Kapitel 2 - Fragen

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Mir schwirrte der Kopf vor lauter Fragen. Sollte ich sie ihr stellen? Würde sie sie ehrlich beantworten? Aus irgendeinem Grund empfand ich Misstrauen ihr gegenüber und ich hatte das Gefühl, so schnell würde das nicht verschwinden.

„Stelle mir ruhig alle deine Fragen. Ich beantworte so viele so gut ich kann.“, forderte sie mich nach wenigen Sekunden Stille auf, während sie erneut alles Mögliche auf dem Tisch beiseiteschob, dieses Mal, um sich selber auf den Tisch zu setzen.

„Warum denkst du, dass ich dieser Drache bin, wenn ich doch offensichtlich ein Mensch bin?“, stellte ich meine erste und wichtigste Frage nach kurzem Zögern.

Kurz überlegte sie, wie sie es am besten erklären sollte, und antwortete dann „Es gibt Möglichkeiten, die einen Menschen zum Drachen machen können. Die häufigste ist, dass der Mensch ein Wandler ist und als zweite Gestalt den Drachen hat oder anders herum; es ist ein Drache, welcher als zweite Gestalt einen Menschen hat. Als zweite Möglichkeit kann es ein normaler Mensch sein, welcher zu viel Drachenblut in seinen Körper aufgenommen hat. Drachenblut verhält sich anders als das Blut anderer Lebewesen. Wenn man eine enorme Menge davon in seinem Körper hat, wird man körperlich selbst zum Drachen und die Seele passt sich der neuen Gestalt an. Normalerweise ist die Verwandlung nicht mehr rückgängig zu machen, aber bei einer besonders starken und widerwilligen Seele, kann es sein, dass man sich doch wieder zurück in einen Menschen verwandelt, aber auch dann wird man nach kurzer Zeit erneut zum Drachen, endgültig. Alle weiteren Möglichkeiten sind noch um Mengen unwahrscheinlicher als die eben genannten. Zumindest die, die mir gerade einfallen.“

„Was sind die weiteren Möglichkeiten?“, fragte ich interessiert. Unwahrscheinlich heißt nicht unmöglich und ich wollte wissen, was mit mir sein konnte.

„Du könntest ein Metamorph sein, der zuerst in der Gestalt eines Drachen war und sich dann in einen Menschen verwandelt hat. Vielleicht bist du auch ein Teil der alten Urdrachen-Legende und ein Nachfahre. Es kann auch sein, dass…“

Ich hörte nicht mehr zu. Der Satz hatte etwas in meinem Gedächtnis ausgelöst. Urdrachen-Legende, das kam mir irgendwie bekannt vor. Dann machte es bei mir Klick und ich erinnerte mich an ein paar alte Personen, welche mir mein ganzes Leben lang verschiedene Legenden erzählten.

Ich wusste nicht genau, worum es in diesen ging, nur an eine konnte ich mich wieder erinnern. An eine Legende von vier Drachen, welche die vier Elemente verkörperten und zusammen die Welt erschufen. Damit ihre Fähigkeiten nicht verloren gingen, gaben sie ihr Blut an vier verschiedene Menschen weiter, wodurch das Blut solange durch dessen Nachfahren fließt, bis eine Generation wieder die vollen Kräfte entfesselt und sie zusammen gegen einen gemeinsamen Feind kämpfen.

„Mehr Möglichkeiten fallen mir jetzt auch nicht ein.“, beendete Aurelia, welche nachdenklich ihren Blick zur Decke erhoben und die verschiedenen Optionen an ihren Fingern abgezählt hatte. Nun schaute sie wieder zu mir und fragte empört „Hast du mir überhaupt zugehört?!“

Ich befreite mich wieder aus den verschiedenen Erinnerungen und sah ihr entgegen. Sie wirkte beleidigt; zurecht, schließlich habe ich ihr eine Frage gestellt und dann einfach nicht zugehört. „Tut mir Leid, ich bin nach dem zweiten Satz einfach in ein paar Erinnerungen versunken.“

Kurz schnaubte sie und meinte dann in einem immer noch leicht beleidigten Ton „Wiederholen werde ich das nicht nochmal.“

Aus irgendeinem Grund hatte ich das schon geahnt. „Was denkst du, was bei mir der Fall ist?“, fragte ich weiter.

Sie zuckte mit den Schultern. „Im Moment muss alles als möglich angesehen werden. Wir können nur Theorien aufstellen.“

Ich erwartete, dass sie dies noch weiter ausführen würde, aber da sie stumm blieb, überlegte ich kurz weiter, welche Frage ich als nächstes stellen sollte. „Weißt du, warum ich mich nicht bewegen kann?“, entschied ich mich schließlich.

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