Rückkehr von Stark

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Aniana Pov:

Es waren nun schon zweiundzwanzig Tage vergangen. Zweiundzwanzig Tage seitdem wir verloren hatten. Und nun neigte sich auch dieser weitere Tag dem Ende zu, als es draußen immer dunkler wurde.

Gedankenverloren lehnte ich an der Türe zum Badezimmer und starrte aus dem Fenster. Durch die Lichter der Stadt konnte man die Sterne nicht wirklich sehen, doch der Nachthimmel war in einem tiefen, klarem dunkelblau gefärbt, dass es sich anfühlte als würde diese dunkle Tiefe mich ins Nichts mitziehen.

Steve stand im Bad vor dem Waschbecken und rasierte sich seinen Bart ab, den er sich eigentlich nur zum Untertauchen wachsen ließ. Doch ich hatte mich so sehr an ihn gewöhnt, dass es irgendwie traurig war, dass er ihn sich wieder abrasierte.

Gerade wusch er den Rasierer aus und klopfte ihn am Beckenrand ab, bevor er ihn ablegte und nach einem Handtuch griff. In dem Moment stieß auch ich mich von der Türe ab und ging auf ihn zu. Sanft löste ich das Handtuch aus seinem Griff und tupfte für ihn die letzten Reste des Rasierschaumes weg. Still musterte er mein Gesicht, während ich seinem Blick bewusst auswich.

Ausgelaugt lehnte ich mich gegen den Rand der Badezimmertheke, während der blonde sich mit seinen Hände am Rand des Waschbeckens abstützte. Nachdenklich schaute er mich von der Seite an, während ich nur auf das Handtuch in meiner Hand sah, auf welchem noch der letzte Rest des Schaumes klebte.

"Irgendwie wird mir dieser Bart fehlen." seufzte ich leise und drehte mich leicht zur Seite, um das Handtuch in den Wäschekorb zu schmeißen.

Meine Gedanken kreisten wie sonst auch nur um den letzten Kampf, wo wir alles verloren hatten.
Ich starrte einfach nur irgendwo hin, gefangen in meinen Gedanken. Erst als ich einen zärtlichen Druck an meinem Kinn spürte, kehrte ich vollkommen in die Wirklichkeit zurück.
Steve hatte zwei Finger unter mein Kinn gelegt und drehte meinen Kopf zu ihm, dass er mir direkt in die Augen sehen konnte.

"Was ist los, Aniana? Da ist doch noch mehr, als..."

"Als der Tot von der Hälfte des Universums?" beendete ich als rhetorische Frage seinen angefangenen Satz.

"Ja." hauchte er nur leise, ließ seine Hand wieder sinken und sah zurück aufs Waschbecken. Ein betretenes Schweigen legte sich über uns.

In den vergangenen drei Wochen hatten wir uns ungewollt ein wenig voneinander entfernt. Und ich musste ehrlich zugeben, dass es nicht allein daran lag, dass wir verloren hatten und uns selbst dafür schämten.
Es lag auch daran, dass ich immerzu an unser Kind denken musste, welches nun ebenfalls fort war. Und daran, dass ich ihm noch immer davon erzählen musste. Doch ich konnte es nicht. Ich hatte es nicht über mich gebracht ihm davon zu erzählen, obwohl er jedes Recht besaß davon zu wissen.

Irgendwo in mir drinnen keimte noch immer die Hoffnung auf, dass wir Thanos doch noch schlagen könnten und am Ende alle zurück bringen würden. Es war wahrscheinlich nur Wunschdenken.

Doch das momentane Verhältnis zwischen uns war grauenvoll. Es war so... befremdlich.

In der meisten Zeit traute sich keiner dem anderen richtig in die Augen zu schauen, da jeder sich selbst für das Versagen verurteilte. Und das wollte keiner in den Augen des anderen sehen, weswegen wir unbewusst Abstand hielten. Es fiel mir erst auf als es bereits zu spät war und wir uns immer mehr voneinander entfernten.
Ich würde mich ihm gerne wieder nähern, doch dann müsste ich ihm von dem Baby erzählen. Und in diesem Moment fühlte ich mich einfach nicht stark genug dafür.

"Ich frage mich... wie es wohl in meiner Galaxy zugeht. Ob dort auch..." durchbrach ich die Stille, lies den Rest des Satzes jedoch offen und fixierte einen Punkt zwischen den Fliesen am Boden.

"Wahrscheinlich sind dort auch die Hälfte aller Lebewesen verschwunden. Die Hälfte des ganzen Universums. Also auch deine Galaxy." nickte Steve zustimmend und schaute ebenfalls noch immer starr auf den Wasserhahn.  

"Das heißt, die Droiden überleben, während die Clone und Jedi verschwinden." murmelte ich leise. Ich merkte wie die Tränen heiß hochgekrochen kamen und es war unglaublich schwer diese zurück zu halten.
Was war mit meinen Freunden? Mit Obi-Wan, mit Rex und mit Akira? Hatten wir sie mit unserem Versagen ebenfalls umgebracht?

"Die Republik wird vermutlich überrannt und das nur, weil wir dieses eine Lebewesen nicht aufhalten konnten." sprach ich weiter, dabei redete ich nicht einmal gezielt mit Steve. Ich sprach einfach vor mich hin, ließ meine Gedanken laut raus, ohne genau darauf zu achten was ich da sagte.

"Wir haben sie alle enttäuscht. Wir haben alles verloren. Einfach alles! Unsere Freunde, unsere Chance auf eine Familie..." Ich stoppte mich selbst, als mir ein lauter Schluchzer entwich. Schnell schlug ich mir die Hand vor den Mund, doch es war schon zu spät. Die Tränen rollten nur so über meine Wangen.

"Aniana? Was ist mit dir? Was... Was ist los?" Besorgt stellte er sich vor mich und umschloss fürsorglich mein Gesicht mit seinen Händen. Zärtlich strich er mir mit den Daumen über die Wangen und damit auch die Tränen weg.

"Steve..." schluchzte ich leise, doch konnte ich noch immer nicht aufhören mit dem weinen. Es brach einfach alles aus mir heraus. 

"Wir schaffen das, okay? Egal was es ist, wir stehen das durch. Zusammen. Aber du musst mir sagen was los ist." Mit einem flehendem, fast schon ängstlichem Blick sah er mir direkt in die Augen.

"Hat es etwas damit zu tun, was vor der Schlacht in Wakanda passiert ist? Du hast mir noch immer nicht gesagt was mit dir war." mutmaßte er und traf sofort ins Schwarze. Trotz der momentanen befremdlichen Situation zwischen uns kannte er mich noch immer so unglaublich gut, wie es sonst keiner tat.

Schwer schluckte ich, bevor ich versuchte ein klares Wort herauszubringen. Es war immerhin auch sein Kind gewesen, er musste es endlich erfahren. Und wir würden uns hoffentlich wieder näher kommen, denn gerade jetzt brauchte ich ihn dringender als je zuvor. Außerdem war ich mir sicher, dass es ihm andersherum genauso ging und er mich ebenfalls brauchte.

"Ich... Ich war..." setzte ich also erneut an, doch unterbrach mich ein weiteres Mal selbst, als wir merkwürdige Geräusche über uns hörten. Neben uns vibrierte der kleine Spiegel, weswegen Steve ihn mit verwirrtem Gesichtsausdruck festhielt. Doch dafür bebte nun alles um uns herum. Etwas landete hier gerade, was auch ihm klar wurde, als wir einen wissenden Blick austauschten.

Schnell wischte ich mir übers Gesicht und entfernte die letzten Tränen, während Steve sich einen Pulli schnappte, den er im Laufen überzog, da er bis jetzt nur ein weißes Unterhemd trug.

Während wir hinaus auf den Rasen des Avengers Hauptquartier rannten, schlossen sich uns auch Natasha, Rhodey, Bruce und Rocket an. Auch Teyla lief mit uns, da sie sich glücklicherweise nicht aufgelöst hatte und seit einigen Tagen nun bei uns wohnte.

Pepper stand bereits im Freien und starrte mit hoffnungsvollem Blick nach oben in den Himmel. Sie hoffte auf Tony, da wir seinen bisherigen Standort nicht kannten und auch keine Ahnung hatten ob er überhaupt noch am Leben war.

Am dunklen Nachthimmel schwebte ein Raumschiff, das von einem hellgleisendem Licht unter dem Rumpf vorsichtig auf dem Boden abgesetzt wurde.

Die Helligkeit verblasste langsam und dieses Licht verwandelte sich in eine fremde, blondhaarige Frau. Auch Steve neben mir sah diese irritiert und verständnislos an, doch als die Rampe des Raumschiffes ausfuhr und Tony mit einer blauhäutigen Frau ausstieg, bewegte der blonde Soldat sich neben mir und rannte auf den braunhaarigen zu.

Pepper neben uns seufzte erleichtert aus und lief ebenfalls auf die beiden Männer zu, die sich augenscheinlich unterhielten. Auch Rocket ging zum Raumschiff, setzte sich jedoch zur blaue Frau.

Wir anderen blieben wie angewurzelt stehen.
Tony war nicht weg.

Nach den vergangenen drei Wochen ohne ein Lebenszeichen von ihm waren die Hoffnungen auf sein Überleben massiv geschrumpft. Es war ein Lichtblick, wenn auch nur ein kleiner.
Immerhin einen Freund den wir nicht verloren hatten.




Decisions (Steve Rogers FF / Band 3)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt