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Emma lag in ihrem Bett. In der Nacht ist sie noch nach Hause gelaufen. Die alte Hexe hatte sich darüber natürlich beschwert, aber sie konnte an der Entscheidung auch nichts ändern. Sie lag wach im Bett. So viele Gedanken schwirrten in ihrem Kopf umher. Sie war also eine Auserwählte? Wer waren wohl die andere? Wie würden sie sich finden? Wann würden sie sich finden? Würden sie sich überhaupt finden? Der Wolf also. Einer fehlte. Warum? Ihrer war nach viel gehampel bei der Hexe geblieben. Sie würde auf jeden Fall am nächsten Morgen, nach der Arbeit, zu ihr zurück gehen. Und dann würden sich all ihre Fragen hoffentlich noch klären.


Die ersten Sonnenstrahlen schienen durch die Risse in den Brettern. Emma öffnete eins der Fenster. Es war schon etwas kühl. Die ersten Blätter fielen von den Bäumen runter, auf den feucht nassen Boden. Ein bisschen Nebel flog noch umher. Das Gras klitzerte, sobald es von den Sonnenstrahlen erfasst wurde. Wenn Emma ausatmete, konnte sie ihren Atem sehen. Beim einatmen drang die kühle Luft in ihre Lungen und stach etwas. Sie schloss das Fenster wieder. Es war kalt und sie musste sich fertig machen. Sie würde heute die Betten der Prinzessin machen müssen. Sie zog schnell ein paar Kleidungsstücke an und nahm einen Korb mit. Heute müsste sie sicher wieder einkaufen. Sie lief los und dachte weiter über alles nach. Sie musste besonders an den Wolf denken. Wo war er nur?


Im Zimmer der Prinzessin war es ganz still. Nur ein paar Mägde tuschelten aufgeregt. Emma lief zur Zimmertür, da hörte sie etwas von den tuschelnden Mägden: "Vielleicht ja wegen ihres Vaters. So jung und schon Vaterlos, das kann einen schnell mitnehmen. Aber was wenn sie jetzt auch noch stirbt? Der Prinz ist verschwunden, die anderen Kinder tot oder im Ausland verheiratet. Wie soll das werden, wenn sie auch tot ist? Dann regiert ja keiner mehr." Emma öffnete schnell die Tür und lief in das große Zimmer. Da lag sie, schwer Atmens und ganz rot. Emma rannte zum Bett und fasste schnell an ihre Stirn. Glühend heiß. Wie kam es dazu. Vor einem Tag ging es ihr doch noch so gut. "Wurde schon ein Medikus hergeholt?", rief Emma nach draußen. Eine der Mägde, eine dünne blonde, kam in an die Tür. "Ja, er hat ihr auch die Ader abgelassen."
"Die Ader? Er hat ihr Blut weggenommen!?" Emma war Fassungslos, so konnte das einfach nichts werden. "Ich bin hier die Befugte über sie. So lange der König nicht da ist und die Mutter tot, habe ich das sagen, auch wenn ich nur eine Magd bin. Ich brauche ein Pferd, sofort."
"Aber der Medikus kümmert sich doch schon um sie."
"Ich sagte sofort! Sie stirbt uns wegen diesem Nichtsnutz gerade weg! Also macht schon!"


"Du musst sofort mit kommen. Die Prinzessin, sie ist-"
"Emma, du bist ja ganz aufgeregt."
"Ja, jetzt lass mich ausreden, die Prinzessin ist am sterben, du musst sofort mitkommen. Der Medikus hat sie an die Ader gelassen." Die Hexe sah sie schockiert an. Sofort ging sie in ihr Haus, sammelte Kräutet, Flaschen und alles was sie finden konnte zusammen und steckte alles in eine Tasche. Der Wolf war auch schon bei Emma neben dem Pferd. Die alte Hexe stieg sofort zu ihr auf das große Tier. Sobald sie fest im Sattel war, ritten sie so schnell es ging zurück zum Schloss. Der Wolf rannte voller Freude hinterher. Erst jetzt bemerkte Emma, wie schön sein Fell aussah. Silber, wunderschön, so wie Silber. Auf dem Pferd dauerte es nicht so lange. Viele erschraken sich bei dem sausenden Pferd und den hinterher rennenden Wolf. Emma hatte schon ganz vergessen wie alle auf ihn reagieren würden, aber dazu hatte sie jetzt keine Zeit. Die Wachen wollten sie schon aufhalten, aber sie waren zu schnell. Sie sprangen im Hof vom Pferd und rannten zum Zimmer, der Wolf folgte ihnen. Die Wachen waren schon an ihre Fersen geheftet. Sie konnten doch keinen Wolf einfach rum rennen lassen. Im Zimmer hatten sich der Wolf ans Bett gelegt, die beiden Frauen untersuchten das Mädchen. "Das sieht mir nicht nach etwas natürlichem aus", sagte die alte Hexe. "Was meinst du damit?"
"Das sieht mir nach einem gefolterten Seelentier aus. Wir hatten das selbe mit jemandem aus unserer Truppe."
"Wie das?"
"Es gab eine Art Überfall. Dabei wurde der Bär von ihr entführt. Sie hatten ihn zum Spaß an einen Baum gebunden und es lustig gefunden die Hunde auf ihn zu hetzen. Wenn sie Wut in sich hatten, dann haben sie sie an ihm ausgelassen. Es war schrecklich. Es war auch noch ausgerechnet von einer Blutzauberin. Sie hat den Schmerz noch Intensiver wahr genommen, als es bei uns anderen der Fall gewesen wäre. Sie hat schrecklich gelitten."
"Und wie habt ihr sie wieder in Ordnung gebracht?"
"Wir haben ihren Bären befreit und verarztet."
"Das heißt, dass wir ihr Seelentier finden müssen. Aber was hat sie denn für eins? Wie finden wir das raus?"
"Sie hat einen Wolf."
"Woher weißt du das?"
"Im normal Fall haben nur Blutzauberer ein Seelentier. Durch ihre Kraft können sie sich mit anderen Wesen, die Blut im Körper haben, verbinden. Sie ist nicht mal eine normale Zauberin. Sie hat braune Haare. Braune Haare heißt, dass sie keine Kräfte haben kann."
"Dass heißt, wir haben die erste Auserwählte gefunden?"
"Ja. Und das Rätsel mit dem fehlenden Wolf wird dann auch gelüftet."
"Komm, wir müssen ihn finden vielleicht kann der andere den fehlenden Wolf finden."
"Hat sie noch keinen Namen?" Emma wollte gerade los laufen, blieb dann bei der Frage aber abrubbt stehen. "Nein. Sollte er?"
"Sie. Es ist eine sie. Du solltest ihr einen Namen geben. Ihr gehört schließlich zusammen." Emma überlegte. Was würde zu einem Silbernen Wolf passen? Sternenschnuppe oder so was vielleicht? "Wie wäre es mit Adelheid? Von edlem Gemüt oder Wesen heißt das glaube ich." Die Hexe nickte. "Ja, das hört sich gut an." Emma lief sofort wieder los, Adelheid direkt hinter ihr. Aber bevor sie aus der Tür konnte, kamen ein paar Wachen. Sie hatten ihre Schwerter gezogen und sahen sich suchend um. Dann fanden sie offensichtlich, was sie suchten. "Da! Da ist der Wolf! Tötet ihn!", schrie einer der Männer. Emma stellte sich schnell vor ihn. "Stopp!", schrie sie ihnen entgegen und breitete ihre Arme aus so weit sie konnte. "Das ist kein Wolf."
"Achja? Was dann?", fragte einer der Männer. "Ein Hund."
"Ein Hund?"
"Ja, ein Hund. Guckt doch nur wie lieb sie ist. Kann das denn wirklich ein Wolf sein?" Die Männer sahen Adelheid an. Sie hechelte und ließ sich freudig von Emma streicheln, während sie an der Frau lehnte. Sie sah glücklich zu ihr nach oben. "Wie ein Wolf verhält der sich wirklich nicht. Der vom Burghof, der verhält sich da eher so." Emma sah bei seiner letzten Aussage schockiert zu ihm. "Was sagten Sie gerade?"
"Draußen beim Burghof ist ein Wolf. So ein komischer Grauer. Ist ganz wild und versucht alle zu attackieren. Ist seit gestern da. Ist schon komplett verletzt, aber immer noch ganz wild."
"Wo genau? Der Burghof, also?"
"Ja, aber geht da besser nicht hin. Der ist richtig gefährlich. Da wird der Schmuser da sicher zu seinem Frühstück."
"Ja. Danke für die Warnung", sagte Emma freundlich und verbeugte sich leicht. Dann lief sie an den Männern vorbei. Sie stoppte nochmal. "Könnten sie die Frau bitte in Ruhe arbeiten lassen. Sie kümmert sich um die Pflege der Prinzessin. Nicht dass irgendwer rein kommt, während die Prinzessin gerade gewaschen wird", sagte sie zu den Männern, mit nach hinten gedrehtem Kopf, um sie ansehen zu können. Sie stellten sich gerade hin und sagten: "Aber natürlich. Wir werden aufpassen, dass niemand einfach rein geht."
"Bitte auch nicht der Medikus. Sie hatte heute zu viel Blut wegen ihm verloren. Sie sollte im Moment einfach nur Ruhe bekommen."
"Verstanden."
"Danke." Damit ging Emma schnell aus der Burg. Sie musste jetzt dringend zum Burghof, um den Wolf zu retten, bevor es noch zu spät war.

HexenzauberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt