Kapitel 9

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Inzwischen war Katharina wieder zu Hause angekommen. 

Halb in Gedanken versunken, schloss sie den Briefkasten auf. 

Neben der Tageszeitung befand sich ein Brief darin. 

Katharina stellte fest, dass dieser an sie gerichtet war, denn ihr Vor- und Zuname standen handgeschrieben auf der Vorderseite des Umschlags, in einer Schrift, die ihr allerdings nicht bekannt vorkam. Anscheinend war jener Brief auch nicht mit der Post gesendet, sondern persönlich eingeworfen worden, denn es befanden sich weder eine Briefmarke noch Absender und die genaue Anschrift darauf. 

Sie dachte sich zunächst nichts dabei, schloss den Briefkasten wieder und nahm den Inhalt mit in die Wohnung.

Die Zeitung legte sie auf den Wohnzimmertisch, bevor sie den Umschlag öffnete. Zwei Zettel befanden sich darin. 

Katharina entnahm zuerst den kleineren von beiden und faltete diesen auseinander. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie sah, was darauf abgebildet war. 

In den Händen hielt sie eine Todesanzeige, die zwar nur maschinell von zu Hause aus erstellt worden war, aber trotzdem erschreckend echt wirkte. 

Es war eine Todesanzeige für Martin mit seinem Namen und seinen Lebensdaten, wobei das Sterbedatum auf jenen Freitag vor zwei Jahren gesetzt worden war. 

Langsam und mit zitternden Händen holte Katharina auch den zweiten Zettel aus dem Umschlag und faltete ihn auseinander. Er enthielt eine kurze, handgeschriebene Nachricht:

An deiner Stelle hätte ich ein ganz, ganz schlechtes Gewissen!

Gruß Martin

Die Schrift sah der auf dem Briefumschlag sehr ähnlich, doch Katharina konnte sie weiterhin nirgendwo zuordnen. 

Einen Scherz und einen Zufall schloss sie sofort aus. Sie hatte diesen Brief ganz bewusst erhalten, von irgendwem, der über Martin und sie genau Bescheid wusste. Was vor zwei Jahren passiert war, erschien in diesem Augenblick weniger geklärt denn je. Alles kam nun Schlag auf Schlag und schien immer schlimmer zu werden. Katharina war sicher, dass zwischen allem ein Zusammenhang bestehen musste. Ihr schossen so viele Gedanken darüber durch den Kopf, dass sie Mühe hatte, diese zu ordnen. 

Was ihr außerdem Sorgen bereitete, war, dass sie ausgerechnet jetzt ihren Vater durch dessen Auslandsaufenthalt nur schwer erreichen konnte. Ihre nächsten Angehörigen waren somit ihr verwitweter Großvater Wilhelm, der wegen Herzproblemen seit einigen Tagen im Krankenhaus lag und ihre jüngere Schwester Clara, die in jenem Augenblick das Wohnzimmer betrat und Katharina aus ihren Gedanken riss.

„Ach, du bist ja auch schon da.", sagte Clara feststellend. „Hast du Post bekommen? Von wem denn?", fragte sie sofort, als sie den Umschlag erblickte, auf dem Katharinas handgeschriebener Name stand.

„Von niemandem, den du kennst.", antwortete Katharina genervt und packte die Zettel schnell zurück in den Umschlag.

„Hast wohl 'nen neuen Freund, wenn du nicht darüber reden willst?", fragte Clara stichelnd weiter.

„Clara, bitte! Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für solche Scherze.", erwiderte Katharina streng.

„Ist ja gut, ich bin schon wieder weg.", entgegnete Clara und ging nach draußen.

Katharina wollte noch etwas sagen, da sie, auf Grund ihrer Anspannung in dieser schwierigen Situation, ein wenig überreagiert hatte, aber da war Clara bereits verschwunden. 

Noch einmal holte Katharina die an sie geschriebene Nachricht hervor und betrachtete diese. Sie war nicht sicher, wie sie jetzt handeln sollte. Es war zwar keine direkte Drohung gegen sie ausgesprochen worden, trotzdem hörte es sich so an, als hätte man vor, ihr mit dieser Botschaft bewusst Angst zu machen und Druck auszuüben. Doch wer konnte so etwas beabsichtigen? 

Katharina fiel niemand ein und sie wollte es andererseits auch niemandem zutrauen. Jedoch – und das war an allem das Erschreckendste – lag die Vermutung recht nahe, dass derjenige aus ihrem näheren Umfeld stammen musste und deshalb so gut über alles informiert war. 

AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt