Lillian
Gerade war die 30-minütige Mittagspause vorbei und ich hatte schon mal einen weiteren halben Arbeitstag überstanden, ohne allen hier mal meine ehrliche Meinung über Sie mitzuteilen und ich arbeitete erst 4 Monate hier. Allein das war schon mehr als herausragende Selbstbeherrschung, zumindest für mich.
Ich arbeite derzeit in einem kleinen schäbigen Buchverlag in Miami mit dem eleganten Namen "Duster Books" auch wenn Dusted Books besser passen würde. Die paar Bücher die ich hier Probelesen und verbessern musste, las danach sowieso keiner mehr. Jedes Skript, dass man uns Zusandte stammte von einer wirklich verzweifelten Seele, die schon den Traum aufgegeben hatte, jemals was aus ihren Gedanken zu machen.
Selbst die Einrichtung hier hatte schon die besten Zeiten hinter sich, der Stuhl auf dem ich saß war aus den 80ern und schon abgewetzt. Das Polster kaum noch vorhanden. An manchen Stellen lugte es schon gelblich aus der Naht hervor. Der Tisch war aus weiß lackiertem Spanholz, an dem die Farbe schon abblätterte und ich mit meiner Bluse immer hängen blieb.
Die Wände die vor mindestens einem Jahrzehnt weiß gestrichen wurden, waren inzwischen vergilbt als hätte man hier drin täglich zwei Schachteln Zigaretten geraucht. Selbst die Pflanzen waren eingegangen und zeigten nur noch mehr, dass man lieber schnell versuchen sollte hier wegzukommen.
In dem Hauptraum gab es zwei Türen und ein Fenster durch das man die Rückwand eines anderen Hauses sah. Eine Tür führte in das Büro von meinem Chef Mr. Macy, in das man hoffte nie gerufen zu werden und die andere Tür führte erst zur Empfangsdame Cindy und dann weiter in die Freiheit.
Da wir im Erdgeschoss waren musste man nur kurz durch das nach Schimmel und noch weniger guten Düften menschlicher Herkunft riechende Treppenhaus.
Es mag komisch klingen aber genau nach so etwas hatte ich gesucht. Keine Fragen über meine Herkunft und was ich bisher gemacht hatte. Sie hatten ohnehin schon ewig jemanden gesucht, der sich diesen unterbezahlten Job antat. Unbedeutend und unauffällig, für mich war es fast perfekt, wenn mein Chef nicht wäre. Genau in diesem Moment räusperte er sich und weckte mich aus meinem Tagtraum.
„Wann kann ich damit rechnen, dass sie mir eine Rezension zu dem Buch geben?" sagte er und ich sah zu ihm auf. Bei jedem Wort wippte sein speckiger Hals auf und ab.
Wie immer hatte er wohl seine Version eines Schlafzimmerblicks aufgesetzt, die eher aussah als würde er mich im nächsten Moment in sein Büro zerren und vergewaltigen. Er war viel zu nah, ich roch sogar seinen Schweiß. Ich rückte ein Stück ab und setzte mein perfektes Lächeln auf.
„Ich bin fast fertig, bis heute Abend haben Sie sie auf Ihrem Tisch liegen. Es klingt wirklich vielversprechend." Tat es nicht. Es war genauso Schrott wie alles andere was ich hier bisher gelesen habe. Aber ich wusste, dass er genau das hören wollte. Insgeheim vermutete ich ja, dass er nicht mal lesen konnte.
Wie erwartet ließ er von mir ab und flötete beim Weggehen „Na, dann will ich Sie mal nicht weiter stören".
Ich durchschaute Menschen sofort und konnte mich Ihnen perfekt anpassen. Das und mein Instinkt, der mich noch nie im Stich gelassen hatte, waren perfekte Eigenschaften um in dieser Welt allein zurecht zu kommen.
Ein paar Stunden später hatte ich mich durch das Skript gequält und eine Rezension dazu geschrieben, die wohl besser war als das ganze Buch. Ich legte sie auf Mr. Macys Tisch als er gerade nicht im Büro war. Schnell verabschiedete ich mich von den anderen Frauen im Büro, zog meine Jacke an und ging durch den Eingangsbereich, an der Kaugummi-blasen zerplatzen lassenden Cindy vorbei in die Freiheit. Wieder einen Tag geschafft.
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Verborgen in der Dunkelheit
RomanceErotisch. Dunkel. Sexy. ACHTUNG! Dark Romance. Es wird erotisch und brutal! 18+ Wem das nicht gefällt, der sollte es nicht lesen! Das ist die Geschichte von Lillian, die an die Gefährlichsten Typen in Florida gerät. Durch Chase und Easton erfährt si...