3 - Wie es zum Ausbruch kam I

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Es war ein ganz normaler Tag, Montag, der 09.November 2009. Ich war damals 25 Jahre alt und hatte meine quarter-life-crisis. Die Krise, die junge Menschen mit ca. 25 Jahren überstehen müssen. So ging es mir auch. Ich hatte eine Krise, wobei ich alles in Frage stellte. Ich war unzufrieden mit dem Job und mit meinem privaten Leben. Ach, überhaupt mit allem! Ich fing an mir Fragen zu stellen wie: warum bin ich überhaupt hier auf der Erde? Was ist meine Lebensaufgabe? Was macht mich glücklich?

Meine Mama hat mir immer gesagt: "Mach nicht so viel auf einmal! Du nimmst dir immer zu viel vor!" So war das auch mein Leben lang. Ich habe in Spanien ein Praktikum gemacht und gleichzeitig studiert. Dann kamen noch die Prüfungen hinzu. Da fing dann alles an. Ich habe Schluckstörungen bekommen, da ich nicht zur Ruhe kam und konnte unter Stress nicht essen, war wie unter Strom  oder wie man so schön sagt, ich hatte immer Hummeln im Hintern.

Als ich mit dem Studium fertig war, wollte ich unbedingt nach Düsseldorf zu einer internationalen Werbeagentur. Ich habe mir viele Bücher zum Thema "positives Denken" angeschaut und bin dann nach diesem Prinzip vorgegangen und habe so meinen ersten richtigen Job bekommen. Laut positivem Denken, sollst du das Ergebnis bzw. dein eigenes Ziel visualisieren, daran glauben, dass du es schaffen kannst. Du sollst dir schon bildlich auf dem Papier oder vor geistigem Auge ausmalen, wie es ist und wie es sich anfühlt, das Ziel bereits erreicht zu haben. Ich habe mir bildlich vorgestellt, dass ich bereits in der Agentur arbeite. Ich spielte vorher schon das Vorstellungsgespräch nach und übte dafür mit einer Freundin. Ich sagte mir und war fest davon überzeugt, dass ich den Job schon in der Tasche habe. Ich hätte auf meinen Instinkt, innere Stimme, Bauchgefühl hören sollen. Aber nein, ich hatte ja mein Ziel vor Augen. Ich merkte bereits in meiner ersten Probewoche, dass es nicht das Richtige ist. Aber ich war geblendet von der Größe, Macht, Schönheit und Erfolg der Firma. Alleine schon das Empfangsfoyer sah so beeindruckend aus, so dass ich mich einschüchtern ließ. Dabei war ich beim Vorstellungsgespräch so sicher, dass ich den Job will und es machen kann. Doch dann war ich wie ausgewechselt, ein ganz anderer Mensch. Ich sprach kaum mit jemandem, war nur in die Arbeit vertieft. Es war ja auch kaum Zeit dafür da. Wir haben uns E-Mails geschickt statt ins nächste Büro persönlich zum Kollegen zu gehen. Ach, was ein Stress. Es kamen täglich um die 100 E-Mails rein, alles Probleme, die man lösen muss. Die Arbeitssprache war Englisch, wobei der Kunde auch eigene, englische Kürzel einsetzte.

Nach ein paar Monaten entschied ich mich wieder etwas mit Tanzen zu machen. Ich sammelte alle meine Tanzunterlagen, die Teilnahmebescheinigungen von den Tanzworkshops und Urkunden von den Meisterschaften. Ich recherchierte im Internet, was ich nebenberuflich tänzerisch machen kann. Da habe ich die Ausbildung als Tanzpädagogin in Neuss entdeckt und meldete mich dort direkt an. Ich wollte in meiner quarter-life-crisis alles umkrempeln. Daher war ich ganz aus dem Häuschen und glücklich, dass ich mit der Ausbildung anfangen konnte. Ich merkte nicht, dass es eigentlich wieder viel zu viel ist. Ich wohnte in Dortmund und arbeitete in Düsseldorf. So pendelte ich jeden Tag mit der deutschen Bahn mit all seinen Verspätungen und vollen Zügen.An Wochenenden habe ich zusätzlich Tanzpädagogik studiert.

Als ich dann irgendwann eine Kollegin vertreten sollte und meine andere Arbeitskollegin im Urlaub war, habe ich meine Kündigung eingereicht. Ich hatte keine Zeit für nichts mehr. Ich war den ganzen Tag unterwegs.

Nachdem ich gekündigt habe, bin ich in ein tiefes Loch gefallen. Mein Glück war, dass ich eine so tolle Familie und Freunde habe. Ich arbeitete dann in der Eisdiele bei Freunden und konnte so etwas abschalten. Aber dann war die Saison zu Ende und ich saß ganz alleine in Dortmund zu Hause. Ich habe bis in die Nacht TV geguckt und hatte überhaupt keine Tagesstruktur mehr. Ich habe nichts mehr im Haushalt machen können. Ich habe nur Absagen von Firmen gekriegt und war schon depressiv gestimmt. Dann kam eine Idee von einer sehr guten Freundin von mir. Wir wollten uns selbstständig machen, einen online shop für Kleidung anbieten. Ich war Feuer und Flamme. Ich war von der Idee sofort begeistert und wir fingen an, an unserem Konzept zu arbeiten.

Ich war so euphorisch und aufgedreht, so dass ich gar nicht mehr geschlafen habe. Ich habe mich zwar hingelegt, aber konnte überhaupt nicht abschalten. Die Gedanken kreisten in meinem Kopf, ich wollte alles aufschreiben und ja nix vergessen. Ich habe wie wild auf die Tasten im Laptop gehauen, um das Konzept so schnell wie möglich zu Ende zu bringen. Kaum lag ich im Bett, hatte ich schon die nächsten Ideen im Kopf. So stand ich wieder auf und schrieb alles schnell auf. Mein ganzes Wissen, Denken und Erfahrungen waren miteinander vernetzt und gleichzeitig aktiv, so dass ich nur vor Ideen so sprühte. Ich habe mit einem kleinen online shop angefangen und endete mit einem internationalen Netzwerk Konzept für die Vintagewelt. Meine Idee war, online alte Vintagekleidung gemixt mit der neuen Kleidung zu verkaufen, so dass man die Wurzeln nicht vergisst, aber auch das Neue integriert, nach dem Motto „back to the roots“. Das ging dann immer weiter und weiter, bis ich dann über die essentiellen Dinge nachgedacht und integriert habe wie z. B. die Tierliebe, Nichtrauchen oder die Verbindung zur Natur. Insbesondere beschäftigte mich die positive Energie dabei. Wir haben meine alte Kleidung bei ebay verkauft und ein Tag vorher an die Käufer verschickt. Da fingen schon die Zeichen an, die ich aber in meinem gestörtem Wahrnehmen übersehen bzw. nicht wahrgenommen habe. Ich nahm jedes Kleidungsstück und füllte es mit positiver Energie, bevor ich es eintütete. Ich wollte den Menschen was Gutes tun.

An dem besagten Tag habe ich wieder mal nicht geschlafen und bin früh aus dem Haus mit dem Hund meiner Freundin rausgegangen. Ich habe nicht mal die Leine benutzt. Es war ein sonniger Tag und wir gingen um den Block. Ich genoss die Sonnenstrahlen in meinem Gesicht, spielte mit dem Hund und lächelte die Passanten an. Ich hatte so ein Hochgefühl. Ich stand wie unter Drogen. So ein Gefühl hatte ich noch nie in meinem Leben gehabt. Ich fühlte mich mit allen und allem verbunden. Ich dachte mir, so muss sich der Tod anfühlen. Ich fühlte einen starken inneren Frieden und war unglaublich glücklich und zufrieden. Ich hatte das Gefühl, dass ich eine freie Seele im Universum bin und bin mit allen und allem vernetzt...

KAT GONE CRAZYWo Geschichten leben. Entdecke jetzt