Alte Gewohnheiten ablegen

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1.

Der Mann aus dem Umzugswagen winkt und fährt los. Ich drehe mich um und gehe ein letztes Mal in mein altes Apartment.

Mein Vater ist vor 2 Monaten gestorben und ich muss nun zu meiner Tante aufs Land ziehen.
Ich liebe meine Tante. Sie ist lustig und immer für mich da. Aber von der Großstadt aufs Land?
Eine Umstellung die kein Teenager wirklich begeistert.

Ich schnappe mir meine Tasche, schließe die Tür und gebe dem Portier die Schlüssel. "Es tut mir sehr leid um Ihren Verlust Elli. Sie werden uns allen fehlen."

Ich umarme den gutherzigen Mann, der wie ein Onkel für mich war.
Die ganzen 20 Jahre, die wir dort wohnten lächelte er freudig und winkte, wenn er wusste ich kam aus dem Aufzug.

Mir rollt eine Tränen übers Gesicht.
"Danke André. Für alles! Auf Wiedersehen."

Der Taxifahrer vor der Tür hupt energisch in seinem gelben Taxi.
André hält mir ein letztes Mal die Tür auf und winkt mit einem traurigen Lächeln.

Ich will hier nicht weg. Aber ohne meinen Vater zerbricht es mir das Herz hier zu sein.
"Zum Flughafen bitte!", entgegne ich dem wartenden Taxifahrer und lächle gequält"

Während der scheinbar ewig dauernden Fahrt zum Flughafen, denke ich darüber nach wie es wohl wird auf dem Land zu leben.
Ich stelle mir vor, wie ich morgens von einem Hahn geweckt werde, Kühe melken muss und Pferde striegeln werde.
"Ich brauche unbedingt Gummistiefel.", sage ich leise zu mir selbst und lächle.

Mit mulmigem Gefühl steige ich in den Flieger. Zum ersten Mal fliege ich alleine.
Ich checke seit Stunden das erste Mal mein Handy.
Keine neuen Nachrichten auf WhatsApp oder sonst auf einer App.

Keiner meiner Freunde scheint mich zu vermissen oder sich daran zu erinnern,  dass ich heute mein altes Leben verlasse.
Mir waren meine Freunde sonst so wichtig, aber ich blieb kalt.
Ich passe sowieso nicht in deren Leben.

Alle sind so Geld- und Ruhmbesessen, dass ich da garnicht zugehörig wollte.
Aber ich musste. Das einzig schlechte in meinem Leben war das wir viel Geld hatten.
Ja das hört sich immer blöd an. Alle sagten: "Sei glücklich. Du kannst alles haben was du willst und du brauchst dich nicht mal anstrengen!"

Ja und das war das Problem. Je mehr ich darüber nachdenke, wird mir klar wie wenig ich selbst erreicht habe.
Ich werde mich verändern. Das ist mir klar.

Ich bin so in Gedanken, dass ich garnicht merke, daß wir am Flughafen angekommen sind.
Ich drückte dem Taxifahrer Geld in die Hand und bedanke mich bei ihm.

Ich suche mein Gate und checke ein.
Ich bekomme eine Nachricht von meiner Tante.
"Hallo Liebes wir freuen uns riesig. Wir holen dich ab. Hab einen guten Flug!"

Wir? Ich wundere mich, eigentlich war meine Tante allein. Vielleicht hat sie ja einen Freund. Ich freue mich und hoffe, dass sie glücklich ist.

Der Tod meines Onkels war für uns alle sehr schmerzhaft. Ich glaube, nach meiner Tante, war es mein Vater der am meisten gelitten hat.
Als mein Flug aufgerufen wird, stehe ich langsam auf. Ich merke jetzt erst wie müde ich bin.

Ich setze mich auf meinen Platz in der ersten Klasse. Meine Tante bestand damals darauf und lachte ins Telefon "Das wird der letzte Luxus sein, den du erstmal haben wirst. Du weisst, wir haben kein Klo!" Sie macht immer solche Witze und dafür liebe ich sie.

Als ich das letzte Mal auf der Farm war, hatte sie ein paar Hühner, zwei Pferde und eine Scheune in der ich immer gespielt habe. Ein großes Farmhaus. So groß wie ein typisches Herrenhaus. Viele Schlafzimmer und für jedes ein Badezimmer. Begehbare Duschen und alles was dazu gehörte.

Rustikal, aber so modern. Ich liebte es als Kind dort.
Mal sehen wie es wird dort zu wohnen statt nur Ferien zu machen. 
Mein neues Leben wird erstmal nicht einfach aber, ab jetzt heisst es für mich: alte Gewohnheiten ablegen!

Die üblichen Durchsagen im Flugzeug höre ich nur noch stumpf. Ich nehme eine Schlaftablette um endlich wieder durchzuschlafen, schnalle mich an und warte auf den Start. Kurz nachdem das Flugzeug abhebt, schlafe ich ein.

Ich träume wieder.
Eine blonde Frau. Ich sehe sie von hinten, sie geht in einen Wald.
Ich erkenne es...
Ich habe diese Frau beobachtet, Wochenlang.
Sie ist eine schreckliche Person.
Ich weiss wie es endet, doch durch die Schlaftablette kriege ich mich nicht wach.

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