Kapitel 22

16 6 4
                                    

Katharina war am gleichen Nachmittag mit ihrem Fahrrad zu Pauls Wohnung gefahren. Sie hatte bereits mehrmals bei ihm geklingelt, ohne dass eine Reaktion seinerseits erfolgt war. Außerdem waren die Wohnungsfenster geschlossen. 

„Paul, bist du da?", rief Katharina, doch es tat sich nichts.

Als sie wieder gehen wollte, hörte sie, wie sich die Eingangstür zu Nummer zwanzig öffnete. 

Es war jedoch nicht Paul, sondern eine alte Frau, die aus dem Gebäude trat, als sich Katharina zur Tür umdrehte. Trotzdem ging sie auf die Frau zu.

„Entschuldigen Sie bitte, wissen Sie zufällig, ob Paul Conrad zu Hause ist?", sprach Katharina die Frau an.

„Bitte, wer?", fragte diese verwundert.

„Paul Conrad.", wiederholte Katharina. „Er wohnt ebenfalls in diesem Eingang, unten rechts im Erdgeschoss."

„Keine Ahnung.", erwiderte die Frau unzugänglich. „Ich wohne noch nicht allzu lange hier und habe deshalb noch keinen großen Kontakt zu den anderen Bewohnern geschlossen. Außerdem habe ich sowieso lieber meine Ruhe und von daher ist mir auch egal, wer irgendwo wohnt."

Anschließend setzte sie ihren Weg unbeirrt fort. 

Katharina sah ein, dass sie heute hier nichts erreichen würde und machte sich ein wenig enttäuscht auf den Heimweg. 

*

„Bleiben Sie trotzdem ganz ruhig, es ist ja nicht Ihre Schuld!", sagte Herr Machold, als Katharina ihn von zu Hause aus anrief und mitteilte, dass sie Paul an dessen Wohnung nicht erreicht hatte. „Geben Sie mir einfach die Adresse, dann kann ich selbst mal vorbeischauen! So ist es wahrscheinlich einfacher. Es tut mir leid, dass ich nicht gleich darauf gekommen bin und Ihnen somit einige unnötige Umstände bereitet habe."

„Ist nicht schlimm.", entgegnete Katharina. „Der Name des Zeugen ist Paul Conrad. Er wohnt direkt neben Martin."

„Alles klar, das war die Leipziger Straße zwanzig...", erwiderte Herr Machold und notierte es sich. „Ich werde mich mit ihm in Verbindung setzen. Eine Telefonnummer von ihm haben Sie nicht zufällig?"

„Nein, leider nicht.", antwortete Katharina bedauernd.

„Naja, macht nichts.", erwiderte Herr Machold. „Die könnte ich, wenn es nötig sein sollte, auch selbst ermitteln. Zunächst werde ich aber den persönlichen Kontakt mit ihm suchen und vielleicht kann ich bei dieser Gelegenheit auch noch einmal bei Herrn Schrader vorbeischauen."

„Ich danke Ihnen.", sagte Katharina.

„Nichts zu danken, dafür bin ich doch da.", entgegnete Herr Machold freundlich.

„Was kam eigentlich bei Lars' Schriftprobe raus?", wollte Katharina wissen.

„Leider nicht viel, aber gut, dass Sie mich daran erinnern, das wollte ich Ihnen nämlich sowieso noch mitteilen.", erwiderte Herr Machold. „Wir haben ihm die Nachrichten diktiert, ohne ihm die Zettel vorher zu zeigen. Zwar gab es ein paar gewisse Ähnlichkeiten beider Schriften, in anderen Punkten jedoch wieder nicht und somit keine Eindeutigkeit hinsichtlich eines möglichen Beweises. Außerdem machte Herr Krämer einige Rechtschreibefehler, die auf den anderen Zetteln jedoch nicht enthalten waren. Zwar waren es nur ein paar kleine Allerweltsfehler, wie ß und ss oder Dein am Anfang klein oder groß, allerdings hat er diese Fehler bei allen drei Runden der Schriftprobe gemacht. Wir wollten ganz sicher gehen und haben ihn deshalb alles mehrmals schreiben lassen. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass er diese Fehler bewusst machte, um von sich abzulenken. Schon aus diesem Grund ist es mir wichtig, endlich Kontakt mit Herrn Conrad aufzunehmen."

*

Herr Machold fuhr noch am gleichen Tag in der Leipziger Straße zwanzig vorbei. Er betätigte mehrmals erfolglos sowohl die Klingel von Pauls Wohnung als auch bei Martin. 

Am Abend, als es bereits dunkel wurde, kam Herr Machold ein weiteres Mal vorbei und klingelte erneut an beiden Wohnungen, ohne dass ihm jemand öffnete. 

Anschließend blieb er noch einige Zeit in der Nähe des Blocks und behielt die Wohnungen im Blick. Während der gesamten Zeit, die er sich dort aufhielt, brannte kein Licht weder bei Paul noch bei Martin und auch sonst gab es keinerlei Zeichen von ihnen. 

Herr Machold beschloss letztlich, es am nächsten Tag erneut zu versuchen und sich dann gegebenenfalls auch bei anderen Bewohnern nach Paul und Martin zu erkundigen.

AngstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt