Kapitel 3

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Mein erster Tag neigte sich dem Ende und zufrieden trat ich den Weg nach draußen auf den Parkplatz an. Die entfernten Geräusche des Feierabendverkehrs drangen gedämpft an meine Ohren und der dunkelgraue, von Wolken verhangene Himmel, zeigte bereits erste Anzeichen der einsetzenden Dämmerung. Ein Beweis dafür, dass der Herbst viel zu schnell Einzug übers Land hielt - und das, obwohl wir erst im September angelangt waren.

Mit großen Schritten überquerte ich den gepflasterten Weg zu meinem Auto. Ich war stolzer Besitzer eines schwarzen Mercedes CLS. Der alleinige Anblick dieses schnittigen Wagens ließ darauf schließen, dass das Lehrerdasein nicht mein einziger Beruf war - was auch der Wahrheit entsprach. Niemand hätte sich von dem lächerlichen Gehalt, das man sich als Lehrkraft erarbeitete, ein solches Auto leisten können, geschweige denn den Luxus, in dem ich lebte. Doch mein Erfolg als Schriftsteller hatte mir einen solchen Lifestyle ermöglicht.

Wie auch die Schule, war das Lesen zu einer Art Katalysator für mich geworden, als ich noch ein Kind gewesen war. Einem Ventil. Wann immer es Zuhause unerträglich wurde, weil mein Stiefvater seine Frau wieder einmal windelweich prügelte, hatte ich mich in meinem Zimmer unter dem Bett versteckt und mich in die Tiefen eines Buches geflüchtet. Oder ich hatte Joanna etwas vorgelesen, um sie von dem Gebrüll abzulenken, das aus dem Erdgeschoss nach oben gedrungen war.

Mit einem innerlichen Frösteln verdrängte ich die Erinnerungen an meine Kindheit.

Da es sich bei der Literatur schon immer um meine größte Leidenschaft handelte, hatte ich während meines Studiums begonnen, selbst zu Stift und Papier zu greifen. Ich schrieb unter einem Pseudonym. Hauptsächlich Kriminalromane und Biografien. Und durch eine glückliche Fügung des Schicksals, war ein Verlag auf mich aufmerksam geworden. Offenbar schienen den Menschen meine Schreibkünste zu gefallen, denn meine Romane fanden immer mehr Anklang, bis ich schließlich sogar davon hatte leben können. Niemals hätte ich es für möglich gehalten, einen solchen Erfolg an Land zu ziehen. Oft schon versuchte mein Lektor mich zu überreden, Lesungen zu geben, auf Veranstaltungen oder Wettbewerben teilzunehmen. Aber ich wollte mein Privatleben privat halten. Ich wollte keine Berühmtheit sein. Wenngleich ich meine Werke mit der Öffentlichkeit teilte, so war es mir wichtig, etwas für mich zu haben - mein Leben. Und die Tatsache, dass ich im Überfluss lebte, gründete nicht auf Prahlerei oder Egozentrik, nein, es war auf die schlechten Lebensbedingungen meiner Kindheit zurückzuführen. Darauf, dass ich nie wieder hungern wollte, dass ich nie wieder eingesperrt sein wollte in einem Zimmer, das kaum größer, als eine Besenkammer war. Ich wollte nie wieder leiden oder etwas missen müssen. Ich wollte in Freiheit sein, mir keine Sorgen um Geld machen. Dazu gehörte auch, das Auto zu fahren, das mir gefiel, ohne mir den Kopf über die Finanzierung zu zerbrechen. Oder in einer Wohnung zu leben, die mir das Gefühl gab, die ganze Stadt überblicken zu können.

Aber am meisten wollte ich eine bessere Zukunft für meine kleine Schwester.

Joanna.

Ich hatte immer versucht, sie zu beschützen und war doch so kläglich gescheitert. Ich hatte ja nicht einmal mich selbst beschützen können... Unwillkürlich bemerkte ich, dass meine Gedanken wieder abdrifteten. Sie drifteten ab, an jenen grausamen und dunklen Ort, den ich stets zu meiden versuchte. Für gewöhnlich hatte ich mich unter Kontrolle, außer ich wurde wieder einmal von einem der Albträume, die mich regelmäßig überfielen, heimgesucht. Die Erinnerungen an meine Kindheit waren normalerweise in den tiefsten und verborgensten Ecken meines Gedächtnisses weggesperrt. Doch heute schien alles durcheinander zu geraten.

Mit einem Seufzen ließ ich mich auf den weichen Ledersitz meines Autos fallen und trat die Heimfahrt an. Als ich vor dem Gebäudekomplex anhielt, indem sich meine Penthouse-Wohnung befand, überreichte ich dem Portier, Mr Grayson, die Autoschlüssel. Er erwiderte meine Begrüßung mit einem freundlichen Nicken, ehe er sich auch schon nach draußen begab, um mein Auto in die Tiefgarage zu fahren.

Logan's storyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt