DER SCHWARZE PUNKT

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ℒ𝒾𝒶𝓃 starrte gedankenverloren an die Decke und stocherte in ihrem Eis herum. Sie hatten alle gemeinsam am Tresen des Ladens von Leons und Marlons Vater Platz genommen. Die Mannschaft hatte beschlossen, sich nach der harten Arbeit eine Belohnung zu gönnen und diese beim ‚Ice Dieler' einzunehmen. Der Vater von Leon und Marlon musste sich eine geschlagene halbe Stunde das freudige Geplauder von den Kerlen anhören. Immer wieder hatte er genickt, während ein Grinsen sein Gesicht geziert hatte. Auch wenn er manchmal das fußballverrückt sein an seinen Söhnen nicht gutheißen konnte, wenn es um Schule ging, war er dennoch froh, dass diese ihre Mannschaft hatten. Dies konnte das Mädchen aus seinen Augen lesen. Fast alle wilden Kerle aßen Eis - bis auf Leon und Deniz. Lian sah sich um.

An den Wänden des Ladens hingen verschiedene Bilder. Die Motive, welche auf den Leinwänden abgebildet waren, erinnerten das Mädchen an den späten Expressionismus. Es waren merkwürdige Gestalten mit dunklen Farben gemalt, die häufig mit einer fiesen Fratzen geschmückt waren. Breite, große und schwarze Klauen erstreckten sich und zerstörten Häuser und ganze Städte. Die gelben Glubschaugen verliehen den Bestien die klischeehafte Aura eines Bösewichtes. Irritiert blinzelte die Braunhaarige mehrere Male bis sie ihre Augen endlich dazu brachte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Lian hatte zwei Kugeln, Nuss und Schokolade, im Becher beziehungsweise im Glas bestellt, über welche Schokosoße und Raspeln gestreut waren. Das Eis schmeckte ihr außerordentlich gut, dennoch war ihr nach einiger Zeit der Appetit vergangen. Bei den wilden Kerlen entstand ein anderes Bild. Sie schaufelten wie verrückt das Eis in sich rein und bei einigen zierte ein Milchbart den Mund. Manche kauten auf ihren Partyschirmchen und nur ein Knacken verriet, das sie es zu Bruch brachten. Die Becher der Jungen sahen sehr extravagant aus. Joschka hatten einen Halloweenbecher mit einem Auge, grünen Giftschnüren und abgebrochenen Fingern. Laut der siebten Kavallerie war die Kombination ‚erste Sahne' und ‚Monstermäßig gut'. Lian war nicht darauf erpicht zu erfahren, wie genau die Mischung schmeckte. Ihr Sitzplatz war zwischen dem Streuner und Maxi. Während Tipkick langsam sein Eis einnahm, stopfte Juli die Menge in den Mund. Essenstauglich war etwas anderes und so verging dem Mädchen nur noch mehr der Appetit. Sie schluckte einmal kräftig, um den Mageninhalt nicht wieder auszuspucken.

Deniz und Leon waren nicht unter den Anwesenden. Angeblich wollten die beiden Spieler Vanessa mit einer Trumpfkarte dazu bringen, zu den Kerlen zurückzukehren. Lian war bereits bekannt, dass die Mannschaft einen Vertrag mit jedem Spieler gemacht hatte, doch worum es genau ging, konnte sie nicht sagen. Das Mädchen drehte ihren Kopf zu Maxi, damit ihr dieser eine gewisse Frage beantworten konnte. „Sag mal Maxi, was genau machen euer Ego von einem Anführer und Deniz?", fragte sie und nahm aus dem Augenwinkel war, wie einige Kerle anfingen zu husten. Maxis Mundwinkel zuckten verdächtig. Der Angesprochene hob seinen Kopf und starrte sie an.

„Wovon sprichst du?", entgegnete er und zog seine Augenbrauen zusammen. Stutzig erwiderte die Braunhaarige seinen Blick. „Ich rede von euren sogenannten ‚Verträgen'". Als Lian das Wort aussprach, setzte sie mit ihren Fingern Gänsefüßchen, welche verrieten, was sie von diesen Verträgen hielt. Raban und Joschka warfen einander Blicke zu.

Anstatt Maxi beantwortete Marlon ihre Frage. Der ältere Sohn von Joachim, so hieß der Vater von Leon und Marlon, hatte solange in seinem Becher gerührt, bis das Eis eine einzige braune Pampe ergab. Lian verzog das Gesicht, als sie die Eissuppe erblickte. „Wir haben einander geschworen niemals die wilden Kerle zu verraten. Falls es aber zu so einem Fall kommen sollte, dann wird dem Verräter der schwarze Punkt gegeben." Der Rothaarige schob das Eis von sich weg und steckte den Dekoschirm hinter sein wilde Kerle Stirnband. Beiläufig fuhr er mit seiner Erklärung fort. „Er gilt als Zeichen des absoluten Verrats. Gleichzeitig folgt eine Bestrafung auf diesen und der Verräter wird von der Mannschaft lebenslang ausgeschlossen. Vanessa hat diesen Schwur von uns verlangt."

Mädchenhafter geht es nicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt