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Harrys Tante und Onkel waren sehr nette Leute. Wirklich.
Sie gaben ihm Kleidung und Essen und er hatte sein eigenes kleines Zimmer direkt unter dem Dach. Solange er nicht in Schwierigkeiten geriet oder schlechte Noten in der Schule bekam, ließen sie ihn die meiste Zeit allein und er konnte gehen, wohin er wollte.
Dudley andererseits, nun, er spielte gern seine kleinen Spielchen mit Harry. Die meiste Zeit endeten diese 'Spiele' damit, dass Harry auf den alten Apfelbaum im Garten kletterte. Er würde dort, hoch über dem Boden, sitzen und darauf warten, dass Dudley sein Interesse verlor. Da Dudley nicht sehr sportlich war, folgte er ihm nicht in den Baum und langweilte sich und ging normalerweise nicht lange nachdem Harry auf den höchsten Ast geklettert war.

Jetzt, im Sommer, verbrachte er die meiste Zeit in der Bibliothek, da er keine Schularbeiten hatte. Manchmal, wenn seine Tante ihm ein wenig Geld gab, nahm er sein Lieblingsbuch ('Matilda' von Roald Dahl, er hatte seine Tante gebeten, es für ihn zu kaufen, als es vor zwei Sommern herauskam) und setzte sich an seinen üblichen Tisch in der örtlichen Eisdiele, aß Schokoladeneis (sein Lieblingseis) und las. Die nette alte Dame, der der Laden gehörte, setzte sich ihm dann immer gegenüber und gab ihm wenn er ging etwas von ihrer berühmten hausgemachten Limonade mit nach Hause. Und Harry lächelte sie immer an und erzählte ihr von den Büchern, die er kürzlich gelesen hatte, von der Schule oder davon, wie es seiner Tante ging. Sie liebte ihn. 'Was für ein netter junger Mann. So schlau und gut aussehend.' Würde sie immer sagen bevor sie ihm eine weitere Kugel seines Lieblingseises gab.

Doch an einem besonders warmen Tag Ende Juli wurde seine geliebte Routine plötzlich gestört. Er war gerade aus der Eisdiele nach Hause gekommen, hatte zwei Flaschen Limonade in den Händen und ein Buch (überraschenderweise nicht 'Matilda', sondern eine neue Ausgabe von 'Eine Reihe betrüblicher Ereignisse') unter dem Arm.
Als er in die Küche kam, war er überrascht, seine Tante und eine andere Dame am Küchentisch einander gegenüber sitzen zu sehen. Sie sahen beide auf, als Harry den Raum betrat. Zwei Augenpaare verweilten auf ihm und er zuckte unbehaglich zusammen, als er zum Kühlschrank ging, um die Flaschen wegzustellen.
Er war auf dem Weg zurück aus der Küche, um in sein Zimmer zurückzukehren, als seine Tante sprach:
'Harry, Schatz, komm bitte her, setz dich.' Ihre Stimme war nett und sanft wie immer, aber Harry konnte ihre Sorge hören.
'Was ist los?' Er setzte sich neben seine Tante und sah die andere Frau kritisch an.
'Sie will mit dir reden.' Sagte Petunia und schluckte. Harry kann ihr Unbehagen fühlen.
'Allein. Bitte?' Es war das erste Mal, dass Harry die Frau sprechen hörte. Ihre Stimme war glatt wie Samt und süß wie Honig und Harry fühlte sich als wäre diese Frau jemand, den er vor langer Zeit gekannt hatte.
Petunia sah Harry an, wie um zu fragen, ob das für ihn in Ordnung ist und er nickte.
'Okay. Harry, Schatz, wenn du etwas brauchst, bin ich im Garten, okay? ' Sie stand auf und wartete wieder auf Harrys Nicken, bevor sie den Raum verließ.

'Wer bist du?' war das erste, was Harry fragte, nachdem seine Tante den Raum verlassen hatte.
'Ich bin Lily. Lily Potter. ' Die Worte kamen so glatt von ihren Lippen, dass Harry im Klang ihrer Stimme hätte ertrinken können. Aber er zuckte bei dem Namen und der Art zusammen, wie sie "Potter" aussprach. Nein, er schüttelte den Kopf. Diese Frau konnte nicht seine Mutter sein. Niemals in einer Million Jahren. Sie sah so anders aus als auf den Bildern, die seine Tante ihm gezeigt hatte. Zugegeben, auf diesen Fotos war seine Mutter ein junges Mädchen gewesen, höchstens sechzehn. Aber trotzdem sie konnte es nicht sein. Nein. Sie war so anders. So anders, als er sie sich vorgestellt hatte.
'Nein.' Sagte Harry. 'Nein! Du bist nicht Lily! '
'Was meinst du 'nein'?'
'Auf keinen Fall bist du meine Mutter', sagte der Junge und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
'Und doch bin ich es!' Erwiderte Lily.
'Was willst du?' fragte er.  Diese Frau könnte niemals seine Mutter sein. Seine Mutter war tot.
'Ich möchte, dass du mit mir kommst, um deinen Vater und deine Großeltern zu treffen. Wir haben ein großes Herrenhaus, es wird dir dort gefallen, Harry.'
Harry stand abrupt auf und der Griff um das Buch in seinen Händen verstärkte sich. 'Was glaubst du wer du bist?' er schüttelte den Kopf und lachte vor Unglauben auf. Es kam so gar nicht nach dem normalerweise so netten Junge, so etwas zu tun, aber im Moment wusste er nicht was er sonst sagen könnte. 'Nein. Niemals. Du nennst dich meine Mutter, aber was weißt du über mich? Du und mein 'Vater'. Nein, ich will dich nie wieder sehen. Ihr habt mich verlassen, als ich noch ein Baby war. Was hast du gedacht, würde jetzt passieren? Dass ich sage: "Oh Mutter, wie schön, deine Bekanntschaft zu machen, natürlich werde ich mit dir kommen, um Vater zu treffen." ? Nein! Willst du wissen, was ich jetzt machen werde, Mutter? Ich werde auf mein Zimmer gehen um das Buch hier fertig zu lesen, in der Hoffnung, dass Du nicht mehr hier bist wenn ich wieder runter komme. Ich mag es hier!'

Der Junge bemerkte die Tränen, die sich in den Augen der Frau vor ihm bildeten, aber es war ihm egal. Er stürmte aus der Küche und die Treppe zu seinem Zimmer hinauf, wo er die Tür hinter sich zuschlug.
Harry ließ sich auf sein Bett sinken und vergrub sein Gesicht in einem der Kissen. Wie konnte diese Frau es wagen, seinen Tag zu ruinieren. Seine Mutter war für ihn in dem Moment gestorben, als er verstanden hatte, dass sie ihn alleine hier gelassen hatte und niemals zurückkommen würde.

'Harry?' Er hörte die Stimme seiner Tante, gefolgt von einem Klopfen auf der anderen Seite seiner Tür.
'Hmm, ja?' antwortete er, immer noch etwas mürrisch.
Seine Tante öffnete die Tür und schaute in den Raum, in dem Harry noch auf dem Bett saß.
'Lily hat das für dich auf dem Küchentisch liegen lassen, Harry.' Sie hatte sein Zimmer vollständig betreten und hielt ihm einen Umschlag hin. 'Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich dachte, du möchtest das vielleicht lesen, Harry.'
'Nein. Ich will nichts von ihr. ' Er schüttelte den Kopf und drehte seiner Tante den Rücken zu.
'Bist du sicher, Harrykins?'
'Ja bin ich. Lass mich in Ruhe, ich möchte lesen. ' Sagte Harry.
'Okay. Wenn du reden willst. Ich bin immer für dich da.' Petunia lächelte und drehte sich um, um den Raum zu verlassen. 'Oh, und heute essen wir erst um sieben zu Abend, Vernon muss länger arbeiten.' Sie schloss die Tür hinter sich und Harry hörte sie die Treppe hinuntergehen.

Was wäre wenn...? - Harry Potter AUWo Geschichten leben. Entdecke jetzt