Gefühlschaos

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Heute

Eine einzige winzige Träne kullerte meine Wange unter dem Helm hinunter. Es schmerzte zu sehr an die Vergangenheit zu denken. Ich nahm meinen Helm ab und wischte mir die Träne aus dem Gesicht, verschloss wieder mein Herz und konzentrierte mich auf das wesentliche: die Kiste unter ihrem Bett. Tatsächlich war die Kiste immer noch da, schnell öffnete ich sie und erblickte kurz darauf meine Tasche. Bingo! Allerdings erblickte ich nicht nur meine Tasche, sondern auch den Drachenzahn, den ich Astrid damals geschenkt hatte. Mit einer schnellen Bewegung ließ ich ihn in meiner Hosentasche verschwinden. Sie sollte mich endlich vergessen! Ich öffnete meine Tasche - leer. Zum Glück hab ich dieses Geheimfach eingebaut. Ich griff hinter den Stoff der Tasche und ertastete Papier. Sie waren noch da! Und jetzt nichts wie weg hier!

Ich wollte gerade das Zimmer verlassen, da wurde die Tür aufgerissen. Ruckartig drehte ich mich zur Tür. Verdammt, wieso hatte ich die Schritte nicht gehört? Ozeanblaue Augen blickten mir erschrocken entgegen. „H...Hi..Hicks?", fragte Astrid mit zitternder Stimme. Entsetzt blickte ich sie an. Wie konnte sie mich erkennen? - Scheiße, mein Helm lag immer noch auf ihrem Bett! „Bist du es?" Vorsichtig trat sie einen Schritt näher. „Nicht weiter, das reicht!", sagte ich mit fester Stimme. „Hicks?", wiederholte das blonde Mädchen ihre Frage. „Ich... bin nicht Hicks. Du verwechseltest mich!", presste ich unter zusammengedrückten Zähnen hervor. Schweigen, ein unerträgliches Schweigen. „Du bist es", durchbrach Astrid schließlich die Stille. „Ich muss jetzt gehen!", sagte ich. „Warte, was wolltest du hier?" „Ein anderes mal, vielleicht", hauchte ich und sprang aus dem Fenster. In Gedanken rief ich nach Ohnezahn. Kurz darauf war ich wieder in der Luft und auf dem Weg nach Hause.

Was sollte ich jetzt bloß tun? Sie hatte mich gesehen-mich erkannt! Ich musste unbedingt einen Weg finden, wie ich sie vergessen lassen konnte, dass sie mich gesehen hatte. Ohnezahn knurrte. „Tschuldige, mein Freund. Ich war in Gedanken", murmelte ich, immer noch halb in Gedanken. Er knurrte erneut, nur diesmal lauter. Jetzt war ich wieder komplett im hier und jetzt.
Ein großer blauschimmernder Berg machte sich vor uns bemerkbar. Geschickt lenkte ich Ohnezahn unter abstehende Eissplitter hindurch, hinein in den Eisberg.

Immer wieder aufs neue faszinierte mich dieser Ort. Ein Ort an dem die Drachen friedlich leben konnten, an dem sie sicher vor den graul Taten der Wikinger waren. Ich nahm Ohnezhan den Sattel ab und ließ ihn ziehen. Ich selbst begab mich in den hinteren Teil des Eisbergs, um mich umzuziehen. Rüstung aus, Stoffhose und Hemd an. So gleich fühlte ich mich freier und auch die Sorge wegen Astrid ließ ein wenig nach. Hier war ich weit entfernt von Berg und all das Geschehene kam mir noch noch wie ein dumpfer Traum vor. Müde schlurfte ich zu meinem Bett, was nicht mehr als eine Strohmatte auf Holz war. Aber es reichte vollkommen und erfüllte seinen Zweck.

Die Chroniken der letzten Reiter Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt