Kapitel 1 : Mein Alltag

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Ich schlendere, wie fast jeden Tag, mal wieder ohne direktes Ziel durch die Straßen und kicke ein paar Kieselsteine, die auf dem Gehweg liegen, zur Seite. Dem Sonnenstand nach muss es jetzt so zwischen 15:00 und 15:30 sein. Zum Glück ist es noch Spätsommer, da bleibt es noch länger hell und warm, denke ich mir. Also noch genug Zeit um ein neues Opfer auszuwählen. Ein paar Straßen weiter finde ich dann endlich mein Ziel: Ein mehrstöckiges Familienhaus, ein Auto steht nicht vor der Tür und die Rollläden sind noch zu, was sehr ungewöhnlich für diese Uhrzeit ist. Zur Sicherheit check ich aber auch noch die Mülltonnen ab. Auch hier ein weiterer Hinweis auf die Abwesenheit der Besitzer, die Mülltonne ist leer, dabei wurden alle vor ein oder zwei Wochen geleert. Glaube ich zumindest.
Nun muss ich nur noch die beste Stelle zum Einsteigen ins Haus finden. Um mir bloß keine perfekte Gelegenheit entgehen zu lassen, schleiche ich also um das Gebäude herum. Zu meinem Entzücken ist das es ein Endhaus in einer Reihe, so dass ich auch den Garten vom Gehweg aus sehen kann. Jetzt hab ich einen guten Überblick und letztendlich wähle ich den Hintereingang, aber erstmal muss ich über den Zaun klettern. Den Rucksack festgeschnürt schwinge ich mich irgendwie doch recht unbeholfen über die relativ niedrige Gartenbegrenzung. Bei meiner Größe von bestimmt
1,85m sollte das ja eigentlich kein Problem sein, aber leider fällt mir, als ich schon fast drüber bin, noch meine kleine Taschenlampe aus dem Rucksack. ,, Meine Fresse, du hättest jetzt auch noch drinnenbleiben können. Ein Mist ist das!", sage ich leise vor mir hin. Doch was ist das?
Von links nähern sich zwei Paare von Schritten, vielleicht ein Ehepaar oder sowas. Haben die gehört was ich gerade gesagt habe? Ne, das war doch zu leise, oder? Die Panik überkommt mich, weil die Schritte unaufhaltsam näher kommen. Der Versuch, lautlos in das nächste Gebüsch zu kriechen, ist wohl gescheitert, weil die Blätter ordentlich rascheln. Mein Herz pocht wie verrückt und jetzt kann ich die Leute sehen, die hier lang laufen. Es ist tatsächlich ein älteres Ehepaar, beide sind locker schon über die 50 Jahre hinaus. Eigentlich sehen sie so Hand in Hand ja voll süß aus, aber das bringt mir leider gar nichts, denn wenn die mich entdecken bin ich echt richtig am Arsch. Alte Leute reagieren bei Jugendlichen in fremden Gärten nämlich meistens nicht so toll und ich habe wirklich keinen Bock auf die Polizei. Ich könnte zwar sagen, ich wohne hier, aber mit meiner Ausrüstung und der Tatsache, dass das Haus unbelebt aussieht, zieht dieses Argument wohl eher nicht so.
Jetzt ist das Ehepaar direkt vor mir, vielleicht 2m von mir entfernt. Verzweifelt halte ich meinen Atem für mehrere Sekunden an. Man, wieso laufen die so langsam? Die sollen mal schneller machen! Jetzt sind sie endlich weit genug entfernt und so kann ich geräuschvoll meinem Atem wieder freien Lauf lassen.
Noch ein kurzer Blick zurück auf den Gehweg, gut niemand mehr in Sichtweite, also kann ich mich jetzt an die Rollläden der Terrassentür machen. Die Brechstange tut es wohl am Ehesten, kommt mir in die Gedanken. Folglich öffne ich den Rucksack an den beiden Bändern zum Aufziehen. Nach kurzem Rumgewühle in meinem vollgepackten Aufbewahrungsort für nahezu alles, was ich besitze, halte ich das Werkzeug in der Hand. Langsam nähere ich mich der Tür. Aber bevor ich diese aushebeln kann, muss ich erst noch das Rollo hochschieben und was darunter platzieren, damit es oben bleibt. Ich sehe mich um, im Garten muss es doch irgendwas geben, was mir helfen kann.
Weiter hinten steht eine kleine, dunkel- bis rotbraune Hütte, vermutlich für Gartengeräte. Aber da muss ich ja nicht auch noch einbrechen. Mein Blick streift einen etwas dickeren Bambusstab zum Stabilisieren von kleineren Büschen oder Bäumen. Der ist doch perfekt, also schnappe ich ihn mir und gehe zurück in Richtung Terrasse. Wieder an der Tür angekommen, lege ich den Stab zur Seite und mache mich daran das Rollo nach oben zu drücken. Noch ein letztes Mal ein nervöser Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass auch wirklich keiner zusieht und schon halte ich die verdreckten Rollläden in meinen jetzt ebenfalls schmutzigen Händen. Ratternd lässt es sich hochschieben, jetzt muss ich eine Hand freimachen und den Stock zur Hilfe nehmen. Vorsichtig klemme ich ihn unter den Rand des Rollos und nun kann ich mich voll und ganz der Tür widmen. Wieder die Brechstange zur Hand genommen, stecke ich die Vorderseite der Stange zwischen Tür und Rahmen. Ich kann nur hoffen, dass das nicht die best gesichertste Tür ist, sonst muss ich wohl oder übel die Scheibe zerschlagen. Nach einigen erfolglosen Rüttlern an dem Eingang gebe ich es auf. Das Brecheisen seitlich gedreht hole ich aus und man hört es laut klirren. Lauter als es mir lieb ist, aber das muss ich jetzt in Kauf nehmen. Ich werfe mir den Rucksack wieder über die Schulter und krieche in gebückter Haltung durch das entstandene Loch in der Scheibe. Ach, ich habe noch was vergessen: Ohne Handschuhe gehe ich da nicht rein. Erstens wegen der Fingerabdrücke und außerdem will ich ja nicht als Anfänger dastehen und mir die Hände am Glas aufschlitzen. Dann kriegt mich die Bullerei doch viel schneller. Also streife ich beide paar Handschuhe über und schreite weiter, ins Haus hinein. Die Wand entlangfahrend erfühle ich den Lichtschalter und knipse das Licht an. Sofort ist der ganze Raum ausgeleuchtet, aber ich befinde mich im Wohnzimmer. Eine höhere Priorität hat gerade die Küche, denn mein Magen meldet sich schon ständig mit einem mächtigen Grummeln zu Wort. Also spaziere ich seelenruhig durch die Wohnung, irgendwie fühle ich mich ein bisschen sicherer hier drinnen. Nach kurzem Suchen ist auch der Kühlschrank gefunden und mit einem kräftigen Ruck ziehe ich ihn hungrig auf. Es lächeln mich herzlich wenig Lebensmittel an: Eine 1/4 Leberwurst, 2 Eier und etwas Butter. Na super, denke ich mir, hättet ihr mich nicht ein bisschen mehr überlassen können? Aber daraus muss sich doch was machen lassen. Ich sehe mich noch in den anderen Schubladen der Küche, aber da ist nichts mehr zu finden. Mit der Butter kann ich ja auch schon die Eier braten. Die Leberwurst kann ich dann ja noch dazu essen. Etwas zu Trinken wäre aber auch nicht schlecht, vielleicht hat die Familie noch was im Keller, falls es hier überhaupt einen gibt. Gelassen gehe ich nach rechts einen Gang entlang, vermutlich der Flur und ja, da ist eine Tür nach unten. Doch als meine Hand schon auf der Türklinke liegt, komme ich ins Zögern. Schlimme Erinnerungen an meine Kindheit schwappen wieder hoch, nein, ich muss sie verdrängen. Knarrend öffne ich die Holztür und Blicke ängstlich durch die Dunkelheit nach unten. Werde ich das packen? Die Angst überkommt mich und ich drehte instinktiv meinen Kopf nach hinten, damit ich über meine Schulter gucken kann. ,,Nein Tom, du bist kein Angsthase!", versuche ich mir selbst Mut zu zusprechen. Du machst jetzt das Licht an und gehst da runter, sage ich mir in Gedanken. Das in die Tat umgesetzt, komme ich mit wackeligem Knien unten an. Ein weicher, brauner und ziemlich ausgefranster Teppich verdeckt den kalten Beton am Boden. Meinen Körper an die Wand gepresst laufe ich also weiter und nach der ersten Kurve erwartet mich eine nächste Tür. Diese ist um Einiges massiver und aus irgendeinem Metall. Mit etwas mehr Kraft ziehe ich sie auf und trete in den finsterem Raum hinein. Die Tür weit aufhaltend, damit auch ja genug Licht meine Angst vertreibt, suche ich den Lichtschalter. Doch er lässt sich nicht finden. Dann muss ich wohl mit Widerwillen die Tür loslassen. Da springt das Licht auch schon an. Ahhhhhhhhh! Vor Schreck stoße ich einen großen Stapel Konservendosen um und alle fliegen scheppernd auf mich. Boah, habe ich mich erschreckt, mein Herz rast wie verrückt, aber da hinten steht an die weiße Steinwand angelehnt, ein Regal voller Getränke. Perfekt, mein Abendbrot ist gerettet.
Nachdem ich mit den Getränken wieder heile oben angekommen bin, mache ich mich an das Braten der Eier.
Es brutzelt angenehm in der Pfanne und alles ist gerade so friedlich und entspannt. Von dem Schreck unten, habe ich mich langsam wieder erholt. Ich sehe mich nochmal kurz in den anderen Räumen um und setzte mich schließlich auf einen Stuhl am Esstisch. Nun kann ich meinen Gedanken nach langer Zeit mal wieder freien Lauf lassen. Alles, was ich die letzen Tage so erlebt habe, geht mir durch den Kopf. Ich erinnere mich an jenen Tag vor circa 5 1/2 Jahren, als mein Vater abgehauen ist und mich und meine Mutter im Stich ließ.

Mein Leben als DiebWo Geschichten leben. Entdecke jetzt