Kapitel 3 - Thinking Out Loud

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Ed Sheeran - Thinking Out Loud (Alex Adair Remix)

"Hey na? Seid ihr schon drinnen?", fragte ich, nachdem ein Anruf von Daniel auf meinem iPhone angezeigt wurde.

"Nein, aber fast... Ich seh' dich!", rief er laut, sodass ich erschrak. Mein Puls stieg an und ich sah wild umher. Ich hörte mein Herz schlagen und atmete einmal tief durch.

"Hm... also ich sehe euch nicht, wink mal!", forderte ich ihn auf. Mein Blick wanderte durch die vorderen Reihen der ewig langen Schlange. Ein Glück, dass sie so früh dran waren.

Das Handy ans Ohr geklebt, auf Zehenspitzen und mit zugekniffenen Augen erkannte ich schließlich Hannah. War sie das wirklich?

"Hat Hannah so ein richtig schönes, rotes Kleid an?", schwärmte ich von ihrer atemberaubenden Präsenz. Ihre dunkelblonden Locken wippten auf und ab während sie sich leicht im Beat zu einem Song schwang, den sie vermutlicher gerade leise vor sich hin sang. Das konnte doch wohl nicht wahr sein?!

Daniel hustete, vermutlich hatte ich ihn damit aus seinen Träumen geschreckt. Da entdeckte ich auch ihn und nahm war, wie seine Blicke ehrfürchtig ihre makellose Figur umhüllten als wäre sie kostbarer als jeder Diamant und verletzlicher als eine Seifenblase. Sie ist wunderschön.

"Ich hab euch gefunden, ich komm' zu euch... bis gleich!", verabschiedete ich mich schnell und quetsche mich durch die Menschenmenge, stammelte Entschuldigungen und zeigte jedes Mal mein aufrichtiges "Tut-mir-Leid"-Gesicht. Plötzlich landete ich mitten zwischen ihnen.

"Hi", grinste ich die beiden an. Hannah umarmte mich wie eine gute Freundin und Daniel drückte mich kurz an sich. Anschließend fuhr sein Blick meine Figur ab, allerdings sah er mich dabei nicht im entferntesten so bewundernswert wie Hannah an. Letztendlich ist das ja gut, bestätigte ich mir meinen Gedankengang. Dann zwinkerte er. Ich lächelte nur unbeholfen und wandte mich sofort Hannah zu, um sie zu fragen, wie ich für das Konzertticket aufkommen sollte.

Wir quatschten eine kleine Weile über dies und das. Über gute Angewohnheiten und Vorlieben sowie Abneigungen, die uns in hochkonzentrierte Zustände verlegten, um einen aufkommenden Tobsuchtsanfall durch Selbstbeherrschung zu überwinden. Wir fanden beieinander Zustimmung und daher verging auch die letzte halbe Stunde bis zum Einlass relativ schnell.

Sobald wir drinnen waren, stopften wir alles mögliche in Daniels Rucksack, was nerven würde, wenn man sich voll und ganz der Musik hingab und mitsingen würde. Cardigans, Handtaschen und Sonnenbrillen. Geld in Daniels Hosentasche und iPhone? Das war jetzt die Frage. Unumwunden stopfte ich es wieder zurück in meine Handtasche, die ich daraufhin am Boden des Rucksacks platzierte. Wird schon nicht geklaut, beschwichtigte ich mich selbst.

Bei Konzerten, auf die ich sonst so ging, was das zumindest normal. Fast schon das Etikette, ein echter "Fan" zu sein. Wie willst du es sonst schaffen, den Leadsänger von BASTILLE anfassen zu können, während er durch die Menschenmenge durchläuft? Eben, keine Diskussion.

***

Ich rang nach Luft und seufzte tief. Ed hatte gerade richtig abgerockt und er genehmigte sich eine kleine Pause. Voll in Ordnung, bin deiner Meinung, bro.

Ich wandte mich zu Daniel, der gerade Wasser gekauft hatte und sobald er mir den Becher auch nur leicht entgegenstreckte griff ich instinktiv danach. Kühles Wasser. Das tat so gut! Ich spülte den halben Liter beinahe in einem Zug hinunter. Haha okay, wohl eher paar mehr. Fünf oder so.

"Wo ist eigentlich der Kerl, für den ich mich so rausputzen sollte?", frage ich Daniel skeptisch. Hannahs Augen allerdings, leuchteten sofort auf. "Hast Recht, der soll mal herkommen. Er arbeitet Backstage... ich ruf ihn mal an!", erklärte sie mit einem Stimmvolumen, dass mich nicht unbedingt verwunderte, sondern eher beeindruckte.
Das Hintergrundgemurmel und die Beats vom letzten Song mixten sich in meinem Kopf zu etwas unbeschreiblich verwirrenden, woraufhin ich den Becher Wasser schließlich endgültig leerte.

"Sie hat mir nur ein Foto von ihm gezeigt, aber der sieht echt nett aus. Also nur für den Fall, dass er echt cool ist und so...", sprach Daniel mich auf die Outfit-Sache an. Ich nickte nur und schenkte ihm ein Lächeln.

Da kam Hannah auch schon zurück, im Schlepptau den amüsanten Zuschauer aus der S-Bahn. Wie peinlich, oh nein, nein... das... nein!! NEEIN! Ich drehte mich halb weg und wieder zu ihnen. Ich lachte breit und versuchte mich so intelligent wie möglich zu geben.

"Hey, da bin ich wieder!", rief Hannah gut gelaunt. "Das ist die freche Camille und Daniel, ein Kumpel", erläuterte sie ihm und zeigte jeweils auf uns. Er nickte uns zu und gerade als ich imaginäre Freudensprünge machen wollte, erkannte er mich nun doch. Mist! Ich lachte ihn an, er sollte schließlich nicht denken, dass es mir peinlich gewesen wäre. Obwohl er das sicher schon wusste...

"Dich kenne ich doch!", scherzte er. "Siehst gut aus, für wen hast du dich denn so hübsch gemacht?", neckte er mich sofort.

Mein Schutzinstinkt riet mir, mich mit tiefstem Sarkasmus zu verteidigen. Aber da kam nichts. Nichts! Ich bin ich jetzt total bescheuert?! Na dann eben die mädchenhafte Variante...
"Auch schön dich wieder zu sehen", antwortete ich ihm schließlich zuckersüß. Er zwinkerte nur blöd, wobei es keineswegs blöd aussah.
"Machst machst du so den ganzen Tag?", entgegnete Daniel und nahm sich der Aufgabe an, unseren neuen Freund einmal näher zu durchleuchten. Mein Bruder war schließlich nicht persönlich hier um dies zu tun.
"Ich bin im zweiten Semester Eventmanagement und deswegen werden meine Praktikas im Backstagebereich auf Konzerten sicher gut kommen. Du geht noch auf die Schule, oder?", wollte er von Daniel wissen.

"Stipendium für Harvard, Jura", konterte Daniel kalt. Seit wann hatte Daniel ein Stipendium?! Definitiv nicht, dafür sind seine Noten nicht gut genug und die könnte er in den Abiturprüfungen diesen Mai auch nicht mehr reißen.
Hannah war sichtlich verwirrt, irgendwie mehr wie ich. Sie fragte nicht nach, ich auch nicht.

Mein Kopf rotierte auf der Suche nach einem Gesprächsthema. Irgendwer müsste gleich etwas sagen.

"Pizza!", rief ich. "Habt ihr Bock nach dem Konzert Pizza zu holen?", fragte ich in die Runde. Drei Augenpaare sahen mich verwirrt an. Wie bitte?? Dein Ernst, Camille?, dachte ich mir resigniert.

Hannah erkannte die Lage der Situation und versuchte sie zu retten. "Hey, gute Idee! Lasst und nachher zu viert etwas essen ... KFC oder McDonalds oder so!", motivierte sie die Jungs zu einem Nicken. Daniels Laune war im Gesichtszüge waren fest und er war sehr darauf bedacht, unseren neuen Freund nicht aus den Augen zu verlieren.

"Ich muss wieder Backstage, war nett euch kennen zu lernen. Hannah, schreib mir dann einfach. okay?", erwiderte dieser. Er küsste sie auf die Stirn, drückte meine Schulter kurz und schenkte mir ein atemberaubendes Lächeln. Er salutierte Daniel und wand sich ab. Sein Körper verschwand hinter den Massen und kurz bevor ich nicht einmal mehr seinen Kopf sehen konnte drehte er sich um und zwinkerte mir frech zu. ...peinlich, er hat gemerkt, dass ich ihm hinterher gestarrt hab.

Die Röte schoss mir augenblicklich ins Gesicht und ich hatte alle Mühe, sie zu verstecken. Aber er hatte sich wirklich komisch verhalten... wer drückt einem die Schulte ?! Auch wenn sich mein Kopf gegen deine Verhaltensmuster wehrte, fühlte ich mich dennoch zu seiner offenen Art und ausdrucksstarken Präsenz hingezogen. Ob das so gut ist?

BREATHE *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt