Die Sonne sandte ihre letzten, sterbenden Strahlen über den Himmel, während von oben schon die Dunkelheit nach unten floss, die Sterne, den Mond mit sich brachte, und das Licht langsam ertränkte. Aber heute gab es nur die Sterne, die die Nacht erleuchten konnten, denn es war Neumond und am Himmel war absolut nichts des stetigen Begleiters der Erde zu sehen.
Ich kam aus den Schatten hervor und setzte mich mit baumelnden Beinen an den Rand des Hausdachs, als die letzten Strahlen unter dem dunklen Umhang erstickten und die Kirchturmuhr drei mal ohrenbetäubend laut schlug. Das Holz, aus dem das Dach gemacht war, zitterte ein wenig unter meinen langen, knochigen Fingern, als ich sie darüber gleiten ließ und um den Rand schloss.
Es war der 11. August, fünfzehn vor elf, noch eine Stunde und fünfzehn Minuten bis Mitternacht und soeben war die tödlichste Gefahr für mich vom Himmel gewichen.
Die Sonne.
Ich legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die kleinen, strahlenden Punkte über mir. Sie blinkten und funkelten und als eine Sternschnuppe mit einem langen Schweif am Himmel vorbeizog, wusste ich, dass mein Essen nicht mehr weit war. Heute sollte ein Sternschnuppenregen sein, das hatte ich auf einem der Flugblätter gelesen, die mir Maria gestern mit meinem Snack vorbeigebracht hatte, und vielleicht passte das ja sogar ganz gut. Denn erstens erinnerten sie mich an Bluttropfen und zweitens wäre das für mein Opfer immerhin eine mehr oder weniger schöne Art zu sterben.
Doch als auch nach ein paar Minuten keine weitere Sternschnuppe kam, schnipste ich gelangweilt mit den Fingern und sah wieder auf den Marktplatz vor mir. Das Kopfsteinpflaster war leer, lag totenstill in der noch ziemlich hellen Nacht verborgen und das einzige Geräusch waren das Plätschern von Wasser im Brunnen und das leise Zirpen der Grillen.
Keine Menschenseele war hier draußen und auch das war gut, denn so wurde die Sache deutlich leichter für mich. Die Bewohner dieses Dorfes waren furchtbar abergläubisch, was übernatürliche Kreaturen und ganz besonders Vampire anging und deshalb hingen auch über jeder Tür eine Kette mit Knoblauch, Kreuze und Talismane, die vor was weiß ich sonst noch schützen sollten.
Sicher, mich hielten sie ab, aber ich hatte ja Maria.
Manchmal war es nur leider fast schon langweilig, wenn ich nicht mehr auf die Jagd gehen musste, wie damals, als ich noch bei meiner Familie gelebt hatte. Jede Nacht waren wir aus unserem Bunker herausgekommen und waren wie lautlose Schatten durch die Schwärze geglitten.
Jeder von uns hatte sich ein Haus ausgesucht, in das wir durch ein Fenster hereinkamen. Ein Klirren, wenn die Scheibe zerbrach, müde Schritte und schläfriges Gemurmel, wenn die Bewohner kamen, um nachzusehen, ein kurzer Schrei, wenn ich meine Zähne in ihre Kehlen schlug und danach Stille. Nur der Geruch von frischem Blut, etwas seltsam Metallisches, das mich immer magisch angezogen hatte, blieb noch in der Nase, wenn ich das Haus verließ.
Jetzt war es komplett anders.
In der Nacht ging ich nicht selbst los, sondern wartete um Mitternacht genau auf diesem Dach auf Maria, die mir jemanden mitbrachte, der mein nächstes Opfer sein würde.
Maria hatte ich kennengelernt, als ich neu ins Dorf gekommen war, nachdem meine Familie mich dafür verstoßen hatte, dass ich mit einem Menschen befreundet gewesen war. Es war nicht unbedingt so, dass ich rücksichtsvoll auf meinen Beutezügen war.
Eher kaum. Ich musste überleben, dafür brauchte ich Menschenblut und um an das zu kommen, musste ich sie töten, aber eines Tages hatte ich in dem Dorf, in dem ich früher gewohnt hatte, in der Nacht im Haus nur einen vielleicht elf Jahre alten Jungen gefunden, der angefangen hatte zu weinen, als er mich gesehen hatte.
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Oneshots über alles mögliche
DiversosWie man unschwer im Titel erkennen kann, wird das hier eine Sammlung an Oneshots über alle möglichen Ships, auf die ich gerade Lust habe, und vielleicht auch einfach noch über andere Sachen, die mir gerade so in den Kopf kommen. Schaut einfach mal...