Emely's Pflegepapa kommt herein und ich springe vor Schreck auf. Als er schon halb im Zimmer ist, bin ich gerade dabei, das Fenster aufzureißen. Da sieht er mich doch und schreckt ebenfalls auf. ,,Wer ist das und was hat er in unserem Badezimmer zu suchen?"
Ich drehe mich noch ein letztes Mal um und sage verzweifelt in Emely's Richtung: ,,Wir werden uns wiedersehen!"
Und mit diesem Worten drücke ich mich mit meinen Füßen vom Fensterbrett ab. Der Garten rast auf mich zu und beim Aufkommen nehme ich noch meine Hände zur Hilfe, um mich abzurollen. Ein Schrei ertönt vom Fenster herab: ,,Mach das du hier wegkommst!" Ich renne weiter und springe dieses Mal komischerweise unglaublich leichtfüßig über den Zaun. Kommt vermutlich von dem Adrenalin, welches unaufhörlich durch meine Adern strömt. Als ich eine Häuserecke erreiche, gehe ich dahinter in Deckung, stütze meine Hände auf meine Knien ab und atme erstmal schwer durch. Meine Knie schmerzen immer noch ein bisschen, anscheinend war der Sprung etwas zu hoch. Aber daran kann ich gerade einfach keinen Gedanken verschwenden. Dieser Mann wird mir die Bullen auf den Hals jagen wie ein Jäger seine Hunde auf ein einsames Reh. Ich wage noch einen kurzen Blick um die Ecke und sehe, wie das Fenster in der Ferne geschlossen wird.
Ich muss da unbedingt nochmal hin, das schulde ich Emely in gewisser Weise. Und außerdem könnte ich das moralisch auch nicht mit mir ausmachen, einfach weg zu gehen. Ich denke darüber nach, was ich jetzt machen soll. Ich muss mir einen geeigneten Platz hier in der Nähe suchen und auf die Chance warten, wenn ich Emely wieder treffen kann. Dieses Mädchen geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Nur leider habe ich leider keine praktische Erfahrung mit dem weiblichen Geschlecht, Beziehungen und all dem Kram.
Wie auch, wenn man, hart ausgedrückt, ein Penner ist?
Es erschreckt mich, worüber ich eigentlich nachdenke! Könnte ich mich in dieses Mädchen verliebt haben? Ich weiß es selbst nicht und das ist das Problem. Ich weiß nicht, was ich will. Aber ich weiß, dass das nicht unser letztes Treffen war. Das darf es nicht gewesen sein.
Okay, stopp! Ich schweife zu weit ab. Jetzt muss ich mich erstmal um das Wesentliche kümmern. Zum Beispiel, wo schlafe ich heute? Oder, esse ich noch etwas?
Also geschlafen wird auf jeden Fall irgendwo, wo es trocken und halbwegs warm ist und eine letzte Mahlzeit vorm Schlafen werde ich mir auch besorgen. Voller Tatkraft streife ich durch die umliegenden Straßen, in Gedanken bin ich aber immer noch bei diesem einen Haus, damit ich es auch ja wiederfinde.
Nach einiger Zeit sehe ich am Straßenrand einen kleinen Dönerstand. Der Verkäufer scheint gerade seine Sachen einzupacken, es ist ja auch schon spät genug. Ich weiß nur noch nicht, wie ich ihm unbemerkt etwas stehlen soll.
Schließlich ist er fertig und zieht aus der Seite des Standes zwei Metallstangen heraus, mit denen er seinen mobilen Laden vor sich her schieben, beziehungsweise hinter sich her ziehen kann. Ich muss ihm jetzt ein Stück folgen, sonst verliere ich ihn aus dem Sichtfeld. Also springe ich aus dem Gebüsch, in dem ich mich vorher versteckt habe und laufe ganz normal die Straße entlang.
Selbstverständlich mit etwas Abstand zu dem, ich glaube es ist ein Türke oder zumindest jemand aus dem Nahen Osten, damit er nicht jetzt schon Verdacht schöpft. Ein oder zwei Straßen weiter hält er dann endlich an und ich höre Schlüssel an einem Bund klimpern, die er rausholt, um seine Haustür aufzuschließen. Seine Ware hatte er in mehrere Tiefkühlboxen gefüllt und jetzt gerade nimmt er eine davon mit ins Haus. Die andere bleibt dort verlockend auf dem Boden stehen. Ich ergreife diese gute Chance und renne mit einem irren Tempo auf die Kiste zu. Als ich sie fast erreicht habe, höre ich rechts von mir Schritte auf einem gefliesten Boden, der Verkäufer will seine letzte Kiste wohl auch noch holen und den Stand muss er ja auch irgendwo unterstellen.
Aber ich bin schneller und greife mir die Kiste, bevor er aus dem Haus ist. Mit der gerade erlangten Beute setze ich erneut zu einem kleinen Sprint an und ich verspüre diesen Druck und Zug, das ich mich jetzt unbedingt verstecken muss. Das lässt mich automatisch noch schneller laufen und dann erreiche ich auch einen großen Busch, hinter dem ich vollständig verborgen bin. Oder sieht man mein Knie an dem Busch vorbei ragen? Mechanisch bewegt es sich und ich gehe noch weiter in die Kauerstellung, sodass ich mir sicher sein kann, das ich nicht gesehen werde. Der Busch weist ein paar lückenhafte Stellen auf, wo ich hindurch blicken kann. Ich sehe den Mann, wie er gerade seelenruhig seinen mobilen Verkaufsstand durch die Gegend schiebt, daraus schließe ich, dass er die fehlende Kiste noch nicht bemerkt hat. Erleichtert laufe ich durch einige verwinkelte, kleine Wege zwischen mehreren Häusern, um schließlich bei dem Häuserblock von, in dem Emely wohnt, anzukommen. Jetzt muss ich nur noch einen geeigneten Schlafplatz finden, dann habe ich seit langer Zeit mal wieder einen mehr oder weniger perfekten Tag.
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Mein Leben als Dieb
Fiksi RemajaHallo! Ich heiße Tom und ich bin 15 Jahre alt. Ich lebe leider schon seit Jahren auf der Straße, weil meine Mutter an Krebs verstorben ist, als ich 10 war. Ein halbes Jahr davor hatte sich auch mein Vater, dieser Dreckskerl, aus dem Staub gemacht un...