Kapitel 1

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Hermine schlug die Augen auf. Ihre Handgelenke schmerzten und ließen sich nicht mehr bewegen. Ihre Hände waren komisch auf ihren Rücken gedreht und ihre Beine aneinander gekettet.

Sie lag auf einer Art Tisch, in einem dunklen Gewölbe. Wo waren Ron und Harry? Wo war sie? Was war passiert? Hermine versuchte ihren Kopf zu drehen, schaffte es aber nicht, ihn weiter als ein paar Zentimeter in jede Richtung zu bewegen. Sie versuchte zu schreien, doch kein Ton kam über ihre Lippen.

Plötzlich hörte sie schlurfende Schritte, die eine Treppe herunter kamen. Dann wurde eine Tür geöffnet, die sich außerhalb von Hermine's Sichtfeld befand. Die Tür wurde wieder geschlossen. Ein leises Murmeln war zu hören, als sich ihr jemand von hinten näherte. Hermine erschauderte.

Aus den Augenwinkeln konnte sie jetzt zwei lange, hängende Ohren erkennen, aus denen dichte Haarbüschel wuchsen. Ein Hauself. Um seinen schmächtigen Körper war ein zerlumptes Geschirrtuch gewickelt worden, das über und über voll mit Dreck war. Der Hauself trat an sie heran, überprüfte die Seile, mit denen sie gefesselt worden war und schlurfte dann weiter zu ihren Füßen, um dort die Ketten zu untersuchen.

"Dreckiges Schlammblut... Hast es nicht anders verdient..."

Hörte sie ihn immer und immer wieder murmeln. Nachdem er sich einmal um sie herum geschlichen hatte, schlurfte er wieder in Richtung der Tür und ließ Hermine alleine.

Ein leises Schluchzen entwich ihr. Sie wollte hier weg. Sie wollte wieder nach Hause, zu ihren Eltern. Sie würde den Obliviate Zauber rückgängig machen und dann mit ihnen abhauen. Vielleicht nach Australien, oder in die Schweiz. Hauptsache, sie konnte diesen Albtraum hinter sich lassen.

Eine einzelne Träne rollte ihre Wange herab. Was würde jetzt mit ihr passieren? Die Angst vor dem Ungewissen schnürrte ihr die Kehle zu. Bis jetzt hatte sie in ihrem Leben immer alles unter Kontrolle gehabt. Jedes wichtige, entscheidende Ereignis war von ihr geplant worden. Nichts hatte sie je überraschen können.

Selbst die unerwarteten Geschehnisse, die in jedem ihrer Schuljahre auf Hogwarts eingetreten waren, hatten sie nicht so aus der Bahn werfen können. Aber wer rechnete schon mit einer Entführung? Denn das war es ganz klar, da war Hermine sich sicher.

Sie schloss die Augen. Atmete tief ein und aus. Versuchte sich zu beruhigen. Sie musste einen Weg hier raus finden.

Draco ließ sich schnaubend zurück in den weichen Sessel fallen. Ein weiteres Jahr in Hogwarts. Ein weiteres verschwendetes Jahr. Nachdem sein Auftrag Dumbledore zu töten im letzten Jahr so gründlich schief gegangen war, hatte man ihn von allen weiteren Todesser Angelegenheiten ausgeschlossen.

Crabbe und Goyle saßen neben ihm. Sie verstanden seine Wut nicht, aber sie verstanden sowieso nie etwas. Schon seit langem hatte Draco es sich abgewöhnt, seine Gefühle mit ihnen oder jemand anderem zu teilen. Viel zu oft war er von den Menschen um ihn herum enttäuscht worden. In erster Linie war das sein Vater gewesen, der immer etwas besseres zu tun gehabt hatte, als sich mit seinem Sohn abzugeben. Dann war da seine Mutter, die zwar versucht hatte ihm zuzuhören, ihn aber nie verstehen konnte. Und dann seine beiden Freunde, Crabbe und Goyle, die beide nur ans Essen denken konnten, und denen der Begriff Gefühle genauso fremd war, wie eine Diät.

Die Abteiltür wurde aufgeschoben und Zabini Blaze setzte sich zu den drei in das Abteil. Nach ihm trat Pansy Parkinson durch die Tür und schloss sie wieder hinter sich. Ihre braunen Augen hefteten sich sofort auf Draco.

Diese Aufmerksamkeit quittierte er nur mit einem leichten Zucken der linken Augenbraue. Parkinson war ihm völlig egal. Schon seit der vierten Klasse war ihm aufgefallen, dass sich Pansy immer stärker an ihn klammerte. Sie lief ihm wie ein kleines Hündchen hinterher und äffte alles nach, was er sagte.

Am Anfang hatte ihm diese Art von Aufmerksamkeit gefallen. Vor allem sein Stolz war so mehr als befriedigt worden. Aber nur wenige Monate später war ihm Parkinson nur noch auf die Nerven gegangen.

"Potter ist anscheinend mit dem kleinen Schlammblut und dem Blutsverräter abgehauen!"

Pansy Parkinson sah Draco aufmerksam an, genau darauf bedacht, jede noch so kleine Reaktion von ihm zu bemerken, und zu deuten. Draco zeigte keinerlei Regung. Seine eisgrauen Augen sahen einfach nur desinteressiert aus dem Fenster.

Enttäuscht wandte sie sich den drei anderen im Abteil zu. Plötzlich ging ein leichter Ruck durch den Zug. Dann wurde er langsamer, bis er schließlich zum Stillstand kam.

Draco versuchte sich seine Verwirrung nicht anmerken lassen, als er sich zu seinen Freunden drehte. Die Türen des Zuges wurden mit einem Zischen geöffnet. Einen Moment später hörte Draco, wie eine Abteiltür nach der anderen aufgerissen und wieder geschlossen wurde. Dann wurde auch die Tür ihres Abteils aufgerissen.

Ein dunkel gekleideter Mann kam herein. Draco kannte ihn nicht, sah aber sofort das dunkle Mal auf seinem Unterarm. Es war tief schwarz und bewegte sich leicht von seinem Handgelenk hoch, bis fast zu seinem Ellebogen. Unbewusst wanderte Draco's Blick den Ärmel seines eigenen Umhangs herab. Ohne nachsehen zu müssen wusste er, dass sein eigenes Mal ein genaues Ebenbild von dem des Mannes war.

"Habt ihr den hier gesehen?"

Der Todesser hielt ihnen eines der vielen Plakate mit der Aufschrift: Unerwünschte Nummer Eins unter die Nase.

Keiner der fünf Schüler musste sich das Bild auf dem Pergamentbogen ansehen, um zu wissen, wer darauf abgebildet war. Das Bild stammte aus Harry Potter's fünftem Schuljahr. Es war nach dem Kampf im Ministerium gegen Lord Voldemort gemacht worden.

"Haben wir nicht!"

Der Mann sah Draco zum ersten Mal an. Sein Blick blieb abschätzend an seinem Gesicht hängen und ließ keinen Zweifel daran, was er von ihm dachte. Er verzog seinen schmalen Mund zu einem verächtlichen Grinsen, dann drehte er sich um und verlies das Abteil.

Eine halbe Stunde später konnte der Hogwartsexpress endlich weiter fahren. Bis zu diesem Moment hatte es keiner, der im Abteil anwesenden gewagt, auch nur einen einzigen Ton von sich zu geben.

In Cage - Dramione/Dramine FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt