Unsere Stärke liegt in der Sprache [German]

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Konzentriert setzte sie einen Fuß vor den anderen. Dabei war sie darauf bedacht keinen Schmerzlaut ihrer Kehle entfleuchen zu lassen. Der Schmerz war heftiger als gewöhnlich. Doch dieser Tag war nicht anders verlaufen als jeder andere, seitdem sie in Quantico wohnte. Wobei sie auch in Las Vegas keine besonders angenehmen Tage in der Schule verbracht hatte! Langsam schleppte sie sich aus dem Aufzug zu dem offenen Bürobereich. Sie steuerte direkt auf den Tisch von Dr. Spencer Reid zu. Kaum hatte sie den Schreibtisch erreicht, ließ sie sich erschöpft auf den Schreibtischstuhl fallen. „Hey Reid! Ist das nicht deine kleine Schwester?" Morgan stupste den jungen Agent an. Irritiert runzelte Spencer die Stirn. „Jaaa... Das ist tatsächlich Josephine.", meinte er. Morgan und Reid gingen hastig zu Reids Schreibtisch. „Weißt du, was sie hier macht?", erkundigte Derek. Er hatte Josephine nur ein einziges Mal zu Gesicht bekommen. An dem Tag hatte Spencer das Sorgerecht für seine Schwester erhalten und sie stand, nachdem das Team von einem Fall zurückgekehrt war, mitten im Büro. Morgan erinnerte sich daran, wie verloren das Mädchen ausgesehen hatte. „Nein! Aber ich finde es gleich heraus.", erwiderte Reid. Sein Gang wurde forscher, das Tempo schneller. „Hey Josie!", begrüßte Spencer seine Schwester. Es war ihm anzuhören, dass er ihrem Auftauchen misstrauisch gegenüberstand. Deshalb fiel er direkt mit der Tür ins Haus! „Was machst du hier? Solltest du nicht im Unterricht sein?" Josephine senkte den Blick. Reid und Morgan wussten sofort, was das zu bedeuten hatte. Sie empfand Scham oder Verlegenheit! Ihre Intuition hatte Recht. Josie empfand tiefe Scham wegen der Geschehnisse des heutigen Tages. Jedoch wusste sie, dass es keinen Zweck hatte, ihren Bruder anzulügen oder drum herumzureden. Aus diesem Grund schwieg Josephine nicht, wie es ihr eigentliches Bedürfnis war. „Ich wurde nach Hause geschickt.", murmelte sie in ihren Hoodie rein. „Ich wusste, dass du nicht zuhause bist und ich wollte nicht alleine sein! Deswegen bin ich hier. Ich hatte gehofft, ich könnte mich zu eurer technischen Analystin setzen und meine Hausaufgaben machen." Nach wie vor vermied Josie es ihren Bruder und seinen Freund anzusehen. Die Scham saß einfach zu tief. „Du kannst gleich zu ihr, wenn du das möchtest." Reid kniete sich vor das verschüchterte Mädchen. Er erkannte sich selbst in ihren Verhalten. „Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass du mir etwas sagen möchtest. Ist es nicht so?" Dieses Mal schwieg Josie. Sie hatte Spencer nichts zu sagen. Ihr war bewusst, dass er es irgendwann herausfinden würde. Doch sie wollte nicht dazu beitragen! Außerdem wollte Josephine ihrem Bruder beweisen, dass sie genauso stark und intelligent war wie er selbst. Da Josie verstummt war, wollte Spencer seinen Worten noch einmal Nachdruck verleihen, doch als er mit seinen Fingern ihren Hoodie streifte, bemerkte er eine feuchte Stelle. Reids Fingerspitzen waren dunkelrot gefärbt. Diese Entdeckung alarmierte den FBI-Agent. Seine Augen scannten Josies Kleidung und auf Magenhöhe entdeckte er an der Seite einen Blutfleck, der sich stetig vergrößerte. Erschrocken drückte Josephine ihre Hände auf den Fleck. Dabei rutschten ihre Ärmel hoch und dunkelblaue Flecken, die violett schimmerten, wurden entblößt. „Josie, was ist das?" Spencer bekam keine Antwort von seiner Schwester. Nicht nur weil sie nichts sagen wollte, sondern auch weil sie drohte das Bewusstsein zu verlieren. „Ich hole einen Arzt!", sagte Morgan und sprintete los. „Es tut mir leid, aber ich muss das jetzt tun!", sagte Spencer, zog Josephine von dem Stuhl auf den Boden. Er zerrte ihr den Kapuzenpullover vom Körper. „Leg dich bitte hin!" Josephine kam der Anweisung nach. Sie hätte nicht einmal die Kraft gehabt, zu widersprechen, wenn sie gewollt hätte. „Halte durch, Josie! Hilfe ist gleich da. Aber ich muss die Blutung stoppen. Deswegen muss ich jetzt auf die Wunde drücken." Josephine ächzte unter dem Druck, den Spencer auf die Wunde ausübte. „Es tut mir leid!", wiederholte Reid bei jedem Ächzen und Stöhnen seiner Schwester. „Reid?!", gellte Dereks Stimme quer durch das Büro. „Hier unter!", brüllte Reid seinem Kollegen und Freund zu. „Beeilen Sie sich! Sie hat viel Blut verloren." Im nächsten Moment waren der Notarzt und die Sanitäter bei Spencer und Josephine. „Hören Sie, Sie brauchen- HEY!" Morgan zog Reid von seiner Schwester weg, die von den Ersthelfern versorgt wurde. „Morgan, lass mich los! Lass mich los!", forderte der Agent ein. Er wehrte sich mit Händen und Füßen gegen den Griff seines Freundes. „Reid! REID! Du musst dich beruhigen. Josephine wird behandelt, aber du musst die Sanitäter ihren Job machen lassen. Wir sollten unseren Job machen und rausfinden, woher deine Schwester diese Verletzungen hat!" Wutentbrannt stürmte Reid davon. Er ging direkt in den Raum mit ihren Falltafeln. Derek folgte ihm. Morgen beobachtete, wie Reid energisch -ja beinahe grob- schob eine Tafel so hin, wie er sie brauchte. Spencer wischte mit einem Whiteboardmarker über die Mitte der Tafel. Das Resultat war eine unsaubere, lieblose Linie. „Reid, was machst du da?", wollte Morgan wissen und löste sich von dem Türrahmen, an dem er gelehnt hatte. „Ich erstelle eine Zeitleiste. Du hast doch gesagt, dass wir rausfinden müssen, wie Josie zu den Verletzungen kam!" Abwehrend hob Derek die Hände. „Leg die Waffen nieder, mein Hübscher! Ich will dir und Josie nur helfen.", erwiderte Morgan. „Damit du Josie eine Hilfe bist, musst du dich erstmal beruhigen! Gerade bist du niemandem eine Hilfe." "Aber-" "Reid, ich weiß, dass du nur helfen willst! Aber du musst einen Gang runter schalten." Ein Seufzer verließ Dr Reids Mund, als er sich auf einen Stuhl fallen ließ. "Sehr gut!", lobte Derek seinen Kumpel. Weiter kam der Agent nicht! "Lasst uns anfangen!" Hotch betrat den Raum gefolgt vom Rest des Teams. "Was wissen wir?" Penelope verteilte die Arbeitstablets der BAU. "Josephine Emily Reid. Eine 16 jährige Schülerin aus Las Vegas. Tochter von Diana und William Reid. Unser Doktor hat das Sorgerecht für seine Schwester seit einem halben Jahr. Sie geht auf die Quantico High! Schreibt ausgezeichnete Noten und ist Teil der Maths Heads, was nicht verwunderlich ist bei dem Stammbaum. Bis auf das einmalige Gespräch beim Schulpsychologen in Vegas, ist sie unauffällig. Und ich meine wortwörtlich unauffällig!" Penelope Garcia nahm am Kopf des Tisches Platz. "Sie scheint kaum soziale Kontakte zu haben, war kein Teil von Clubs oder Teams an ihrer alten Schule. Josephine hat zwar Accounts bei diversen sozialen Netzwerken, aber sie postet nichts von sich." Nun machte es bei Spencer Klick. "Sie war beim Psychologen?", hakte er mit erstickter Stimme nach. Spencer hatte nichts davon gewusst. Aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen! "Weshalb?", verlangte Reid zu wissen. "Darüber liegen keine genauen Angaben vor. In ihrer Schülerakt steht lediglich, dass es einen Vorfall gab, der aufgeklärt worden ist." "EINEN VORFALL?!" Erneut war Spencer von 0 auf 180 hochgefahren. Morgan zog Reid wieder auf einen Stuhl. "Du musst dich beruhigen! Ich habe dir schon gesagt, dass du dich beruhigen musst. Du bist Josephine sonst keine Hilfe." Mürrisch lehnte Reid sich mit verschränkten Armen zurück. Er klinkte sich aus dem Gespräch aus. Sein Blick fiel auf die grob skizzierte Zeitleiste, die er innerhalb weniger Sekunden erstellte hatte. Dann ging ihm ein Licht auf! "Die Schule.", flüsterte Spencer. "Was denkst du, Reid?", wollte Rossi wissen. Doch Reid antwortete nicht. Stattdessen sprang er auf und stürmte raus. "Ich weiß, wo das Problem liegt!", rief er über seine Schulter, bevor er schlussendlich aus dem Zimmer verschwand.

"Reid, würdest du uns jetzt erklären, was wir hier machen?" "Als ich an die High School kam, wurde ich -was eine Erfüllung eines Klischees ist- von meinen Mitschülern gehänselt. Ich wurde nicht nur auf psychologischer Ebene fertig gemacht sondern auch auf physischer Ebene! Ich glaube, dass Letzteres der Fall ist. Ich bin davon überzeugt, dass Josie ihre Verletzungen von jemandem aus der Schule bekommen hat. Ich kenne ihren Tagesablauf! Heute kam sie aus der Schule direkt zu mir. Sie ist nicht nach Hause, sondern ist blutend in ein FBI-Büro marschiert, weil man sie nach Hause geschickt hat, obwohl sie Hilfe gebraucht hat." Geladen schob Reid die Schüler auf dem Gang zur Seite. "Hey Mister! Sie können hier nicht vorbei.", meinte ein Teenager und stellte sich in Reids Weg. "Kleiner, ich werde es dir nur einmal sagen, bevor ich dich mit körperlicher Gewalt dazu zwingen werde, mir aus dem Weg zu gehen! Ich bin vom FBI und ich will zu deinem Direktor." , knurrte Spencer. Unbemerkt von den umstehenden Schülern stellten Morgan und Rossi sich näher an ihren Kollegen. Sie wollten ebenfalls in das Büro, doch sie konnten nicht zulassen, dass Reid sich sein Leben zerstörte, weil er sich auf einen Minderjährigen stürzte. Der verängstigte Junge trat zur Seite und Spencer betrat das Büro. Jedoch kam Reid nicht zu Wort! Zum Glück übernahm Hotch sofort das Gespräch. "SSA Hotchner. Die Agents Morgan, Jareau, Rossi, Prentiss und Dr Reid.", stellte der Chef sein Team vor. Der Direktor erhob sich und reichte Hotch die Hand. "Brown." Danach schaute er zu Spencer. "Reid wie in Josephine Reid?" Mit aufeinander gepressten Zähnen nickte der Angesprochene. "Genau." "Wir sind wegen Josephine hier!", lenkte Hotch die Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Sie ist verletzt bei uns aufgetaucht und wir wollen wissen, warum Sie sie nicht ins Krankenhaus gebracht haben." "Ich wusste nicht, dass sie verletzt war-", versuchte Direktor Brown sich zu verteidigen. Reids Geduldsfaden riss. "Wie konnten Sie nicht wissen, dass sie verletzt war?! Sie hatte eine stark blutende Stichwunde und diverse Hämatome! Ihr Körper war übersäht! Gestern hatte Josephine dieser Verletzungen noch nicht!", schrie Spencer. Er war einfach nur fassungslos! "Was mein Kollege sagen will, ist, dass es äußerst schwierig gewesen ist, diese Wunde zu übersehen und wir wollen wissen, warum Sie Josephine Reid nach Hause geschickt haben.", mischte Derek sich ein. Er schob sich langsam vor seinen geladenen Freund. "Ich musste Ms Reid für heute supendieren.", teilte Mr Brown der BAU mit. Reid schnaubte abfällig. "Weswegen?", forderte Rossi ein zu wissen. "Weil sie einige Mitschüler verletzt hat." "BLÖDSINN!" "Morgan!" Auf Hotchs nonverbale Bitte brachte Derek Spencer vor die Tür. Gerade im richtigen Moment verließen die beiden Männer das Büro. "Wenn ich diese Reid nochmal in die Hände bekommen, kommt sie nicht so glimpflich davon. Ich lass mir nicht nochmal ein Veilchen verpassen, nur um zu vertuschen, dass wir sie abgestochen haben." Morgan und Reid schnitten der Gruppe von beiden Seiten die Fluchtwege ab. "Rein da!", kommandierte Morgan die Jugendliche. Seine autoritäre Ausstrahlung schüchterte die Schüler genug ein, um sie in das Büro zu scheuchen. "Hotch, wir haben unsere Täter!", teilte Morgan seinem Boss mit. "Er hat gerade gestanden. Sie haben Josephine versucht niederzustechen und damit es anders aussieht, haben sie es mit einem blauen Auge vertuscht." "Sie werden von uns hören.", sagte Hotch dem Direktor zum Abschied. Danach wurden die Schüler abgeführt.

"Spencer, was machst du hier?" Verschlafen blinzelte Josie ihren Bruder an. "Ich wollte dir sagen, dass wir sie verhaftet haben." "Wen?" Spencer griff die Hand seiner Schwester. "Die Schüler, die dir das angetan haben." Josies Augen weiteten sich. Sie konnte es nicht glauben! War der Spuk vorbei? Hatte es wirklich ein Ende? "Warum hast du mir nichts von dem Mobbing erzählt? Ich hätte dich an einer neuen Schule anmelden können." Josephine seufzte. Vor der Frage hatte sie sich gefürchtet. "Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Außerdem kenne ich es nicht anders. In Las Vegas war es so und als ich versuchte mit einigen dort anzufreunden, ging es hier in Quantico weiter. Mal abgesehen davon! Wie soll jemand wie ich einem erfolgreichen Genie, das beim FBI tätig ist und die Welt regelmäßig rettet und besser macht, erklären, was für ein Versager man ist?" Spencer musste schmunzeln. "Du lachst mich aus.", stellte Josie traurig fest. "Nein! Ich lache dich nicht aus. Ich bin nur wieder einmal überrascht wie ähnlich wir uns sind. Auch ich habe mich wie ein Versager gefühlt, als sie mich geschlagen haben und mich fertig gemacht haben!" Damit hatte Josephine nicht gerechnet. Ihr Bruder wurde auch gemobbt und gehänselt?! "Josie, unsere größte Stärke ist die Kommunikation. Unsere Stärke liegt in der Sprache! Wir müssen miteinander sprechen, damit wir einander helfen können." Josie fiel ihrem großen Bruder um den Hals. "Danke, dass du für mich da bist!" "Danke, dass du bei mir bist."

One Shots ~Criminal Minds Edition [Requests Open]Where stories live. Discover now