2. | J a s o n

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Ich kann nicht glauben , dass sie mir nun erneut über den Weg läuft.

 Sie ist auch heute perfekt gestylt und irgendwie bereue ich es, sie verlassen zu haben. Als sie gegen mich läuft, stolpert sie, doch ich halte sie fest.

  Erst lösen sich ihre verspannten Gesichtsmuskeln, doch dann sieht sie mir in die Augen und versteift sich wieder komplett. Ich kann nicht verstehen, wieso mich immer noch so sehr hasst.

 Ja, ich habe damals gewaltige Scheiße gebaut. 

Aber anderseits war es auch nur eine Nacht. 

Dazu noch eine Bedeutungslose.

 Manchmal frage ich mich, wie ich es immer wieder aufs Neue schaffe den Mädchen das Herz zu brechen. Eigentlich ist das nie meine Absicht.

 Ich sehe Olivia an und sie reißt sich augenblicklich von mir los. "Ich..." , beginnt sie und stockt sofort wieder, als ich sie ausdrücklich ansehe.

 "Schon gut." , flüstere ich leise und streiche ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

 "Lass es." , sagt sie und ich bemerke, dass ihr Tränen in die Augen steigen. 

Ich bin erneut zu weit gegangen und bin mir nicht sicher, wie sie darauf reagieren wird. "Wo willst du hin?" , will ich wissen und schaue ihr weiter in die Augen.

 Sie weicht gekonnt meinem Blick aus. Durch ihre familiären Angelegenheiten, weiß sie zwar, dass es kein Zeichen von Respekt ist, doch bei mir macht sie eine Ausnahme.

"Es geht dich nichts an." , schreit sie mir ins Gesicht, doch schon nach dem ersten Satz bricht ihre zarte Stimme.

 Olivia verzieht das Gesicht und lässt sich plötzlich auf den steinigen Boden fallen. Ihr perfekter Körper wirkt verletzlich und dennoch sieht sie wunderschön aus. 

Ihre Augen leuchten auch, wenn ihre Wimperntusche verwischt und ihre Haut darum rot angelaufen ist.

Ich habe keine Ahnung, wie man in so einer Situation vorgeht, also tue ich das selbe wie Olivia. Ich lasse mich neben sie auf den Boden sinken. Ihre Hand zittert und ich greife danach, in der Hoffnung dass sie sich so wieder beruhigt.

 "Es tut mir leid." , flüstert sie. "Ich sollte dich nicht mit meinen Problemen belästigen." , sagt sie und vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. 

"Magst du darüber sprechen?" , frage ich sie sanft und fahre mit meiner Hand durch ihre Haare. Sie sind weich und glänzen in der Sonne.

Olivia zuckt erneut zusammen und ich hätte mich dafür schlagen können. 

Ich war vielleicht der Playboy der jede Nacht eine Neue hatte, aber Gefühle waren nicht meins. Sie nickt und wischt sich die schwarze Wimperntusche unter den Augen weg. 

Ich höre nur zu. Das ist meine einzige Aufgabe, dennoch fällt es mir verdammt schwer.

"Sie wollen mich diesen Sommer loswerden. In irgendein Camp.", sagt sie und ich versuche nicht zu lachen. 

"Verdammt Jason, reiß dich zusammen." , ermahne ich mich in Gedanken selbst. 

Ich habe keine Ahnung wieso so ein Sommercamp einen solch großen Zusammenbruch verantworten konnte, doch vielleicht war es auch gar nicht wichtig.

Wichtig war wahrscheinlich nur, dass sie es mir erzählt hat. Das sie vor mir geweint hat.

 Das sie sich verletzlich gemacht hat. Das sie mir wieder vertraute.

"Was?" , fragt Olivia und sieht mich an. Wahrscheinlich habe ich eine zu große Pause gemacht. 

"Wohin geht es genau?" , will ich wissen und sehe wie Olivia genervt mit den Augen dreht.

 Offenbar war das nicht die  Antwort die sie erwartet hat. "In irgendeinen Wald." , sagt sie und schluchzt noch ein Letztes mal, bevor sie sich aufrappelt.

 Mir verschlägt ihre Antwort die Sprache. "In einen Wald?" , frage ich und Olivia zuckt nur mit den Schultern. Für sie ist dieses Gespräch anscheinend beendet. 

Ich erinnere mich schwach an das Gespräch mit meiner Therapeutin letzte Woche. Sie hatte vorgeschlagen, den Sommer auch dort zu verbringen, damit ich lerne über meine Gefühle zu sprechen. 

Ich war von der Idee nicht sonderlich begeistert gewesen, es hatte mich aber auch nicht wirklich gestört. Jetzt wo Olivia davon sprach, fiel es mir wieder ein. Ich war mir nicht sicher, ob ich ihr davon erzählen sollte.

 Gerade war sie so weit gewesen, mir ihr Herz auszuschütten und nun sollte ich ihr sagen, dass sie mich mindestens für einen ganzen Sommer am Hals hatte. Lieber nicht.

Olivia steht auf und greift nach der Handtasche neben sich. Dann sieht sie mich noch einmal an und lächelt traurig. "Danke." , flüstert sie, ehe sie davon geht.

Ich habe keine Ahnung, aber aus irgendeinem Grund fühle ich mich schlecht. 

Vielleicht hätte ich ihr sagen sollen, das ich auch dabei sein werde. Das ich auch keinen Bock hatte irgendwelchen fremden Leuten den Scheiß zu erzählen der mir auf dem Herzen lag. 

Ich gehe die Straße entlang, in der Hoffnung an einem Kiosk vorbei zu kommen, der bereits geöffnet hat. 

Es ist gerade erst halb zehn und ich bezweifele, dass ich irgendwie an eine Zigarette rankommen werde. Mein Handy klingelt und ich drücke genervt auf  "Annehmen".

"Ja?" , frage ich ermüdet und versuche den Lärm der Autos um mir herum auszublenden. Die Stimme an der andern Seite ist zu leise und legt bereits auf, nachdem ich mich mit "Jason." vorgestellt habe. 

Ich hasse Menschen, die einen erst belästigen, dann aber nicht die Zähne auseinander bekommen. 

Ich sehe auf der anderen Straßenseite einen kleinen Laden der anscheinend Tabak verkauft und damit auch noch groß mit einem Neon Schild wirbt. 

Na dann eben diese illegale Bude, denke ich und überquere die Straße.

Der Typ der draußen gerade die Schilder aufstellt sieht genervt aus und ich kann ihn verstehen. Er muss bereits um diese Uhrzeit Zigaretten verkaufen, rauchen tut er aber selbst keine. 

Ich betrete den Laden und höre die Glocke über der Türe läuten. "Ja?" , ruft der Typ und kommt hinter dem Tresen hervor. Ich lehne mich an die Wand und bringe nur ein gelangweiltes "Zigaretten." , hervor.

Der Mann kommt mit einer Schachtel wieder und ich bezahle ihn. Dann verlasse ich den Laden. Ich muss ehrlich sein, Olivia geht mir auch nach der Zigarette nicht aus dem Kopf.

Ich laufe zurück zu meinem Motorrad, dass ich unten am Straßenrand geparkt habe. Der Rauch der Zigarette steigt in den Himmel wie ein Friedenzeichen, und ich muss grinsen.

Dieses Camp würde sicher nicht so schlecht werden, wie Olivia es dachte.

Ich hatte einen Sommer um sie für mich zu gewinnen.

Erneut.

𝒇𝒆𝒂𝒓 𝒐𝒇 𝒍𝒐𝒔𝒔| abgeschlossen ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt