Verrat

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Als Bilbo am nächsten Morgen aufwachte, schmerzte sein Kopf. Langsam kehrten die Erinnerungen zurück. Er hatte gestern Abend seinen Geburtstag gefeiert und dann ... was war dann passiert? Er stöhnte leise auf, fasste sich an den Kopf und öffnete die Augen. Der Hobbit erschrak fürchterlich, als er in das schlafende Gesicht von Petunia Unterberg blickte. Sie sah friedlich aus. Ihr Mund war leicht geöffnet. Ihr Atem ging sanft und gleichmäßig. Das lange rote Haar war offen, etwas zerzaust und breitete sich über das ganze Kopfkissen aus.

Sofort waren die Erinnerungen wieder da. Sie hatten sich gestern Abend die Bäuche vollgehauen und außerdem sehr viel getrunken. Dann sah Bilbo vor seinem inneren Auge, wie Dora und Lobelia aufeinander losgegangen waren. Er war rausgegangen und Petunia war zu ihm gekommen. Und dann hatten sie sich geküsst. Vor dem Eichelbaum. Vor dem Baum, der Bilbo so an Thorin erinnerte. Thorin.

Tränen traten in seine Augen. Er hatte Thorin verraten. Bilbo wusste noch alles von dem Kuss. Er wusste noch, wie er sich noch einmal gefragt hatte, wie man überhaupt küsst. Aber seine Lippen waren schneller als sein Kopf und waren ohne zu zögern mit Petunias Lippen verschmolzen. Ihre Lippen hatten nach Erdbeeren und der Eistorte geschmeckt. Sie waren sanft gewesen und der Kuss war ganz anders als bei Thorin.

Thorins Lippen waren rau aber dennoch irgendwie weich gewesen. Bilbo wusste noch, wie zärtlich und dennoch bestimmend Thorin ihn geküsst hatte. Was hätte er bloß für einen einzigen weiteren Kuss mit Thorin getan? Im Gegensatz zu Thorins Küssen, die magisch gewesen waren, bedeutete Bilbo dieser Kuss mit Petunia nichts. Es war nichts ein Fehler, ausgelöst von zu viel Alkohol und Einsamkeit.

Plötzlich fiel Bilbo etwas auf und ihm lief ein Schauer über den Rücken. Petunia und er hatten sich im Garten geküsst. Wie waren sie hereingekommen? Und vor allem, wie waren sie in sein Bett gekommen und was hatten sie getan? Bilbo schaute schnell unter die Bettdecke und vergewisserte sich, dass er noch immer dieselben Klamotten wie gestern Abend trug. Er seufzte erleichtert auf. Und trotzdem fühlte sich der Hobbit noch elend. Er stand auf und achtete dabei sorgsam darauf, dass er Petunia nicht weckte. Dann lief er ins Badezimmer, wusch sich kurz, zog sich um und ging dann in die Küche. Hamfast und Bell waren anscheinend schon aufgebrochen. Lobelia und Otho schliefen auf einem Sofa in seinem Wohnzimmer und aus Doras Gästezimmer konnte Bilbo Schnarchen vernehmen.

Er setzte Waser auf und lief dann nervös in der Küche hin und her. Bilbo war sich sicher, dass er einen Fehler gemacht hatte. Einen schrecklichen Fehler, den er nicht zurücknehmen konnte. Er hätte Petunia nie küssen sollen. Sie hätte nie hierherkommen sollen, wobei Bilbo ihr keine Schuld gab. Er gab sich selbst die Schuld. ,,Warum bin ich nicht einfach im Erebor geblieben?", fragte Bilbo sich leise. Die Antwort auf diese Frage fiel ihm sofort ein, denn er hatte schon zu oft nach ihr gesucht. Im Erebor hätte ihn alles an Thorin erinnert. Bilbo hätte dort nicht leben, ohne immer an ihn zu denken. Außerdem war er kein Zwerg. Er hatte Dis, Balin und den anderen Zwergen keine weitere Bürde auferlegen wollen, wo sie doch schon so viel verloren hatten. Aber war es nicht genauso mit Beutelsend?

Bilbo sah sich in der Küche um und er schmunzelte leicht, als er daran dachte, wie die Zwerge das gute Geschirr seiner Mutter durch die ganze Höhle geworfen hatten, nur um es dann sauber und ordentlich abgewaschen vor ihm aufzustapeln. In der Tür konnte man immer noch die Rune von Gandalf erkennen. Sie waren alle durch diese Tür gekommen, in sein Haus. Auch Thorin und er hatte so majestätisch ausgesehen. Gleichzeitig hatte er Bilbo furchtbar nervös gemacht, als er um ihn herumgeschlichen war und ihn nach seiner bevorzugten Waffe gefragt hatte. Bilbo schloss die Augen und wünschte sich, wieder in dieser Nacht zu sein. In der Nacht, in der sie sich zum ersten Mal getroffen hatten.

Plötzlich wurde ihm alles zu viel. Die vielen schönen aber dennoch traurigen Erinnerungen an Thorin, Fili, Kili und all die anderen. Das nervige laute Pfeifen des Teekessels, Petunia in seinem Bett, Dora Beutlin schnarchend in seinem Gästezimmer und die verdammten Sackheim-Beutlins - die er gestern Abend noch verachtet hatte - auf seinem Sofa. Bilbo schnappte sich seinen roten Mantel und lief hinaus in den Garten. Dort setzte er sich vor den kleinen Eichenbaum und starrte ihn mit glasigen Augen an.

Der Schatten des Ringes| BagginshieldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt