Der erste Blick

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Ein ungutes Gefühl, das Linn die Luft förmlich abschnürte, breitete sich aus. Das Schloss, das mit jedem Schritt zu wachsen schien, ließ ihren Fehler nur noch deutlicher werden. Nicht nur musste sie einen Adligen gegenübertreten, nein auch musste sie einen Brief überbringen, dessen eigentliche Überbringerin nicht seltsamer hätte sein können. Doch half mittlerweile auch der letzte widerspenstige Gedanke nichts. Schließlich konnte sie nicht wieder wegrennen, nun da sie vor den Wachen stand. Die Lunee hatte sie ebenfalls bereits angenommen.

„Dein Begehr?", so fragte einer der Wachen mit tiefer Stimme. „N-nn-nun, ich ähm.", so begann sie mit zitternder Stimme zu reden, „Ich muss das dem König überbringen." und hielt den Brief mit zitternden Händen vor sich. Die Wachen beäugten Linn. Sie schien vor Nervosität zusammen zu brechen. Ihr simples Dasein als Ridikül mag ebenfalls dazu beigetragen haben, dass sie von den Wachen als harmlos eingeschätzt wurde. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu wechseln, wurde das Tor geöffnet, welches lediglich zum Vorgarten führte. Linn verblieb kein Wort. Was sie erblickte war ein riesiges Grundstück, welches nur so vor Wachen und prachtvollen Verzierungen wimmelte. Doch die Zeit, die es brauchte, solch Eindrücke zu verarbeiten wurden ihr nicht gewehrt. Das Tor, dessen Größe unbeschreiblich zu sein schien, befand sich nun vor ihr. Der Eingang zu einem Schloss, dass groß genug wäre, um ein Universum aufzubewahren. Noch nervöser als zuvor vermochte sie nun nicht einmal ein leises Quicken von sich zu geben. Das Einzige was ihr gelang um zu symbolisieren, dass sie hindurch wollte, war das Vorzeigen des Briefes und ein Nicken als man sie fragte, ob sie etwas überliefern müsse. „Eine Ridiküle hat man hier nun wieder auch nicht alle Tage. Kein Wunder, dass du so nervös bist Kleine.", vermerkte einer der Wachen. „Ach was,", fing ein anderer an zu schnauben, „die soll sich mal nicht so anstellen. Eine ihrer Art wird doch von keinem beachtet, schließlich sind Ridiküle nicht einmal wenn sie wollten gefährlich." Es ist wahr, sie könnte nichts tun, doch trotzdem verletzten sie diese Worte. Eine wie sie war weder sehr agil, noch konnte sie zaubern. Doch solche Sprüche ist man gewöhnt. Ohne den Wachen weiter Beachtung zu schenken, konzentriert nicht jeden Moment zusammen zu brechen und von der prachtvollen Inneneinrichtung des Schlosses überwältigt wurde sie von einer Magd zum Audienzsaal geleitet. In diesem befanden sich bereits zwei Adlige, doch war vom König keine Spur. Man setzte Linn gegenüber der zwei bereits anwesenden Adligen, an einen Tisch, der aus Gold hätte sein können.

Minuten, die sich für Linn wie Stunden anfühlten, vergingen. Ihr Blick war auf ihre Füße gerichtet. Sie starrte auf diese, als würde ihr Leben davon abhängen. Eine der Türen, die zum Audienzsaal führten, öffnete sich sanft. Endlich löste sich Linns Blick von Ihren Schuhen und traf auf eine engelsgleiche Person, die gehobenen Hauptes die Tür durchschritt. Von der Schönheit in Bann gezogen, von der Anmut betört und von der Ausstrahlung überwältigt gelang es Linn nicht ihren Blick abzuwenden. Ein Blick, der von Neugierde und freundlicher Wärme geprägt war, traf auf Linns zurück. Das Kreuzen ihrer Blicke, sogar die alleinige Präsenz des engelsgleichen Mädchens ließ Linns Herz höher klopfen. Das Gefühl des Unbehagens, das vor wenigen Minuten noch unerträglich war, verflog. In gewisser weiße schien die Zeit stehen zu bleiben. Weder Linn noch das andere Mädchen unterbrachen den Augenkontakt, doch so schon dieser Moment auch war er musste früher enden als Linn sich es erhoffte. Einer der zuvor schon Anwesenden Adligen durchbrach mit einem aufgebrachten räuspern den Moment und bat um das sofortige anfangen der Audienz. 

Wie die Lichter sich trafenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt