eine Karaoke Maschine und einen Mini-Kühlschrank geschenkt. Inzwischen beinhaltete die Garage so viele schöne Erinnerungen von unserer Clique und ich fühlte mich sehr wohl hier. Nachdem ich gestern vom Strand wieder kam, hatte ich direkt Mel und Sam benachrichtigt und ihnen die Neuigkeit erzählt, doch sie wollten natürlich Einzelheiten und so haben wir uns hier getroffen. Im Hintergrund lief eine Playlist mit 80er Hits, Sam sah einfach goldig in seinem flauschigen Pullover aus und erzählte begeistert, wie gut sein Schwimmtraining lief. Mel hatte ihre roten Locken zu einem Knoten zusammen gebunden, sie trug eine lockere, khakifarbene Jeans und dazu ein kariertes Hemd. Sie lachte aus ganzem Herzen über Sams Witz und ich stieg mit eins Gelächter ein. Der Anblick der beiden erwärmte mein Herz. Nach dem Kuss mit Ayden war es, als würde das Glück in mir sich von Sekunde zu Sekunde immer weiter zu verdoppeln und die Zeit mit meinen besten Freunden zu verbringen machte dies nicht weniger. "Ihr seid aber noch nicht zusammen... oder doch?" fragte Sam neugierig. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich denke nicht. Wir kennen uns ja auch erst ein paar Wochen. Aber wer weiß was noch kommt", antwortete ich und zwinkerte. "Aber pass auf dich auf, Ari", sagte Mel und ich dachte erst das wäre ein Scherz, doch sie sah völlig ernst dabei aus. "Wie meinst du das?" sagte ich leicht verwirrt. "Ayden und ich verstehen uns super, er behandelt mich gut und ich kann ihm vertrauen. Er hört mir zu und ich habe das Gefühl, ihm alles erzählen zu können!" "Ja, aber überleg doch mal", erwiderte sie ungeduldig. "Du kennst ihn noch gar nicht so lange. Wenn du von ihm erzählst, klingt alles perfekt, aber kein Mensch ist perfekt. Du warst noch nie bei ihm zuhause, weißt nicht einmal wo er wohnt. Du kennst weder seine Vergangenheit, noch seine Familie oder Freunde. Was macht er überhaupt in seiner Freizeit? Beziehungsweise, mit wem? Hast du ihn jemals schon einmal mit irgendeinem Freund oder so in der Schule gesehen? Ich nämlich noch nicht." Ein kurzer Moment der Stille trat ein und es fühlte sich an, als hätte ich einen schweren Kloß in meinem Magen. Sam sah betreten zu Boden und wich meinem Blick aus, also gab er Mel Recht. Mel schien zu merken, dass sie mich mit ihren Worten getroffen hatte und legte mir eine Hand auf die Schulter. "Tut mir leid. Ich... ich hab vielleicht ein wenig übertrieben. Was ich meine ist nur, dass..." Sie suchte verzweifelt nach den richtigen Worten und blickte sich hilfesuchend zu Sam um, welcher das Wort ergriff: "Was Mel sagen wollte ist, dass du ihn einfach noch ein bisschen besser kennenlernen solltest, bevor du dich voll und ganz auf irgend einen Typen einlässt. Natürlich freuen wir uns für dich und wollen dich auf keinen Fall davon abhalten! Wir sorgen uns doch nur", sagte er und fing an, zu grinsen. Ich fing ebenfalls an zu schmunzeln, denn ich wusste, dass er natürlich die Wahrheit sagte. Als Mel mein Lächeln sah, sah auch sie ein wenig entspannter aus und strich mir über den Kopf. "Gruppenkuscheln?" fragte Sam und grinste dabei wie ein Honigkuchenpferd. "Oh nein, bloß nicht", sagte Mel tonlos, doch Sam stürzte sich schon auf uns und wir begannen erst zu kreischen und dann zu lachen. Anschließend spielte Sam noch etwas auf Mels alter Gitarre, welche in der Ecke verweilte und wir sangen laut unsere liebsten Lieder und stopften uns dabei mit Popcorn voll.

Als ich mich spätabends auf den Weg nach Hause machte, dachte ich viel über Mels Worte nach. Sie hatte vollkommen Recht. Ayden gab mir immer ein Gefühl von Vertrautheit, aber in Wirklichkeit wusste ich nicht viel über ihn. Sollte ich ihn einfach fragen, ob ich mal zu ihm nach Hause kommen könnte? Ich könnte bis zu meinem Geburtstag warten und ihn dann darauf ansprechen, schließlich würde ich nächstes Wochenende 16 werden. Zufrieden mit meiner Idee überquerte ich die Straße und wollte schon in den Wald einbiegen, als ich zögerte. Es war schon ziemlich dunkel und meine Großmutter hatte mir verboten im Dunkeln allein durch den Wald zu gehen. Allerdings war der Weg viel kürzer als der an der Straße. Nach kurzem überlegen nahm ich mein Handy und rief Mel an. "Hey Ari, hast du was bei mir vergessen?" sagte ihre Stimme durch das Telefon. "Nein, aber es ist echt kalt und ich will schnell nach Hause, also gehe ich durch den Wald und da es schon dunkel ist dachte ich, ich ruf dich lieber an." "Achso, damit ich mitbekomme, wenn du entführt wirst oder so?" Sie lachte. "Ja genau", antwortete ich. "Oh man, warum gehst du auch jetzt noch durch diesen unheimlichen Wald. ALLEINE." Wir redeten noch weiter und ich ging weiter den Weg entlang. Plötzlich sah ich in der Ferne ein merkwürdiges Licht. "Komisch, ich glaube dahinten macht einer ein Feuer oder so", murmelte ich. "Ein Feuer mitten im Wald um diese Uhrzeit bei dieser Jahreszeit? Wie ungewöhnlich", grübelte Mel. Es wäre dumm nachzusehen, was dort ist, aber ich war schon ziemlich neugierig. Vorsichtig zwängte ich mich durchs Gebüsch, um näher heran zu kommen. "Ari, was machst du da?" hörte ich Mels verunsicherte Stimme durchs Handy. "Ich will nur kurz schauen, ob da alles okay ist", flüsterte ich. "Du bist echt verrückt, geh jetzt sofort nach Hause!", rief Mel empört. "Pssst! Wenn du nicht leise bist, leg ich auf!" Schnell machte ich die Lautstärke an meinem Handy runter. Mel verstummte und ich schob einen letzten Ast beiseite und tatsächlich: Dort waren mehrere Personen und machten ein Feuer! Es waren vier, sie standen im Kreis um das Feuer herum. Ich verengte meine Augen. Da stimmte etwas nicht mit dem Feuer... Es schien sich auszubreiten... Aber irgendwie auch nicht? Es war fast, als bildete es eine Art Form oder so, als hätte jemand eine Spur Benzin gelegt. Doch mit einem Mal brach der Ast, an welchem ich mich fest hielt mit einem lauten KNACK durch. Die Leute drehten sich abrupt zu mir um und ich duckte mich. Fiebernd überlegte ich, was ich machen sollte. Vielleicht waren es ein paar Pfadfinder oder nur ein paar Teenager, die eine Lagerfeuer machten. Doch irgendwie konnte ich mich selber nicht so richtig überzeugen. Auf einmal hörte ich, wie sich Schritte näherten und mich überrannte Panik. Was wenn es doch Verrückte waren, die mich entführen wollten? "Ist alles in Ordnung bei dir?" erklang Mels Stimme ganz leise. Ich bewegte mich keinen Millimeter und wagte es auch nicht, ihr zu antworten. Auf einmal verstummten die Schritte. Ich blickte nach oben- und sah eine Person direkt über mir, die auf mich herab blickte.

Sein GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt