81.| L i l l y

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Das Verhör des Inspektors war eine reine Katastrophe, doch in diesem Moment habe ich keine Zeit um weiter darüber nachzudenken. 

Das Wichtigste ist nun, mich auf die schlimmsten Minuten meines Lebens vorzubereiten.

"Ich fahre gleich los", schreibt mir Isla und mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Heute erst konnte ich realisieren, das Grace wirklich tot ist. 

Nichts und Niemand wird sie mir je wieder zurückbringen können und diese Erkenntnis schneidet sich jedes mal tief wie ein Messer in mein Herz.

Ehe ich noch weiter in meine Gedanken und meiner Trauer ertrinke, setze ich mich in den kleinen Wagen meiner Mom und mache mich auf den Weg zum Friedhof. 

Anfangs wollte ich sie mitnehmen, doch meine Mutter war die einzige die auf meine Tochter hätte aufpassen können und so laufe ich wenig später alleine durch das riesige Tor welches den Eingang des Friedhofes darstellt.

In der Nähe der kleinen Capelle kann ich die anderen Angehörigen erkennen, und auf dieser Beerdigung zu sein, fühlt sich an als wäre ich diejenige die ihren letzten Atemzug getan hat.

"Lilly", sagt Isla und kommt auf mich zu. Ich freue mich sie zu sehen, und dennoch bringe ich es nicht über mich sie zu küssen.

Es fühlt sich nicht richtig an, hier einer Liebe nachzugehen die Grace nie wieder spüren wird.

  Außerdem haben ihre Eltern etwas dagegen, denke ich und erinnere mich an den Tag an dem Graces Eltern mich und sie küssend im Wohnzimmer gesehen haben.

Ich spüre noch immer die aufsteigende Panik, doch auch die unendliche Liebe die ich für Grace hatte kann ich noch wahrnehmen.

"Ich bin mir nicht sicher ob ich das wirklich kann", sage ich leise und sehe zu all den Menschen in ihren schwarzen Anzügen die wie Schatten nebeneinanderstehen und sich dem Regen der auf die Wiese prasselt anschließen.

"Ich weiß es", ermutigt mich Isla und nimmt mich bei der Hand. 

Mein Herz ist schwer, und erneut sehe ich Grace vor mir.

Es ist, als würden alle Erinnerungen der letzten Jahre vor meinen Augen tanzen.

Unser Zusammenkommen, die Dates, unser Abschlussball, unsere erste Nacht, die Küsse im Regen, der Duft ihrer Haare, ihr lautes Lachen, und unsere Versprechen.

"Lass uns zu den anderen gehen", sagt Isla leise und reißt mich damit abrupt aus meinen Gedanken.

"In Ordnung", antworte ich und mein Blick fällt auf die Vögel die den grauen Himmel bedecken.

"Die Vögel fliegen in den Süden", sage ich leise und in mir breitet sich ein Gefühl von Frieden aus.

"Was ist, wenn Grace nun genauso frei ist wie diese Vögel?", denke ich und ein leichtes Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. 

Es ist klitzeklein, aber es ist da.

"Ich bin Lilly", stelle ich mich vor und Graces Eltern schenken mir ein zaghaftes Lächeln, ehe sie mir näher kommen und ihre Stimme senken.

"Danke dass du hier bist", beginnt ihre Mutter und schüttelt kurz meine Hand, bevor sie sich beschämt räuspert.

"Es tut mir von Herzen leid, wie ich dich behandelt habe. Du hast Grace sehr glücklich gemacht", fügt sie hinzu und erneut spielen meine Gefühle verrückt.

Ich weiß nicht, ob diese Entschuldigung ernst gemeint ist oder nur von Schuldgefühlen beeinflusst aber das ist mir auch nicht wichtig.

"Mein Beileid", sage ich leise und sehe in diesem Moment zu Graces Vater der mir nicht einmal einen Blick zuwirft.

𝒇𝒆𝒂𝒓 𝒐𝒇 𝒍𝒐𝒔𝒔| abgeschlossen ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt