Kapitel 29

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Helenas Sicht

Ich liebe diesen Ort, er raubt mir einfach jedes Mal aufs Neue den Atem und genau deshalb finde ich ihn auch perfekt für dieses Gespräch. Bisher habe ich diesen Ort noch niemandem gezeigt, weil er einfach viel zu besonders ist. Doch das ist sie auch.
Wir sind ungefähr zehn Minuten gelaufen, ein Stück durch den Wald der rings um den See verläuft und stehen nun vor einer Weide, dessen Stamm so schräg gewachsen ist, dass er direkt über das Wasser ragt. Durch die Baumkrone, die wie ein kleiner Vorhang wirkt, ist dieser Platz jedoch fast komplett versteckt, also schiebe ich ein paar Blätter bei Seite und offenbare Sandra mein „Geheimversteck", meinen Rückzugsort, meine Wohlfühloase an schlechten Tagen.

„Wow! Es ist wunderschön hier." sagt Sandra sichtlich erstaunt. Genau wie du.

Ihre Augen leuchten richtig, was mich mit Freude erfüllt. Es ist wirklich schön diesen Ort mit ihr teilen zu können.
Ich lasse sie ein wenig die Atmosphäre in sich aufsaugen bevor ich auf den Baumstamm zu laufe, dann ein Stück hinauf klettere und ihr meine Hand reiche. Sandra schaut mich etwas verwundert an, zieht sogar eine ihrer Augenbrauen hoch, doch dann ergreift sie meine Hand und lässt sich von hier hoch helfen. Wir setzen uns und lassen unsere Beine baumeln, die sich auf der ruhigen Wasseroberfläche des Sees widerspiegeln.
Für eine Weile sagt niemand etwas, wir genießen einfach diese wunderschöne Aussicht, die mir immer so viel Kraft spendet, wenn mein Akku völlig erschöpft ist. Selbst bei schlechterem Wetter ist es hier wunderschön, denn auch wenn die Weide keine Blätter mehr hat, dann hat dieses kleine Fleckchen hier etwas Magisches. Von diesem Baum aus ist man, wenn die Baumkrone dicht bewachsen ist, völlig von der Außenwelt abgeschottet und hat trotzdem einen wundervollen Blick auf den See.

Ich genieße die Ruhe und ihre Anwesenheit sehr, doch langsam bekomme ich das Gefühl, dass ich etwas sagen müsste, also durchbreche ich die Stille und beginne damit ihr zu erklären, was am Montag letzte Woche vorgefallen ist. Es fällt mir nicht leicht ihr von dem Gespräch mit Katja zu erzählen, weil ich befürchte, dass sie dann den Kontakt zu mir abbricht, doch sie muss es erfahren. Anders könnte ich ihr mein Verhalten ihr gegenüber auch nicht erklären. Ich meine ich wollte dieses Gespräch unbedingt und dann lasse ich sie plötzlich sitzen. Natürlich hat sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt.

***

„Ich kann verstehen, dass du darüber nicht mit mir reden wolltest und deshalb auf Abstand gegangen bist. Wenn ich ehrlich bin, dann hätte ich an deiner Stelle sicher genau so reagiert, aber wie du zu ihr bereits gesagt hast, es war nur eine Umarmung und weiter nichts."
Sie macht eine Pause und sieht sich gedankenverloren unser Spiegelbild im Wasser an.

...und weiter nichts. Sieht sie das etwa wirklich so, oder hat sie das eben nur so gesagt? Für einen kurzen Augenblick sorgen ihre Worte für ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch.

„Lena, ich....ich weiß nicht wo ich anfangen soll. Du bringst mich völlig durcheinander und das immer wieder aufs Neue."
Sie atmet tief ein und dann langsam wieder aus. Meine Hand legt sich fast wie von selbst auf ihre und scheint sie etwas zu beruhigen, denn sie lächelt ein wenig, wendet jedoch ihren Blick nicht vom Wasser ab, als sie weiter spricht.

„Seit unserem Kuss, muss ich ständig daran denken. Viel mehr muss ich ständig an dich denken und das macht mich fertig, weil ich in deiner Nähe oft einfach total durch den Wind bin und dann irgendwie das Gefühl habe als würde ich..."

„Die Kontrolle verlieren?" ergänze ich ihren Satz etwas unsicher, doch ich scheine damit ins Schwarze getroffen zu haben, denn sie blickt plötzlich auf und sieht mich kurzzeitig ein wenig verwundert an. Dann nickt sie jedoch und wendet ihr wunderschönes rot angelaufenes Gesicht wieder ab. Ich lege ihr eine Hand an die Wange und streiche leicht darüber. Ich will nicht, dass es ihr peinlich ist mit mir darüber zu reden und möchte zum Reden ansetzen, doch sie sieht mich an und schüttelt sacht den Kopf.

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