Kapitel 28

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Sandras Sicht

Ich weiß nicht, was mit Lena los ist im Moment, aber ich mache mir so langsam wirklich Sorgen um sie. Sie geht mir die ganze Zeit aus dem Weg und jegliche Freude scheint sie verlassen zu haben. Ich habe sie seit wir uns am Montag am Musikraum begegnet sind nicht ein Mal lächeln sehen. Meinen Blicken weicht sie aus, auf meine Nachrichten antwortet sie nicht wirklich und unser Gespräch am Freitag hat auch nicht stattgefunden, weil sie zu Hause wohl ziemlichen Stress hat. Dabei würde ich so gern endlich mit ihr über alles reden. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass am Montag etwas vorgefallen sein muss, von dem sie mir nicht erzählen will. Vielleicht hat sie auch Angst vor dem Gespräch, was ich verstehen kann, denn auch ich befürchte, dass sich dadurch sehr viel ändern wird. Doch ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es daran liegt. Angst hin oder her, es ist sehr wichtig, dass wir uns aussprechen und falls es einen anderen Grund für ihr Zögern gibt bezüglich unserer Aussprache, dann muss ich diesen herausfinden. Nur wie komme ich an sie ran, wenn sie mich zurzeit so stark abblockt. Ich kann sie schlecht in den nächstbesten Klassenraum zerren und dort mit ihr reden und sie zu Hause zu besuchen ist einfach zu riskant. Ich muss mir also etwas anderes überlegen. Vielleicht kann ich sie unter einem anderen Vorwand zu mir locken.

Genau in diesem Moment erwischt mich doch tatsächlich ein Geistesblitz, denn mir fällt gerade ein, dass ihr Großvater Aufnahmen vom Frühlingskonzert gemacht hat, vielleicht frage ich sie einfach, ob sie mir einen Stick mit den Bildern zusammenstellen und morgen bringen kann. Dann könnte ich zumindest kurz mit ihr reden. Das scheint mir eine gute Idee zu sein.
Ich zücke mein Handy und schreibe ihr schnell über WhatsApp eine Nachricht. Es dauert auch tatsächlich nicht lang, bis sie mir antwortet. Wieder ist ihre Nachricht sehr knapp, aber immerhin hat sie mir geschrieben, dass sie das machen würde. Der Schritt wäre also schon mal geschafft. Jetzt kann ich nur hoffen, dass sie mir morgen kurz zuhört.

***

„Ich möchte bitte, dass ihr Vierergruppen bildet und euch mal Gedanken macht, wie ihr das Schwarzlicht mit einem Musikstück verbinden könnt. Ich lasse euch da freie Hand. Wenn ihr Ideen habt, aber Probleme bei der Umsetzung auftauchen, dann könnt ihr auch gern zu mir kommen, vielleicht kann ich euch weiterhelfen. Und jetzt wünsche ich euch erstmal viel Spaß. Probiert euch aus, genug Materialien sind da."
Kurz darauf stehen fast alle von ihren Plätzen auf, nur um sich anschließend in kleinen Grüppchen zu finden und erstaunlicherweise recht leise über die Aufgabe zu unterhalten. Vielleicht liegt es an dem Thema, ich meine Schwarzlicht und fluoreszierende Farben sind einfach klasse, aber eigentlich ist der Grund auch egal, ich genieße einfach die Ruhe im Raum und beobachte meine Schüler. Währenddessen lasse ich wieder meine Gedanken kreisen und überlege mir, was ich nachher am besten sagen könnte, wenn ich Lena kurz sehe. Sie darf mir nicht wieder ausweichen.

Kurz bevor es klingelt, reißen mich einige Schüler mit einer Frage aus meinen Gedanken. Sie wollen wissen, ob wir die zehn Minuten Pause durch machen und dafür früher Schluss machen können, sie wären gerade so gut am arbeiten. Da sage ich natürlich nicht nein. Es freut mich immer, wenn der Unterricht so gut läuft und ich meine Schützlinge so vertieft in ihren Aufgaben sehe. Also verkünde ich kurz, dass wir keine Pause machen, sie aber natürlich nebenbei etwas essen und trinken können, wenn sie wollen. Damit geben sich alle zu Frieden und ignorieren das Klingeln.

Plötzlich klopft es jedoch an der Tür, woraufhin ein paar der Schüler auf sehen. Ich gehe zur Tür und öffne sie einen Spalt, um zu sehen, wer sich dahinter befindet. Es ist Lena. Der Zweitpunkt ist jetzt etwas blöd, aber ich kann ihr nicht die Schuld dafür geben, schließlich haben wir nicht ausgemacht, wann sie mir den Stick am besten gibt.

„Entschuldigen Sie, ich wollte nicht stören. Ich habe den Stick mit den Aufnahmen vom Konzert dabei, nach dem Sie gefragt haben." sagt Lena völlig professionell und distanziert, dass es mich tatsächlich etwas traurig stimmt. Wo ist die Lena hin, die immer mit einem Lächeln im Gesicht ganz locker mit mir redet und dadurch mein Herz erwärmt?
Ich greife nach dem Stick, jedoch halte ich für einen Moment ihre Hand dabei fest.

Eine Stimme zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt