Der Ausflug

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Am nächsten Morgen wachte ich mit einer unglaublich guten Laune auf. Gestern Nacht hatte Ayden mich schließlich zu einem Ausflug eingeladen und ich war schon mehr als gespannt darauf, was er wohl vor hatte. Überschwänglich schlüpfte ich in mein schwarzes Lieblingskleid und zog darüber einen dunkelgrünen Pullover. In Kombination mit einer dunklen Thermostrumpfhose und schwarzen Boots wurde mir so ganz bestimmt nicht kalt und konnte trotzdem ein schönes Outfit tragen. Meine Haare knotete ich schnell zusammen und sprintete dann die Treppe herunter, um noch schnell etwas zu frühstücken. "Ich komme heute etwas später nach Hause, ich treffe mich nach der Schule noch mit einem Freund", informierte ich meine Großeltern, welche synchron von ihren Zeitungen aufblickten. "Soso, ein Freund", grummelte mein Opa Carlos. "Hast du dich für ihn so schick gemacht?", fragte Oma Mary. Ich spürte die Hitze ihn meine Wangen schießen und wandte mich ab. "Nein, natürlich nicht. Ich muss jetzt auch los", erwiderte ich schnell. "Hab euch lieb!" Damit stürmte ich auch schon nach draußen.

Der Schultag zog sich ewig in die Länge und Mel und Sam zogen mich den ganzen Tag mit meiner Nervosität auf. Ich hatte Ayden heute noch gar nicht gesehen, was, wenn er krank war? Nein, dann hätte er mir mit Sicherheit geschrieben. Als endlich die Klingel zum Schulschluss läutete, schwang ich mir meine Tasche über die Schulter und marschierte Richtung Ausgang. Ich überlegte schon fieberhaft, wie lange ich dort warten sollte, falls er nicht auftauchen würde. Doch als mir das matte Herbstlicht ins Gesicht viel, erblickte ich ihn an einen Baum gelehnt. Er hatte ein Buch in der Hand und schien ganz gebannt darin zu lesen. "Hey", begrüßte ich ihn verlegen, als ich näher an ihn ran ging. Er blickte von seinem Buch auf ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Hallo Ari. Bereit?" Ich zuckte mit den Schultern und lächelte zurück. "Klar. Verrätst du mir jetzt, wohin es geht?" "Nun ja, du hast mir deinen magischen Ort gezeigt, also dachte ich mir, jetzt bin ich dran. Allerdings ist es ein bisschen weiter weg, wir müssen etwa eine Stunde mit dem Bus Richtung Norden fahren, ich hoffe das ist in Ordnung." Ich nickte und wir machten uns auf den Weg zur Bushaltestelle, wo wir in den Bus einstiegen. Ayden bestand darauf, mein Ticket zu zahlen. "Es ist schließlich meine Schuld, dass der Weg so lang ist. Irgendwie." Er lachte. Ich musste automatisch schmunzeln. Er hatte meist einen ernsten, beziehungsweise leicht verträumten Blick drauf, dabei war sein Lachen so schön. Er bot mir den Fensterplatz an und er setzte sich neben mich. "Also, du hast mir immer noch nicht genau gesagt, wo wir hin fahren werden", hakte ich neugierig nach. Doch mehr als ein "das siehst du noch früh genug" bekam ich leider nicht aus ihm heraus. Ich wollte so gerne mit ihm reden, doch mit einem Mal bekam ich zu spüren, dass ich letzte Nacht später als sonst schlafen gegangen bin und mir vielen die Augen zu.

Verschlafen blinzelte ich. Oh man, warum musste ich ausgerechnet jetzt einschlafen? Ich versuchte unauffällig meine Spiegelung in meinem Handybildschirm zu betrachten, als ich Aydens Stimme von der Seite hörte. "Du siehst hübsch aus, keine Sorge." Peinlich berührt steckte ich mein Handy wieder ein und überlegte, was ich sagen sollte, doch Ayden kam mir zuvor. "Wir müssen gleich aussteigen, sieh mal aus dem Fenster." Ich drehte meinen Kopf zur anderen Seite und erblickte... Das Meer! Und Strand! Sind wir tatsächlich bis zur Küste gefahren? Das hätte ich nicht erwartet, aber ich spürte die Freude in mir aufsteigen. Ich war schon viel zu lange nicht mehr am Meer gewesen. Wenige Minuten später stiegen wir aus dem Bus und die kühle Luft wehte durch mein Gesicht. Der Geruch von Salzwasser lag in der Luft und ich atmete ihn tief ein. Ayden und ich stapften eine kleine Straße entlang und schließlich führte er mich durch einen kleinen Weg, den ich normalerweise übersehen hätte, direkt zum Strand. Es war menschenleer, zu dieser Jahreszeit kamen nicht viele Leute auf die Idee zum Strand zu gehen, vor allem nicht in Nordengland. "Wenn ich einen schlechten Tag hatte, fahre ich immer hier her, auch wenn ich dafür zwei Stunden Fahrt in Kauf nehmen muss. Hier kann ich zur Ruhe kommen. Dieser Ort... entspannt mich einfach", erklärte Ayden. "Ich kann das gut verstehen. Das Meer hat etwas sehr beeindruckendes an sich. Es ist so mächtig, stürmisch, und doch..." "...so friedlich", beendete Ayden meinen Satz. Ich sah zu ihm hoch und unsere Blicke trafen sich. "Genau das wollte ich sagen", murmelte ich, gefesselt von seinen dunklen Augen und seinen rosigen Lippen. Er strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und umschloss mein Gesicht mit seinen Händen. Für einen Bruchteil einer Sekunde schien die Welt still zu stehen und unsere Blicke aneinander gebunden. Dann trafen sich unsere Lippen und ein warmes Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus. Ich verlor jegliches Zeitgefühl und hatte keine Ahnung, wie lang wir dort standen. Alles, was in meinem Kopf herum schwirrte, war er. Ayden, Ayden, Ayden. Meine Hand fuhr durch sein weiches Haar und er zog mich näher an sich heran. Schließlich vergrub ich mein Gesicht in seinem Mantel und atmete seinen Geruch ein. Hoffnungsvoll betete ich, dass dieser Moment niemals enden würde.

Sein GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt