Fluchtreflex

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[Disclaimer: Eventuell wird der OneShot bei Gelegenheit überarbeitet und noch einmal neu hochgeladen, da er mir nicht mehr wirklich gefällt. Aber bis dahin viel Spaß mit der alten Fassung!]


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POV Yvonne:

Mit eiligen Schritten ging ich durch den Park. Noch vor wenigen Minuten war ich zusammen mit meinen Freunden in einem Eiscafé um die Ecke gewesen und hatte die letzten warmen Tage des Sommers genossen, doch jetzt musste ich mich beeilen, wenn ich pünktlich zu Hause sein wollte. Daher bemerkte ich das andere Mädchen erst, als es zu spät war. Wir liefen ineinander und sie fiel zu Boden. "Shit, sorry!", rief ich. "Ich hoffe, du hast dir nicht wehgetan?" Ich wollte ihr aufhelfen, doch sie war bereits wieder auf den Beinen. Braun traf auf Blau und mir fuhr ein leichter Schauer über den Rücken. So schöne Augen hatte ich noch nie gesehen. "Hast du dir wehgetan?", als ich meine Frage erneut stellte, klang meine Stimme belegt. Das andere Mädchen, welches vollkommen schwarz angezogen war, schüttelte erschrocken den Kopf. Dann rannte es ohne ein weiteres Wort davon.

Zwei Tage später traf ich sie wieder. Dieses Mal stand sie zusammen mit einem Jungen vor mir in der Schlange an der Theke des Eiscafés. Als sie sich zu mir umdrehte, lächelte ich und grüße sie, doch von ihr kam keine Antwort. "Wer war das denn?" Meine beste Freundin Jeanette guckte dem fremden Mädchen irritiert hinterher. "Ich habe sie neulich im Park umgerannt und ich weiß nicht... irgendwie..." Ich brach ab. "Du magst sie!" Über Jeanettes Gesicht huschte ein Lächeln. Seit ich ihr erzählt hatte, dass ich bisexuell war, versuchte sie ständig mich zu verkuppeln. "Ach sei still!" Ich schubste sie leicht von mir weg, doch tief in mir drin wusste ich, dass sie vielleicht gar nicht so falschlag. Irgendwie ging mir das andere Mädchen nicht mehr aus dem Kopf.

Eine weitere Woche später saß ich an einer ruhigen Stelle im Park auf einer kleinen Mauer und schrieb an einem Song. Ich liebte Musik, seit ich klein war und träumte davon, irgendwann einmal mein eigenes Album zu veröffentlichen.

"Show me all your weaknesses
and put away your fear,
you don't have to worry
as long as I am here!"

Ich sang die Zeilen leise vor mich hin, auch wenn ich noch nicht wirklich zufrieden damit war. Außerdem war ich mir wieder einmal nicht sicher, ob das, was ich mir da ausdachte, grammatikalisch überhaupt Sinn ergab, aber Englisch war einfach die Sprache, in der ich singen wollte. Das Knacken eines Astes riss mich aus meinen Gedanken. Da stand das Mädchen wieder, die schwarzen schulterlangen Haare zerzaust und mit Kopfhörern in den Ohren. Ich spürte ein Kribbeln in meinem Bauch. Krass, ich dachte immer, so etwas gibt es nur in Liebesromanen. Aufmerksam beobachtete ich, wie die Fremde ihre Hände tief in den Taschen ihrer weiten Jeansjacke vergrub und nervös meinem Blick auswich. "Hey, wolltest du hier auch sitzen?" Ich lächelte freundlich und rückt ein Stück zur Seite. Vorsichtig ließ sich auch die andere auf der Mauer nieder, wirkte allerdings so, als würde sie jede Sekunde wieder weglaufen wollen. Ich entschied mich dazu, ihr erst einmal Zeit zu lassen und konzentrierte mich wieder auf meinen Songtext. Die Melodie gefiel mir noch nicht ganz, weshalb ich wieder leise begann zu singen. Ich versank völlig in meiner Arbeit und merkte gar nicht, wie die Zeit verstrich. Irgendwann blieb mein Blick wieder an der Fremden hängen. Mittlerweile hatte sie sich entspannt, ihre Augen waren geschlossen und ihr Kopf nickte langsam zum Takt der Musik aus ihren Kopfhörern. "Darf ich auch mal?", fragte ich und deutete auf ihre Kopfhörer. Sie öffnete die Augen und reichte mir wortlos einen davon. Dann rückte sie ein Stück näher an mich heran.

"I don't want to miss one smile
and I don't want to miss one kiss
and I just want to be with you
right here with you, just like this!"

Ich lächelte leicht, der Song lief im Moment zwar im Radio rauf und runter, doch ich mochte ihn sehr gerne. Fast so gerne wie dieses Mädchen neben mir, von dem ich immer noch überhaupt nichts wusste. "Ich bin übrigens Yvonne, sagte ich, aber du kannst gerne Yve sagen." Das Lächeln, welches bis eben noch das Gesicht des anderen Mädchens geziert hatte, verschwand. Plötzlich hatte sie es sehr eilig. Sie nahm mir den Kopfhörer wieder weg, sprang auf und lief davon, ehe ich richtig realisieren konnte, was los war. "Warte!", rief ich ihr nach. "Was hab ich falsch gemacht?" Doch da war sie schon hinter der nächsten Kurve verschwunden.

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