Kapitel 2 - High Hopes

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Kodaline - High Hopes (Filous Remix)

Hannah und ich haben nur zusammen Kunst, deswegen war sie mir so lange nicht wirklich aufgefallen. Ich sah immer, wie sie auf freundliche Art und Weise Distanz zu jeder Person hielt. Vermutlich wollte sie einfach ihr eigenständiges Leben leben, ohne abhängig zu sein von Freunden, Erwartungen oder Anerkennung.

Keine Ahnung wie sie das überlebt, aber sie scheint glücklich und ausgeglichen zu sein. Ich könnte das nicht, so sein wie sie.

Ihre blonden Haare fielen ihr wellig über die Schultern. Sie lachte gerade über einen Witz von Daniel und nichts in der Welt könnte ihn glücklicher machen, als zu sehen, wie sie ihr bezauberndes Lächeln lachte. Daniel sah sie so verliebt an, dass ich Schmetterlinge im Bauch hatte. Sein Blick war filmreif. Ich musterte die beiden noch eine kleine Weile und grinste wie ein Honigkuchenpferd.

Schließlich widmete mich dann doch meinen Deutsch-Notizen, die die Merkmale der Romantik sowie die Kennzeichen des Sturm und Drang zusammenfassten. Unser Lehrer hatte für heute einen kleinen Test über die literarischen Epochen angekündigt. Eigentlich sollte es machbar sein, aber meine Konzentration war schon seit gestern irgendwo verloren gegangen. Wie auch, wenn gestern DIE Mathe Klausur war, die ich meisterhaft verhauen hatte.

Ich blickte nach oben in die fragenden Gesichter meiner Freunde. "Wie bitte, was?", fragte ich irritiert nach.

"Kein Stress, ich regel' das schon", antwortete Hannah schließlich und lächelte mich freundlich an. Ich erwiderte zwar ich Lächeln und fühlte mich sehr geehrt, dass sie etwas für mich tun wollte. Ich hatte wirklich Respekt vor ihr. Stellt sich nur die Frage, worum geht's hier?

Die Gruppe löste sich auf, ohne mich zu beachten. Vielleicht hätte ich auch was dazu sagen sollen, dachte ich mir gerade sarkastisch und stellte ernsthaft in Frage, ob ich sicher nicht auf gentherapeutischen Wegen zu meiner dunkelbraunen Haarfarbe gekommen war.

***

Eine leise Melodie erklang in meinem Kopf und ich fing an den passenden Text dazu zu singen. Bis mir auffiel, dass der neue Ohrwurm nicht aus dem nichts kam, sondern mein Handy klingelte. Ich sprang von meinem Bett auf und suchte mit hektischen Blicken nach meinem iPhone. Gefunden!, triumphierte ich.

"Hey, Daniel", meldete ich mich fröhlich.

"Wo um alles in der Welt steckst du?", fragte er mich, als hätte ich ganz wo anders sein sollen, als hier gemütlich auf meinem Bett zu Chillen. Apropos, dachte ich mir und schmiss mich wieder volle Kanne drauf.

"Zuhause, ich mach gleich vegetarische Paella", berichtete ich ihm daraufhin stolz von meinem Vorhaben.

"Was?! Ich dachte, du hast die S-Bahn verpasst! Wie willst du denn jetzt pünktlich zum Ed Sheeran Konzert kommen?", wollte er von mir wissen.

Ich war verwirrt. Ich fand Ed Sheeran ganz okay. Gut, seine Stimme ist der Hammer, aber ich würde niemals ein Ticket kaufen. Zumindest nicht in meiner Pleite-Phase, die gelinde gesagt die letzten vier Monaten andauerte.

"Ich erinnere mich nicht daran, ein Ticket gekauft zu haben...", fragte ich vorsichtig nach. Ich hatte nicht oft Schulden bei meinen Freunden, meist auch nicht in der Höhe eines Konzerttickets.

"Hannahs Bruder wollte mit seiner Freundin hin gehen, die sich aber von ihm getrennt hat und er hat keinen Bock auf einen Ginger, der über wahre Liebe singt", überbrachte er mir die Message des Tages. Soweit ich wusste, waren die beiden schon drei Jahre zusammen und Hannah hatte mal erzählt, dass er überlegte seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Da wird wohl nichts draus...

"Ja aber ich kann nicht bezahlen, ich bin Pleite...", gab ich kleinlaut zu.

Daniel machte Geräusche, die sich sehr stark danach anhörten, als würde er sich auf die Stirn klatschen. "Zenith Halle, komm sofort! Oh und Hannah hat jemand dabei, den sie dir vorstellen will. Der sieht echt akzeptabel aus, also style dich bisschen mehr wie sonst!"

Aufgelegt. Völlig perplex starrte ich die Wand an. Dann auf die Uhr. Ich muss die S-Bahn in einer halben Stunde nehmen, um vor Beginn rein zu kommen. Bedeutet, ich hab' knappe 15 Minuten zum Umziehen. Gar nicht gut!

***

Mit zerzausten Haare schaffte ich es gerade noch, die S-Bahn nicht zu verpassen. Warm war mir auch geworden bei meinem Sprint. Die Strecke, für die ich im Normaltempo etwa 15 Minuten brauchte, legte ich nämlich innerhalb von knappen 6 Minuten hin. Klingt unrealistisch, aber wenn ich es nicht wirklich geschaft hätte, dann würde ich jetzt nicht hier sitzen.

Ich atmete schwer. Lange Einatmen, ruhig ausatmen - Einatmen, ausatmen. Ich setzte mich auf die Kante der Sitzbank, um nicht mit dem Rücken am warmen Polster zu kleben. Nachdem ich mich wieder gefangen hatte und meine Atmung unter Kontrolle war, suchte ich mein Spiegelbild nach Rötungen im Gesicht ab. Ich kam zum Schluss, nochmals nach zu pudern und meinen Zopf wieder fester zu ziehen.

Jetzt sahen sie ein bisschen messy aus, die Haare, aber oke. Auf einer Seite hatte ich Haarsträhnen zu einer großen Flechte zusammengefasst und schließlich einen relativ hohen Pferdeschwanz gemacht. Stylisch genug, aber sportlich.

Sollte ich Lippenstift auftragen? Nah... ich habe eh keinen dabei, redete ich gedanklich mit mir selbst. Zur Sicherheit durchsuchte ich meine kleine Tasche trotzdem und fand wirklich einen dunkelroten, eher beerigen Farbton. Also meiner war das garantiert nicht, dachte ich mir nur verwirrt und stellt mich auf das Donnerwetter meiner Mum ein, wenn sie wüsste, dass ich ihren geliebten Lippenstift habe.

Der gut aussehende Kerl schräg gegenüber von mir hatte seinen Spaß dran, meine Mimik zu lesen und fast hätte er angefangen zu lachen. Peinlich, peinlich!, meldeten sich die Stimmen in meinem Kopf.

Jetzt gibt es kein zurück mehr. Ich griff in meine Tasche nach dem kleinen Spiegel und wartete, bis die S-Bahn kurz stand, um die Spitze des Lippenstiftes als Lipliner zu verwenden. In der Ruhe liegt die Kraft. Gerade fuhr die S-Bahn wieder los und ich hätte den Lippenstift fast in meinem Gesicht verschmiert. Der Junge lachte.

Ich konzentrierte mich wieder völlig auf meine Lippen und tatsächlich, es sah gut aus. Also dafür, dass ich selten Lippenstift trug, funktioniert das hier einwandfrei!, beglückwünschte ich mich stolz. Ich lächelte Selbstbewusst in den Spiegel. Also wenn das unserem neuen Freund diagonal vor mir nicht gefällt, dann... - Wo ist er hin ?!

Na toll, voll umsonst zum Affen gemacht, meldete sich die verschmitzte Kopfstimme. Vermutlich sehe ich ihn nachher wieder, wie ich ihm mein Getränk über das weiße Shirt kippe, dass seine stählernen Muskeln zu verdammt gut betonte. Wer weiß, Klischees erfüllen sich an jeder Ecke.

Nachdem ich einmal umgestiegen war, meine In-Ears zerstört habe und fast in das Eis eines kleinen dummen Mädchens reingelaufen wäre, stieg ich seelenruhig aus der U-Bahn aus. Ich atmete die frische Luft ein und fühlte, wie sich die Konzertstimmung in mir ausbreitete.

ICH GEHE MIT HANNAH UND DANIEL AUF EIN KONZERT!!!, freute ich mich und musste breit grinsen. Vielleicht würde er sie ja bei einem romantischen Lied versehentlich umarmen, oder auf die Stirn küssen oder überhaupt küssen und ihr sagen, dass er sie liebt !? Mein Honigkuchengrinsen wurde noch weiter und ich tänzelte schließlich ich leichtem Schritt Richtung Zenith Halle und summte den passenden Ohrwurm...

I've got high hopes,
It takes me back to when we started,
High hopes ... 🎶

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Author's Note:

Hoffe, das Kapitel hat euch heute auch wieder gefallen. :)

Das Mädchen auf dem Foto (Lily Collins) soll Hannah darstellen, also denkt euch ihre Haare einfach etwas heller, es muss kein klares blond sein. Hauptsache diese lockeren Wellen und dieser intensive Blick... wow... :)

Als Anmerkung zu dem Blondinenwitz, falls ihr ihn verstanden habt: ich bin selbst Blondine - und mal ehrlich, manchmal sind wir wirklich blond ;D

xx Sophie

PS: falls ihr den Witz verstanden habt, schreibt es in die Kommentare,
ich will's wissen 🙊^^

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