Kapitel 34

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Wenig später traf der Vermieter, ein kleiner, älterer Herr, mit dessen Wagen in der Leipziger Straße ein und wurde von Herrn Machold an der Eingangstür zu Nummer zwanzig empfangen.

„Guten Tag, ich bin Uwe Baumgart, der Vermieter. Wir haben vorhin miteinander gesprochen?", stellte er sich vor.

„Das ist richtig, mein Name ist Machold.", erwiderte sein Gegenüber. „Sehr nett von Ihnen, dass Sie sofort herkommen konnten. Da alles ziemlich spontan ist, konnte ich leider noch keinen Durchsuchungsbefehl organisieren."

„Ist schon in Ordnung, Sie sagten ja, es sei dringend.", erwiderte Herr Baumgart zugänglich.

„Das ist es in der Tat.", entgegnete Herr Machold, während sie das Gebäude betraten. „Hoffen wir, dass es Herrn Schrader gut geht. Er scheint schon seit einiger Zeit nicht erreichbar zu sein."

„Wenn er vorgehabt hätte, zu verreisen, hätte ich definitiv davon gewusst und wäre jetzt nicht hier.", sagte Herr Rösler völlig überzeugt und stellte sich Herrn Baumgart ebenfalls vor.

„Ich habe bereits an der Nachbarwohnung geklingelt, aber da hat auch niemand geöffnet.", erzählte Herr Machold und deutete auf die Tür gegenüber.

„Sie meinen die Wohnung von Paul Conrad?", erwiderte Herr Baumgart. „Da können Sie klingeln, so lange Sie wollen, aber da wird niemand mehr öffnen."

„Wie meinen Sie das?", wollte Herr Machold wissen.

„Paul Conrad ist vor Kurzem verstorben.", antwortete Herr Baumgart. „Die Anzeige war letzten Samstag in der Zeitung. Morgen findet die Beerdigung statt und im Anschluss will jemand von seinen Verwandten hier vorbeikommen, um mit mir Zeug aus der Wohnung durchzusehen und zu entscheiden, was damit wird. Spätestens danach werde ich auch endlich seine Namensschilder entfernen. Ich bin leider bisher nicht dazu gekommen."

„Das tut doch jetzt gar nichts zur Sache.", mischte sich Herr Rösler ein und deutete ungeduldig auf Martins Wohnungstür.

„Einen Augenblick, das interessiert mich schon.", unterbrach ihn Herr Machold. „Wissen Sie, was genau mit Herrn Conrad passiert ist? Hat er einen Unfall gehabt?", wandte er sich wieder an Herrn Baumgart.

„Ich glaube, irgendeine Herzgeschichte.", antwortete Herr Baumgart. „Es ging ihm schon einige Jahre gesundheitlich nicht mehr so gut. Er konnte kaum noch laufen und wurde von einem häuslichen Pflegedienst versorgt. Blind war er auch fast, aber das ist ja alles nichts Ungewöhnliches mit über neunzig Jahren."

„Sagten Sie, über neunzig?", wiederholte Herr Machold überrascht.

„Ja, das sagte ich.", bestätigte Herr Baumgart und sah Herrn Machold dessen verwunderten Blick an. „Stimmt etwas nicht?"

„Ich weiß nicht.", erwiderte Herr Machold nachdenkend. „Jedenfalls mir hat kürzlich noch jemand erzählt, sich hier mit Paul Conrad unterhalten zu haben."

„Das ist unmöglich.", entgegnete Herr Baumgart. „Er lag vor seinem Tod bereits mindestens drei Wochen im Krankenhaus."

„Ich glaube, es ist jetzt wirklich an der Zeit, dass wir einen Blick in die Wohnung von Herrn Schrader werfen.", gab Herr Machold beunruhigt zurück.

„Das finde ich auch.", stimmte Herr Rösler zu.

„Natürlich, ich schließe sofort auf.", entgegnete Herr Baumgart und ging an Martins Wohnungstür, um diese mit dem Generalschlüssel zu öffnen. 

„Versuchen Sie bitte nach Möglichkeit die Türklinke nicht zu berühren!", sagte Herr Machold.

„Alles klar.", erwiderte Herr Baumgart, dem inzwischen ebenfalls etwas unwohl war.

„Glauben Sie etwa, es gibt einen Zusammenhang zwischen Herrn Schrader und dem alten Herrn von nebenan?", wollte Herr Rösler von Herrn Machold wissen.

„Möglicherweise, aber ich bin mir noch nicht ganz sicher.", antwortete dieser nachdenkend. „Wir werden es hoffentlich bald wissen und dann kann ich Ihnen beiden alles auch endlich genauer erklären."

Herr Baumgart hatte die Tür inzwischen aufgeschlossen und per Druck gegen den Schlüssel einen Spalt breit geöffnet.

„Vielen Dank.", sagte Herr Machold. „Warten Sie beide bitte hier vor der Tür, nur zur Sicherheit!"

Herr Rösler wirkte darüber weniger begeistert, befolgte aber – wie auch Herr Baumgart – den Rat von Herrn Machold. 

Anschließend zog dieser seine Waffe. 

„Herr Schrader, sind Sie da?", rief er zunächst in den geöffneten Spalt hinein.

Als niemand antwortete, drückte er die Tür mit dem Ellbogen weiter auf und ging in die Wohnung. 

Bald schon sah er die Leiche seines Kollegen im Flur und eilte zu ihm hin.

„Mein Gott!", sagte Herr Machold leise, als er sich noch einmal selbst von Herrn Kellers Tod überzeugte.

„Herr Schrader?", rief er ein weiteres Mal und ging vorsichtig weiter.

Im Schlafzimmer fand er kurze Zeit später auch die Leiche von Lars auf dem Bett.

„Das darf doch nicht wahr sein.", sagte Herr Machold ratlos. 

Er schaute danach noch ins Bad, in die Küche und ins Wohnzimmer, bevor er wieder nach draußen ging.

„Und?", wollte Herr Rösler sofort wissen.

„Leider keine guten Nachrichten.", antwortete Herr Machold. „Hier scheint etwas Furchtbares passiert zu sein. Ich muss Sie beide bitten, hier zu warten, bis meine Kollegen eingetroffen sind."

„Was bedeutet das?", wollte Herr Rösler wissen. „Ist etwas mit Herrn Schrader?"

„Das kann ich leider nicht sagen, von ihm habe ich bisher weiterhin keine Spur gefunden.", erwiderte Herr Machold. „Allerdings befinden sich zwei Leichen in der Wohnung..."

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